Schwarz-Weiß-Denken ist unter Schachspielern weit verbreitet. Das hängt mit unserem Spielgerät zusammen. Dabei ist die Welt so bunt. Heute feiern wir 50 Jahre Farbfernsehen in Deutschland nach dem Motto: „Alles so schön bunt hier. Ich glotz‘ TV.“
Nö. 50 Jahre später glotzen wir Blog. Das Blog der Schachfreunde Hannover natürlich. Bunter geht’s nicht. Den Unterschied zu herkömmlichen Schwarz-Weiß-Webseiten deutscher Schachvereine möchte ich euch anhand eines Beispiels demonstrieren. Dafür müsst ihr einen Blick nach unten werfen. Wem dabei nicht ein: „Wow!“ entweicht, ist nicht zu helfen.
In vier Wochen (16. September) findet der Ordentliche Kongress 2017 des Niedersächsischen Schachverbandes in Sottrum statt. Michael S. Langer hat alle Ehrenmitglieder, den Vorstand, die Delegierten der Bezirke sowie alle interessierten Schachfreunde dazu eingeladen. Anträge können bis zum 19.08.2017 (Übermorgen) bei unserem Präsidenten eingereicht werden.
Anträge, die eine Änderung der Satzung beinhalten, werden anders behandelt, als die, die sich auf die unterschiedlichen Turnierordnungen beziehen. Das sind eine ganze Menge:
Turnierordnung
Verleihungsordnung
Geschäftsordnung
Schiedsgerichts- und Disziplinarordnung
Finanzordnung
Jugendordnung
Da alles mit allem verwoben ist und darüber hinaus Satzungen und Turnierordnungen der Bezirke, übergeordneter Verbände (Nord), des DSB und der Bundesliga über eigene Regelungen verfügen, lassen sich Reformen – wenn überhaupt – nur in den jeweiligen Nischen durchsetzen. Das ist nicht zielführend. Der Deutsche Schachbund befindet sich bezüglich der Mitgliederentwicklung in einer Abwärtsspirale. Das haben die meisten Funktionäre erkannt und versuchen mit verschiedenen Aktionen, die ich grundsätzlich begrüße, eine Trendwende herbeizuführen. Damit diese Aktionen nicht versanden, müssen die Rahmenbedingungen geändert werden. Die teilen sich in zwei Bereiche:
Strukturen
Turnierordnungen
Da wir ein föderalistischer Staat sind, halte ich die Beibehaltung der Landesgrenzen als Grundlage der Schachverbände für zweckmäßig. Darunter sollten sämtliche Bezirke und Unterbezirke abgeschafft werden. Mir ist klar, dass sofort ein Aufschrei kommt, aber unter Abschaffen verstehe ich nicht den Spielbetrieb, der regional sogar gefördert werden soll, sondern den damit verbundenen Verwaltungsaufwand. Warum muss jedem Spielleiter noch ein eigener Vorsitzender, 2. Vorsitzender, Kassierer usw. zugeordnet sein? Viele Posten sind derzeit vakant.
Unser Präsident, Michael S. Langer, hat entsprechende Ideen. Was er genau vorhat, weiß ich nicht, aber ich hoffe, dass er auf dem Kongress die notwendige Unterstützung bekommt.
Ich würde bezüglich der Landesgrenzen noch einen Schritt weitergehen. Europa soll einerseits zusammenwachsen, andererseits ist z.B. die Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen für Schachmannschaften unüberwindbar; von den Bundesligen mal abgesehen. Deshalb plädiere ich dafür, dass jeder Schachverein, der seinen Sitz in Niedersachsen hat, selbst entscheiden kann, für welchen Landesverband er seine Mannschaften meldet. Warum nicht auch in Holland oder Dänemark? Dazu müssen Gespräche mit unseren Nachbarn im In- und Ausland geführt werden. Was hindert uns daran? Antwort: Unsere veralteten Denkweisen und unsere Satzungen.
