Heute vor einem Jahr habe ich euch von meinem Ausflug nach Siegen berichtet. Die Stadt und deren Schach-Protagonisten haben mich nachhaltig beeindruckt. Das beruht anscheinend auf Gegenseitigkeit. „Siegen auf einen Streich“ gehört seitdem zum Repertoire des dortigen Apollo-Theaters. In der vergangenen Woche war ich in Unterfranken; genauer gesagt in der Schneewittchenstadt „Lohr am Main“. Warum erzähle ich das? Weil Schneewittchen die perfekte Allegorie zu uns Schachspielern ist (weibliche inbegriffen).
Die Haut so weiß wie Schnee und die Haare so schwarz wie Ebenholz; die Lippen so rot wie Blut. Das ist der Idealfall: vor einer Schachpartie und wenn wir jung sind! Das Leben hält uns jedoch unweigerlich den Spiegel vor: nach einer Verlustpartie und wenn wir alt sind! Auf das Alter komme ich deshalb zu sprechen, weil es von Franz Jittenmeier (84) in seinem Schachticker thematisiert wurde: Schach als Hobby für Rentner bringt nicht nur Freude und Spaß, sondern (kann!) auch eine Vielzahl von positiven Auswirkungen auf die geistige Gesundheit, soziale Interaktion und Lebensqualität haben. Die zweite Satzhälfte steht im Konjunktiv. Zu Recht.
Wenn wir jung sind und die (Miss)Erfolge noch vor uns haben, wünschen wir uns ein Ebenbild wie das von diesem Schneewittchen auf der Parkbank. Die Zeitfenster werden indes immer enger. Die Spanne zwischen einem Wunderkind mit 12 Jahren und einem Loser (was, noch kein Großmeister!?) mit 20 Jahren ist gering.
Früher oder später oder nach einem Partieverlust siehst du dann aus wie dieses Schneewittchen. Als diese Skulptur im Jahr 2016 aufgestellt wurde, ging ein Aufschrei durch die Medienlandschaft. Die Lage hat sich beruhigt. Ich konnte mich ganz allein mit ihr beschäftigen. Sie hat mir gefallen. Warum? Weil sie Charakter hat.
Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe! Der nächste Gegner kommt bestimmt mit der Absicht, dich am Schachbrett zu skalpieren…