15. bis 18. Juni 1970. Im Hannoverschen Schachklub existiert ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl, das weit über die vielzitierte Thekenromantik hinausgeht. Diese Worte stammen von Kurt Pfaff, dem Kolumnisten des HSK aus der Zeit des Kalten Krieges. Vor genau 50 Jahren gab es in Hannover einen Freundschaftskampf gegen Spartacus Budapest, der heute in dieser Form undenkbar wäre: Eine Anreise, die 21 Stunden dauerte, Empfang durch Bürgermeister Otto Barche, eine Barkassenfahrt auf dem Maschsee, ein Bowlingabend in Döhren, Besichtigung des VW-Werks in Stöcken, ein Stadtbummel in Hannover, ein Besuch des Historischen Museums, ein Altstadt-Bummel und ein Abschiedsessen in den Herrenhäuser Brauereigaststätten. Zwischendurch wurden zwei Mannschaftskämpfe ausgetragen. Den ersten gewannen die Budapester mit 8 : 3 Punkten, der zweite endete Unentschieden mit 5,5 : 5,5 Punkten. Gespielt wurde im Hotel Interconti; damals eine Nobelherberge, heute ein leerstehendes Spekulationsobjekt von Immobilienhaien.
Kurt Pfaff hatte die Ereignisse auf zwei Seiten eines HSK-Rundschreibens zusammengefasst. Die solltet ihr euch im Anschluss in Ruhe durchlesen. Es lohnt sich. Nach 50 Jahren stellt sich die Frage, wer von den damaligen Akteuren noch lebt. Auf Seiten des HSK sind dies Manfred Heilemann (mittlerweile 86 Jahre alt) und Jürgen Juhnke (mittlerweile 70 Jahre alt). Manfred Heilemann war damals auf dem Zenit seines Könnens. Kurz zuvor (1. bis 16. Mai 1970) hatte er bei der Deutschen Einzelmeisterschaft in Völklingen (es gewann GM Hans-Joachim Hecht) den 10. Platz belegt. Am 1. Brett konnte Manfred den Ungarn István Csom in der 2. Runde besiegen. In der ersten Partie hatte es ein Remis gegeben.
1970 war István Csom Internationaler Meister, 1973 wurde er Großmeister. 1976 weilte er wiederum in Hannover und konnte das Turnier gewinnen, das der HSK anlässlich seines 100-jährigen Bestehens veranstaltet hatte. Dabei konnte er den Spieß umdrehen und Manfred Heilemann in 26 Zügen besiegen. Von István Csom befinden sich 2.625 Partien im Netz. Das zeugt von einem erfüllten Schachleben. Am 2. Juni wurde er 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch nachträglich!
Petitesse am Rande: Manfred Heilemann spielte damals für den HSK und befindet sich heute in den Reihen der Schachfreunde Hannover. Jürgen Juhnke gehörte damals der Schachvereinigung (heute Teil der Schachfreunde) an und wechselte 1981 zum HSK, für den er noch heute aktiv ist. Jürgen verstärkte damals den HSK als Gastspieler. Jürgen spielte eine bärenstarke Saison. Bei der 17. Studenten-Mannschaftsweltmeisterschaft in Haifa holte er für die Deutsche Mannschaft (Brett 1 Helmut Pfleger) 8 Punkte aus 9 Partien!
Was ist aus der Thekenromantik des HSK geworden? Die heutigen Jungspunde stellen viel auf die Beine. Das ist lobenswert. Aber gibt es noch jemand, der sich um die Geschichte des eigenen Vereins kümmert? Auf dessen Webseite sucht man danach vergeblich. In 6 Jahren wird der HSK 150 Jahre alt. Wer weiß, was ein Winzling namens Corona bis dahin mit dem HSK Lister Turm im Besonderen und der Schachszene im Allgemeinen macht!? Die Erinnerungen kann uns keiner nehmen.