Zu den veralteten Denkweisen gehört meines Erachtens die unflexible Handhabung der Mannschaftskämpfe, die nach wie vor das Herzstück des Spielbetriebs in Deutschland sind. Dazu und zu den Strukturreformen habe ich mich in der Vergangenheit mehrfach geäußert. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle kurzfassen und meine Vorschläge in Stichworten darlegen. – Ich bin nicht befugt, Anträge zu stellen. Aber als Denkanstöße möchte ich folgende Punkte verstanden wissen:
Abschaffung der Bezirke und Unterbezirke in Niedersachsen
Freie Wahl der Vereine, an Mannschaftskämpfen in anderen Ländern teilzunehmen
Flexible Mannschaftsstärke in unteren Klassen, z.B. 6 oder 4 Spieler je Mannschaft
Freie Wahl des Brettes statt starrer Aufstellung
Kein Festspielen
Verschiedene Spieltage unterschiedlicher Klassen spielen keine Rolle (jeder kann spielen, wenn er Zeit und Lust hat)
Abschaffen von DWZ, stattdessen nur Elo
Die Freude am unkomplizierten Umgang mit unserer Leidenschaft, dem Schachspielen, soll im Vordergrund stehen und nicht die Angst vor Formfehlern. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber wenn wir nicht demnächst in der Mottenkiste landen wollen, müssen wir uns moderner aufstellen. Dann erreichen wir auch die Menschen, denen Vereinsmeierei (Formalien statt Inhalte) mehr und mehr ein Gräuel ist.
Die Mannschaftssaison 2017/2018 wirft ihre Schatten voraus. Die Ranglisten der oberen Ligen sind nun veröffentlicht. Jeder kann sich seine Gedanken darüber machen. Unser Aufruf: „We want you!“, hat keine Früchte getragen. „Unverkrampfter Schachspaß“ allein lockt keinen Spitzenspieler ans Schachbrett. Ohne ein bisschen Spielgeld fehlt der Anreiz. Dafür habe ich Verständnis – jedenfalls dann, wenn dieses Geld ein wichtiger Bestandteil des Lebensunterhalts ist. Nationalitäten sind dabei kein Hindernis. Das begrüße ich ausdrücklich, denn für mich zählt der Mensch, nicht der Ort seiner Geburt. Wenn sich aus dieser Liaison ein Mehrwert für die betroffenen Schachvereine ergibt, kann das nur gut sein. Wenn daraus allerdings eine Verdrängung von Einheimischen entsteht, sind Zweifel erlaubt.
Es fällt z.B. auf, dass der SV Lingen mit GM Lev Gutman nur einen einzigen Deutschen für die Startaufstellung (Top 8) in der Oberliga Nord West gemeldet hat. In der 2. Bundesliga Nord hat der SV Glückauf Rüdersdorf 13 Polen an den ersten 13 Brettern gemeldet. In der 1. Bundesliga sieht der Anteil von Deutschen im Kader der Vereine wie folgt aus:
Auflistung nach Eloschnitt der Top 8 (in Klammern), dahinter: Deutsche unter Top 8, Deutsche in der gesamten Rangliste:
OSG Baden-Baden (2766) => 0/8 – 3/18 SK Schwäbisch Hall (2681) => 0/8 – 3/16 SV Hockenheim (2677) => 0/8 – 7/18 SG Solingen (2676) => 0/8 – 4/18 SF Deizisau (2642) => 3/8 – 7/16 Werder Bremen (2632) => 0/8 – 7/18 DJK Aachen (2626) => 1/8 – 6/18 USV TU Dresden (2624) => 3/8 – 11/18 Hamburger SK (2607) => 2/8 – 10/18 SF Berlin (2586) => 2/8 – 10/18 SV Mülheim Nord (2559) => 4/8 – 9/18 SG Speyer-Schwegenheim (2510) => 1/8 – 9/18 SV Hofheim (2497) => 4/8 – 13/18 FC Bayern München (2466) => 3/8 – 11/17 MSA Zugzwang München (2434) => 7/8 – 13/16 SK Norderstedt (2420) => 2/8 – 10/16
Prozentual ergibt sich daraus folgender Anteil deutscher Schachspieler in der ersten deutschen Schachliga:
Top 4 Vereine => 0 Deutsche von 32 der Top 8 = 0 %
Top 8 Vereine => 7 Deutsche von 64 der Top 8 = 10,9 %
Alle 16 Vereine = 32 Deutsche von 128 der Top 8 = 25 %
Alle 16 Vereine => 133 Deutsche von 279 der gesamten Rangliste = 47,7 %
Mit dieser Feststellung möchte ich keine Deutschtümelei betreiben. Das liegt mir völlig fern. Ich bin für ein Höchstmaß an Freizügigkeit. Dann aber bitte in allen Klassen. Wer z.B. einem Schachverein im Schaumburger Land angehört, darf nicht für einen Verein im benachbarten Ostwestfalen starten. Gleichwohl könnte ein dortiger Verein z.B. mehrere Schachspieler einsetzen, die über den DSB hinaus in anderen Ligen Europas spielen.
