26. August 1950 – Ein Datum mit Wumms!

Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs trafen sich 15 Männer in einem Stadtteil am Rande Hannovers und gründeten einen Verein. Es war eine Zeit des Aufbruchs, wenngleich der Motor der sozialen Marktwirtschaft noch stotterte. Die Arbeitslosenquote lag bei 13,5 %. Hohe Preise dämpften die Konjunktur. Die Rationierung von Lebensmitteln war zwar beendet worden, aber es fehlte den Leuten an Geld zum Kaufen. Hilfe kam aus Amerika in Form des Marshallplans. Währenddessen durften sich junge Leute auf dem Parkett austoben. Der Boogie-Woogie war über den Großen Teich geschwappt. Wer konnte, tanzte ihn mit Überschlag. Der Vatikan war entsetzt und warnte vor sittlichen Gefahren. – Ich war ein Jahr alt.

Die Zeit war reif für die Wiederbelebung von Sport und Spiel. Schach galt damals als spießig. Nichtsdestotrotz hatte Alfred Freiberg in die Badenstedter Bierstuben eingeladen. Es wurde nicht irgendein Schachverein gegründet, nein, ein Schachverein mit Wumms würde unser Vizekanzler sagen: die Schachfreunde Badenstedt. Das Gründungsdatum ist in unserer notariell beglaubigten Satzung vom 11.4.1988 dokumentiert:

Die Besetzung der Vorstandsposten war 1950 kein Problem:

1. Vorsitzender: Walter Keller
2. Vorsitzender: Otto Quessel
Spielleiter: Alfred Freiberg
Kassierer: Wolfgang Seidel
Schriftführer: Heini Jung

Richard Haera wurde 1951 erster Vereinsmeister. 1957 ging es erstmals um die Blitzmeisterschaft, die von Heinz Johann gewonnen wurde. Heinz Johann war die Seele des Vereins. Sein Friseursalon war Kontaktbörse und Rekrutierungsstelle für die Schachfreunde Badenstedt und letztlich mein Schicksal. Ohne ihn wäre das Schachspiel für mich eine Randnotiz geworden. Heinz Johann starb Ende der Sechzigerjahre. Ihm zu Ehren wurde ein Gedenkturnier veranstaltet.

Vom Vorstand der ersten Stunde habe ich lediglich Heini Jung (Jahrgang 1915) kennengelernt. Heini war ein liebenswertes Unikum. Er kam jahrzehntelang regelmäßig zu den Vereinsabenden, die er stets mit einer Skatrunde seiner Altersgenossen beendete. – Die Erfolge stellten sich rasch ein. Ein Beleg dafür ist diese schöne Urkunde aus dem Jahr 1951:

15 Jahre später, am 12. September 1965, – ich war ein Jahr zuvor Mitglied geworden –, gab es ein Stiftungsfest wiederum in den Badenstedter Bierstuben. In der Festschrift heißt es u.a.:

„Die noch anfänglich im kleinen Kreis ausgetragenen Turniere lockten nach und nach immer mehr Anhänger des Schachspiels heran, und so wuchs die Mitgliederzahl ständig. Auch jugendliche Interessenten konnten gewonnen werden, so daß eine Jugendgruppe ins Leben gerufen wurde. Schachfreund Karl Waldhof gründete ein Jahr später die Unterabteilung Empelde. Der Reiz, sich auch mit anderen Vereinen in der Spielstärke zu messen, schuf bald engen Kontakt mit anderen Schachklubs. Insbesondere seien die Schachvereine Ricklingen und Limmer genannt, die uns in der ersten Zeit durch Ausleihen von Spielen unterstützten. Auch der Niedersächsische Schachverband, vertreten durch den Verbandsschriftführer Meyer, half uns in organisatorischen Fragen.“

Die Chronik endet mit den Worten:

„Mit Freude und Stolz können wir auf die verflossenen 15 Jahre zurückblicken. Wir wollen uns bemühen, das bisher Erreichte nicht nur zu erhalten, sondern mit Hilfe aller Mitglieder noch verbessern.“

