Straße der Verdammten oder wie man am Sonntagmorgen nochmal Deutscher Meister wird

Eine Fahrt nach Delmenhorst an einem kalten, verregneten Novembersonntag. Ich hatte damit gerechnet, dass alle, die ich zu diesem Ausflug überreden konnte, sich möglichst viel Zeit lassen würden, um eventuell am Treffpunkt in Linden vergessen zu werden. Aber nix da. Dennie wartete bereits am Parkplatz und zum vereinbarten Zeitpunkt  waren die beiden Autos beladen und machten sich auf den Weg an die Delme. Ziel dort war die von Sven Regener besungene Straße der Verdammten (Delmenhorst – Element of Crime), die Bremer Straße mit dem Hotel Thomsen.

Unsere Gegner hatten eine starke Aufstellung gewählt, so dass wir an den vorderen Brettern eher Außenseiter waren und unsere Chancen an den hinteren Brettern suchen sollten. Es kam anders.

Während einige sich noch an ihren Brettern orientieren mussten, war für andere der Arbeitstag bereits erledigt. Jürgen und Dennie erhielten nach wenigen Zügen von ihren Gegner Remisangebote, die sie aufgrund der nominellen Überlegenheit auch annahmen. Hätten wir einen Matchplan gehabt, dann hätten diese Resultate dort sicherlich hineingepasst. Spielstand 1 : 1

Bei Andreas lief eigentlich alles wunderbar. Leider wickelte er im entscheidenden Moment in der falschen Zugreihenfolge ab und geriet dann noch unnötigerweise in ein Mattnetz um seinen König. Nach gut drei Stunden, Spielstand 2 : 1 für Delmenhorst.

Bei Tom war allerdings bereits in der Eröffnung der Wurm drin. Er versuchte seine Figuren durch Bauernopfer zu aktivieren, der Gegner wehrte aber alle Angriffe ab und erhöhte für die Gastgeber. Spielstand 3 : 1 für Delmenhorst.

Jetzt wurde es Zeit, mal selber Punkte zu holen.

Friedmar war der erste, der dies in die Tat umsetzte. In einem Maroczy-Aufbau konnte er die ungenaue Zugreihenfolge seines Kontrahenten zu seinem Vorteil nutzen. Beim Übergang ins Endspiel kam er dann mit seinem Freibauern soweit vor, dass dieser nur noch unter Materialverlust aufzuhalten gewesen wäre. In der abendlichen Debakel-Analyse stellte Friedmar sehr genau die Pläne beider Seiten in diesem Aufbau dar. Warum der schwarze Königsflügelturm nach c8 und nicht nach e8 gehört etc.. Interessanterweise wird auf der Seite des SV Hellern zum aktuellen Mannschaftskampf von der Partie David-Weist berichtet, wo der Schwarze sich genau nach diesem Muster aufgebaut hat. Allerdings mit dem Turm auf c8 und nicht wie Friedmars Gegner auf e8.

Neuer Spielstand nur noch 3:2 für Delmenhorst.

Bei mir lief die Eröffnung nicht unbedingt wie erhofft. Mein Gegner hatte ein starkes Bauernzentrum und eigentlich alle Freiheiten, um am Damenflügel aktiv zu werden. Glücklicherweise konnte ich das Zentrum blockieren und einige Drohungen in Richtung des gegnerischen Königs schicken.

Spielstand 3:3

In den beiden verbliebenen Partien sah es erfreulicherweise recht gut für uns aus, aber trotzdem dauerte es noch fast zwei Stunden bis zur nächsten Entscheidung.

Bernd spielte einen zähen altindischen Aufbau so geduldig, wie es sich für einen frischgebackenen deutschen Meister gehört. Deutscher Meister? Richtig, Bernd wurde auf der Fahrt nach Delmenhorst beim Schwelgen in alten Geschichten von der Tatsache überrascht, dass er in den Achtzigern nicht nur an einer Deutschen Hochschulmannschaftsmeisterschaft beteiligt war, sondern diese sogar gewonnen hatte. Zwei seiner damaligen Mannschaftskollegen saßen nämlich mit im Auto und konnten Bernd davon überzeugen. So voller Adrenalin (und Bananen, aber das ist ein anderes Thema…) gewann er durch ein kleine Kombi einen Bauern und behauptete diesen bis in ein Leichtfigurenendspiel. Jetzt musste er nur noch aufpassen, dass sich die Figuren des Gegners nicht für alle Bauern opfern konnten. Aber auch diese Bananenschale umkurvte Bernd und brachte die Schachfreunde erstmals in Führung. Spielstand 3:4

Bernd
Der deutsche Meister

Martin hatte im Mittelspiel eine Figur gegen zwei Bauern gewinnen können. Dummerweise war die Stellung aber ziemlich blockiert, so dass viel Lavieren notwendig war. Dieses verschlang nun wiederum einen Großteil seiner Bedenkzeit, irgendwann war eigentlich nur noch das Inkrement übrig. In seinem Spielbericht <Oberliga live> gibt er eine sehr lebendige Beschreibung seiner Partie. Als Schlussakkord setzte er seinen Gegner noch matt und stellte damit den Endstand von 3:5 sicher.

Zwei wichtige Punkte gegen den Abstieg waren damit unter Dach und Fach und der Anschluss zum Mittelfeld der Tabelle ist hergestellt. Nächste Runde (am 10.Dezember) geht es gegen die Bremer SG, die bisher noch ohne Mannschaftspunkt ist, allerdings auch schon drei sehr starke Gegner hatte.

Delmenhorst_SFH

4 Gedanken zu „Straße der Verdammten oder wie man am Sonntagmorgen nochmal Deutscher Meister wird“

  1. Gib uns mehr davon, Thomas! Wer eine Schachpartie gewinnt, schwebt auf Wolke sieben. Die Heimmannschaft hatte unterdessen mit den Kaltgetränken zu kämpfen. Mit Getränke-Hoffmann wäre das nicht passiert:

    Hinter Huchting ist ein Graben,
    in den sich einer übergibt
    und dann kommt gleich Getränke Hoffmann
    Sag‘ Bescheid, wenn du mich liebst.

    (Refrain aus „Delmenhorst“ von Element of Crime)

    Kleinigkeiten können entscheidend sein; guckt ihr hier: http://www.dsk1931ev.de/

  2. Ich weiß ja nicht, was schwerer wiegt: ob da jetzt ein schwarzer Turm auf c8 oder e8 steht, oder dass Schwarz in vier aufeinanderfolgenden Zügen Dd8-b6-b4-b6-d8 spielt…

    Glückwunsch zum Sieg! 🙂

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