In der ersten Runde der Oberliga Nord spielen wir gegen den Aufsteiger Hamelner SV. Wie es der Zufall wollte, lief mir am Rande der „Nacht von Hannover“ deren Protagonist über den Weg. Da lag es nahe, dass ich die Gelegenheit ergriff, möglichst viele Geheimnisse über die Taktik unseres Gegners herauszufinden. Nee, Quatsch. Bevor ich weitererzähle, zeige ich euch die beiden wichtigsten Personen (VIP) der gestrigen Nacht:
Wilfried Bode ist nun wirklich nicht zu übersehen. Und so liefen wir uns gestern mehrmals über den Weg mit der Folge, dass ich ein Vorurteil über die Hamelner Schachspieler begraben konnte. Bislang hatte ich nämlich den Eindruck gewonnen, Mitglieder des Hamelner SV hätten nur ein Thema: Schach. Irrtum. Mit Wilfried konnte ich über viel mehr reden; z.B. über seinen speziellen Musikgeschmack.
Unter echten Radsportlern gilt die „Nacht von Hannover“ als Kirmesveranstaltung, was ihren Wert keineswegs schmälert. Sportarten, die in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden, führen ein Nischendasein. Wir Schachspieler können ein Lied davon singen. Umso wichtiger war es, dass der Superstar Marcel Kittel tatsächlich kam. Bis zuletzt stand das auf der Kippe. Namhafter Ersatz war nicht verfügbar, denn zeitgleich laufen an diesem Wochenende wichtigere Radsportveranstaltungen: in San Sebastian und London sowie die Polen-Rundfahrt. Marcel Kittel wurde seiner Favoritenrolle gerecht und gewann sowohl das Hauptrennen als auch das Ausscheidungsfahren. – Der Aufwand für diese Veranstaltung war gewaltig. Das Wetter, die launische Diva, spielte zum Glück mit. Etwa 30.000 Zuschauer sollen gekommen sein. Vermutlich waren es ein paar weniger, was dem Erfolg keinen Abbruch tat.
Für mich war die Veranstaltung zugleich eine Zeitreise, denn ich habe an der Strecke nicht nur Wilfried Bode getroffen, sondern viele andere Personen, die ich seit einer Ewigkeit kenne, und mit denen ich viele gemeinsame Erlebnisse teile. Dazu gehören diverse Meisterschaften und Trainingslager an der Costa Brava und auf Mallorca.
Über die Begegnung mit einem Mitglied unseres Schachvereins und dessen Sohn habe ich mich besonders gefreut. Erwin Czerwonka ist seit vielen Jahren passiv. Dennoch hält er unserem Verein die Treue. In den achtziger Jahren gehörte Erwin zum Stamm der ersten Mannschaft. Sein Sohn Robert favorisiert seit langem den Radsport, obwohl er als Jugendlicher sein Talent fürs Schachspiel aufblitzen ließ.
Zwischen Harz und Hannover hat die braune Brühe große Schäden angerichtet. Schachhochburgen wie Goslar, Bad Harzburg, Bad Salzdetfurth, Wolfenbüttel und Hildesheim sind davon betroffen. Ich hoffe, dass die dortigen Schachvereine verschont geblieben sind. Für Hannover, insbesondere für Linden, der Heimat unseres Schachvereins, kann ich Entwarnung geben. Das Hochwasser steht dort, wo es keinen Schaden anrichten kann. Niedersachsens Ministerpräsent Stephan Weil verkündet stolz, dass der Neubau des Ufers entlang des Ihme-Zentrums dazu beigetragen hat. Mag sein. Bis auf überschwemmte Geh- und Radwege ist derzeit alles im braunen und damit grünen Bereich. Als Beleg zeige ich euch ein paar Fotos von heute Nachmittag.