Das gelang tatsächlich. Die Schachfreunde Badenstedt wurden einer der stärksten Schachvereine Niedersachsens. Ich durfte die Blütezeit miterleben. Unsere 1. Mannschaft wurde mehrmals Niedersachsenmeister sowohl im Turnierschach als auch im Blitzschach. Das bescherte uns auch in dem lokalen Anzeigenblatt „FÜR DICH“ wiederholt Aufmerksamkeit; z.B. am 31. Juli 1977:

Ein Jahr später, am 13. Januar 1978, war es mit dem Bezug zum Stadtteil Badenstedt vorbei. Wir nannten uns offiziell Schachfreunde Hannover. Das war folgerichtig und für mich kein Anlass zu Wehmut, wenngleich ich in Badenstedt aufgewachsen bin.

Wehmut ist das Stichwort. Mit dem heutigen Tag bestehen die Schachfreunde Badenstedt genau 70 Jahre. Der Name hat sich geändert. Die Identität nicht. Oder!? Wir kokettieren damit, der „etwas andere Schachverein in Hannover“ zu sein. Wie lange noch? Manchmal gucke ich mir die Mitgliederlisten aus vergangenen Zeiten an. Wer hat nicht alles dazu gehört!? Fast alle sind aus unterschiedlichen Gründen verschwunden. Viele sind verstorben. An die meisten Ex-Mitglieder kann ich mich erinnern. Einige haben mein Leben geprägt. Und nun? Was wird aus dem Verein? Ich weiß es nicht. Alles hat seine Zeit.

Außerordentliche Mitgliederversammlung am 14. Oktober 1965

Siehe Kommentar vom 30. August 2020

19:40 Uhr, Schfr. Domeyer eröffnet als Vorsitzender die Versammlung.

Schfr. D.: Fragen an den Spielleiter: Wer ist nach den Statuten spielberechtigt? Muss man sich für die Mannschaftsaufstellung qualifizieren?

Schfr. Domeyer: Grundsätzlich für Qualifikation, aber wegen Zeit, Beruf usw. könnten sich 50 % nicht qualifizieren.

Schfr. Johann: Aufnahme von Schfr. K. Sache des Kassierers, unbekannt ob Antrag gestellt wurde. Schfr. K. hat aber am Vereinsturnier teilgenommen, auch Blitzturnier für Badenstedt gespielt.

(Folgt Diskussion ob Mitgliedschaft beantragt oder angetragen werden soll)

Schfr. Domeyer: Habe Kassierer gebeten, die Neuen aufzunehmen.

Schfr. B.: Vierteljahr warten mit Aufnahme, wissen nicht, wer bleibt.

Schfr. Domeyer: Nichts in den Statuten darüber.

Schfr. Brunotte: Wer aus der 2. Mannschaft will denn in die 1.?

Schfr. D. dringt auf Antwort seiner 2. Frage durch Spielleiter.

Schfr. Johann nimmt Stellung dazu (Manuskript liegt vor).

Schfr. Domeyer: Vorschlag zu dieser Stellungnahme abzustimmen.

Schfr. K.: Mein Schreiben in keinem Punkt widerlegt.

Schfr. H.T.: Wer fühlt sich benachteiligt?

Schfr. F.: Was war der Grund für dieses Schreiben?

Schfr. K.: Weiß nicht, warum Vorwürfe. Bin 14 Jahre im Verein, noch kein Spielleiter besser als der jetzige.

Schfr. H.: Wer hat sich qualifiziert? Schfr. Johann oder Schfr. A.T., aber die haben verzichtet.

Schfr. H.T.: Schfr. B. ist besser als ich, auch Schfr. K. gut. Selbst beruflich überlastet, aber lieber Ersatz und stelle meinen Platz einem der beiden Neuen zur Verfügung.

Schfr. B.: Wie steht das Turnier?

Schfr. H.: 2.  Mannschaft wurde eher gemeldet und war veröffentlicht. Wer sich für die 2. aufgestellt sah, mußte gleich und nicht erst jetzt sagen, daß er lieber in der 1. spielen wollte.

Schfr. Jung: Immer die Besten in die 1. Mannschaft, wir sind nicht schlecht damit gefahren, soll so bleiben, sonst schneiden wir uns die Finger ab. […]

Schfr. Johann: Schfr. Br. muss trotzdem in die 1. Mannschaft.

Schfr. B.: Donnerstag wurden Neue eingesetzt, mich hat keiner gefragt. Warum nicht Neue in die 2. Mannschaft, wer Interesse hat, spielt auch da.

Schfr. Brunotte: Es geht mir nicht um 2 Mitglieder, sondern um 2 gute Spieler.

Schfr. Ha.: Prinzipiell nicht dafür, Neue in die 1. Mannschaft zu nehmen, müssen sich hochspielen. Auch in anderen Vereinen so gemacht, daher besser in die 2. Mannschaft melden, wenn sie auch als Ersatz in der 1. spielen. Aber in unserer Lage fehlen nun Spieler für die 1., daher unter den Umständen besser Neue für 1. melden. Wenn sie schlecht spielen, dann andere als Ersatz einsetzen. – Warum tagt nicht der Spielausschuß und berät?

Schfr. F.: Ausführungen von Schfr. Ha. zur Abstimmung bitte.

Schfr. B.: Warum wurden nicht andere gefragt?

Schfr. K.: Konnte Vereinsturnier aus beruflichen Gründen nicht fertigspielen.

Schfr.  De.: Ich auch nicht, spiele deshalb nur in der 3. Mannschaft.

Schfr. Johann: Wenn anders aufgestellt, Abstiegsgefahr für alle 3 Mannschaften.

Schfr. B.: Wenn einige sich absondern, sollen sie ihre Mannschaft selbst finanzieren. (Proteste)

Schfr. Johann: Schfr. B. hat auch schon mal nicht für die 3. Mannschaft gespielt, weil für 2. nicht aufgestellt.

Schfr. B.: Sind langjährige Mitglieder schlechter als Neue? 1. Mannschaft ist zu teuer, das ist Grund für Manko.

Schfr. Johann: Studenten zahlen weniger, wenn die in 2. Mannschaft spielen, dann hat diese eben Manko, – gleiches Resultat.

Schfr. Domeyer: Verschiedene Meinungen gehört, glaube es genügt. Zusammenfassung: Lage ist so, daß Mannschaften gemeldet sind, Nach- und Ummeldungen nicht statthaft. Entweder alles so lassen, was zu begrüßen wäre, oder die Meldungen zurückziehen.

Schfr. B.: Vorwurf, daß Meldungen ohne mein Wissen gegeben wurden. (Wird vom Vorsitzenden bestritten)

Schfr. H.: Warum hatte sich Schfr. K. nicht um die Aufstellung gekümmert?

Schfr. D.: Schfr. H. gehört nicht zum Spielausschuß, hatte nichts mit Aufstellung zu tun. Ich wurde nicht eingeladen zur Mannschaftsaufstellung, das ist mein einziger Vorwurf.

Schfr. Johann: Warum nicht ohnehin erschienen?

Schfr. Domeyer: Bis letzten Donnerstag 22 Uhr war nicht klar, ob die Neuen kommen, da war nichts mehr einzuladen.

Schfr. H.: Habe mich gekümmert auf Aufforderung des Spielleiters, sonst war ja niemand da.

Schfr. Domeyer: Nun abstimmen: Mannschaftsaufstellung – unter Außerachtlassung der Umstände der Aufstellung – lassen, und für nächste Saison daraus lernen und dann Spielleiter und Spielausschuß und Vorstand entscheiden lassen.

Schfr. B.: Besser formulieren: Mannschaften lassen oder zurückziehen.