Bei der Diskussion über unsere Mannschaftsaufstellungen, die in einem hannoverschen Biergarten vor der Sintflut stattfand, kam ein Detail zur Sprache; nämlich inwieweit Spielerinnen und Spieler in Mannschaften gemeldet werden dürfen, deren tatsächlicher Einsatz aus unterschiedlichen Gründen nicht beabsichtigt ist. Ich habe mich einmal in den Dschungel der insgesamt 7 Turnierordnungen gestürzt, die in Niedersachsen von der Kreisklasse bis zur Oberliga gültig sind. Danach gilt für die Ligen auf Landesebene (Verbands- und Landesliga) sowie für die Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen (Oberliga) folgende Regel:
B.1.5 Ranglisten (Mannschaftsmeldung) (1) Für jede Mannschaft ist jeweils bis zum 1. August eine Rangliste namentlich in der Reihenfolge der Brettbesetzung dem zuständigen Staffelleiter vorzulegen. Es darf kein Stammspieler (Brett 1-8) mit einer um mehr als 300 Punkte schlechteren DWZ vor einem Spieler gemeldet werden, der eine um mehr als 300 Punkte bessere DWZ besitzt. Es gilt die DWZ-Liste der DWZ-Datenbank des Deutschen Schachbundes vom 1. Juli. Über Ausnahmen bei Spielern ohne DWZ entscheidet der Turnierleiter der Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen auf Antrag.
Damit soll offenbar verhindert werden, dass Spielerinnen oder Spieler von der Resterampe als Platzhalter missbraucht werden. Ob diese Regel Sinn macht, sei dahingestellt. Fakt ist indes, dass es diese Regelung auf Bezirksebene nicht gibt. In den 6 Turnierordnungen der Bezirke habe ich jedenfalls keinen entsprechenden Passus gefunden; d.h. wenn ich mich nicht irre, darf z.B. in der Bezirksliga trotz eines 2. Bretts DWZ >2000 jemand mit einer DWZ <1000 fürs 1. Brett gemeldet werden.
Es gibt nur wenige Sportarten, die im Sitzen ausgetragen werden. Das Schachspiel und der Radsport gehören dazu. Womöglich war das ausschlaggebend für meine Leidenschaften, die sich in meinem Leben mal auf die eine, mal auf die andere Sitzposition fokussierten. Aber es gibt noch andere Parallelen zwischen beiden Sportarten; den Individualismus zum Beispiel. In den rund 30 Jahren als aktiver Radsportler – davon viele Jahre als lizensierter Radrennfahrer – habe ich auf meiner Rennmaschine etwa die Entfernung zwischen unserer Erde und dem Mond zurückgelegt. Nun bin ich – bildlich gesprochen – dort angekommen. Für eine Rückfahrt reicht die Lebenszeit nicht mehr. Die Lust am Zugucken ist mir geblieben. Deshalb bin ich gestern nach Düsseldorf gefahren.
Nach 30 Jahren wurde der Start des größten Radrennens der Welt – die Tour de France – wieder nach Deutschland verlegt. Düsseldorf hatte sich beworben und den Zuschlag erhalten. Chapeau! Dazu gehört Mut, denn wir Deutschen sind nachtragend. Wenn Schlipsträger betrügen, verzeihen wir denen nach kurzer Zeit alles, aber wehe ein Sportler wird mit Doping in Verbindung gebracht. Der hat sein Leben lang verschissen; siehe den deutschen Tour-Liebling von einst: Jan Ullrich.
Unter Journalisten sind die Ressentiments nach wie vor groß. Das belegt der ganzseitige Artikel in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung. „Sein und Schein“ heißt die Überschrift. Den Inhalt könnt ihr euch denken. Die Lust am Miesmachen gehört zur Deutschen Seele. Apropos Lust. Der Madsack-Verlag hatte eine Umfrage in Auftrag gegeben und das Ergebnis vergangene Woche in der HAZ veröffentlicht. Ob die Lust der Deutschen auf die Fußball-WM 2018 in Russland wegen der Krim-Politik Putins vergangen sei, war die törichte Frage. Die Lust kommt und geht; siehe Confed Cup. Wer jetzt schon weiß, wie er sich in einem Jahr fühlen wird, ist entweder gefühlskalt oder indoktriniert.