Schfr. Domeyer: Abstimmung, das Getane genehmigen oder nicht. Nächstes Jahr wird dann verfahren wie eben gesagt.

Die Abstimmung durch Handaufheben ergab:

dafür 28
dagegen 1
enthalten 0

Schfr. Domeyer als Vorsitzender dankt den Mitgliedern fürs Aushalten und die Sachlichkeit und bittet, diese Diskussion nun als beendet zu betrachten. 20:50 Schluß der Versammlung.

gez. E.G. Herzog (aus besonderen Gründen bei dieser Versammlung als Schriftführer tätig)

Die Zerstörung des DSB 2.0

In 12 Tagen soll in Magdeburg der außerordentliche Bundeskongress des Deutschen Schachbundes stattfinden. Ganz sicher ist das nicht. Das Corona-Virus könnte etwas dagegen haben. Unter anderem ist nicht sicher, ob ein Tagungssaal in ausreichender Größe für alle Delegierten zur Verfügung steht.

Seit Ullrich Krause DSB-Präsident ist, jagt ein Zoff den nächsten. Selbstkritik: Fehlanzeige. Raj Tischbierek hat ihm in einem ausführlichen Interview, das in der August-Ausgabe der Deutschen Schachzeitung (Schach) veröffentlich wird, die Frage gestellt: „Gipfel, solide Finanzen, DSAM – drei Erfolgsgeschichten. Wie erklären Sie sich den Fakt, dass trotzdem nur negativ über den Schachbund diskutiert wird? Warum ist sein Image so schlecht?“ Ullrich Krause: „Diese Frage habe ich mir von Beginn an gestellt – seit ich vor drei Jahren zum Präsidenten gewählt wurde. Egal, was passierte, ich wurde erstmal kritisiert.“ […]

Lieber Ullrich, es ist eben nicht egal, was passiert. Dir fehlt das diplomatische Geschick. Dadurch hast du „Kriegsschauplätze“ ins Leben gerufen, die den Deutschen Schachbund schlecht aussehen lassen und einen Bruch mit der Deutschen Schachjugend provozieren. Du hast Rechtsstreitigkeiten vom Zaun gebrochen und verdiente Schachfreunde vor den Kopf gestoßen. Dein Verhalten gegenüber Franz Jittenmeier gehört dazu. Dein Bericht in der 271-seitigen Kongressbroschüre beginnt mit den Worten: „Für mich persönlich waren es wieder sehr arbeitsreiche neun Monate seit dem letzten Hauptausschuss.“ Demut sieht anders aus.

Wichtige Wahlen stehen nicht auf der Tagesordnung. Eigentlich. Niedersachsen und Baden haben gleichlautende Anträge für die Abwahl des Vizepräsidenten Boris Bruhn gestellt. Die bergen Zündstoff und das schon im Vorfeld. Die Anträge waren in der Kongressbroschüre zwei Einzelpersonen zugeschrieben, obwohl sie von den Landesverbänden gestellt wurden. War das ein redaktioneller Fehler oder bewusste Manipulation? Niedersachsens Vizepräsident, Jörg Tenninger, hat vehement protestiert; siehe Perlen vom Bodensee.

Professionalisierung sei das Zauberwort, lautet Ullrich Krauses Credo in dem Schach-Interview. Wir denken unwillkürlich an Goethes Zauberlehrling:

„Der Zauberlehrling ist überheblich und leidet an Selbstüberschätzung. Seiner Unerfahrenheit zum Trotz strebt er die Herrschaft über dämonische Kräfte an. Er scheitert – und das Chaos breitet sich aus. Erst das Eingreifen des erfahrenen und kompetenten Meisters kann die alte Ordnung wiederherstellen.“ (Quelle: der Zauberlehrling)

Möge ein erfahrener und kompetenter Meister das Chaos im Deutschen Schachbund beenden!

Otto-von-Guericke-Denkmal in Magdeburg