In Düsseldorf war trotz des miesen Wetters von Ressentiments nichts, aber auch gar nichts zu spüren. Die Stimmung war prächtig. Rechtsrheinisch bin ich die ganze Strecke vier Stunden lang rauf und runter gelaufen. Die Menschen standen dicht gedrängt, es gab kaum Lücken.
Als die Werbekarawane vorwegfuhr, war der Himmel zwar dunkelgrau verhangen, hielt sich mit seiner Notdurft jedoch zurück. Das änderte sich, als die Profis zum Einzelzeitfahren auf die Strecke geschickt wurden. Fortan regnete es ununterbrochen. Trotzdem verharrten die Zuschauer unentwegt an der Strecke und feuerten im Minutentakt jeden vorbeirauschenden Radprofi lautstark an.
Die Organisation halte ich für vorbildlich. Schon im Hauptbahnhof war ein Informationsstand aufgebaut. Dort und an vielen anderen Stellen erhielt man kostenlos Stadtkarten und Broschüren. Die Sicherheitsmaßnahmen waren kaum spürbar. Das hatte ich anders erwartet. Taschenkontrollen und dergleichen gab es nicht. An der Rennstrecke waren gewaltige Brücken in Stahlgerüstbauweise errichtet worden. Die haben sich bewährt. Darüber hinaus gab es barrierefreie Übergänge. Neben verschiedenen VIP-Anlagen war für Behinderte ein Rollstuhlpodest aufgebaut. Public Viewing wurde an mehreren Stellen geboten.
Allerdings haben sich die Veranstalter mit den Fahrradabstellplätzen total verschätzt. Es gab insgesamt 19(!) zum Teil riesige für Fahrräder reservierte Flächen. Die blieben fast ungenutzt. Auch wenn das Wetter besser gewesen wäre, wären nur wenige Zuschauer zum Zugucken mit dem Fahrrad gekommen. Die Zahl der Besucher schätze ich auf 150.000. Das halte ich für einen großartigen Zuspruch, an dem viele ausländische Fans beteiligt waren. In den Medien wird von 500.000 Zuschauern berichtet. Diese Wunschzahl des Veranstalters ist – wie so häufig – völlig aus der Luft gegriffen.
Die sportlichen Ergebnisse könnt ihr den einschlägigen Berichten in den Medien entnehmen. Gestern war der Auftakt. Es folgen drei spannende Wochen. Den Franzosen sei Dank. Ihnen ist es nachhaltig gelungen, Sport, Kommerz und Kultur auf geniale Weise zu vereinen. Und das umsonst und draußen. In der Düsseldorfer Altstadt dominierten leider die Regenschirme. C’est la vie.
In meiner Bildergalerie gibt’s ein paar Eindrücke von der Werbekarawane, die modern und spritzig daherkam.
Am Donnerstag spielen Jogis Jungs gegen Mexiko im Halbfinale des Confed Cups. Vor drei Jahren habe ich anlässlich der Fußball-WM in Brasilien die Assoziationen zwischen Fußball (Soccer) und Schach (Chess) = Soccer-Chess thematisiert. Der Start meiner 7-teiligen Serie erfolgte am 11. Juni 2014 mit diesem Beitrag:
Mexiko ist das Stichwort. In Niedersachsen haben am Freitag die Sommerferien begonnen. Zeit genug für Schüler, Lehrer und ältere Semester, sich an einen längst vergessenen Skandal zu erinnern, der 1968 in Mexiko stattfand. Im Anschluss werde ich eine passende Schachaufgabe präsentieren.
„Das Sitzkissenfinale – Olympisches Fußball-Finale 1968 in Mexiko: Ungarn-Bulgarien. Und der größte Skandal dieser Olympischen Spiele. Ein Spiel, das vierzig Minuten normal verlief, dann umkippte und schließlich im Raritätenkabinett landete. Wie konnte das geschehen?
Die Bulgaren hatten in der 20. Minute das 1:0 durch Dimitrov vorgelegt, und dieser Vorsprung entsprach durchaus den gebotenen Leistungen. Die Bulgaren, körperlich stärker, energischer, waren ihrem Gegner immer um einige Längen voraus. Dann kamen die Ungarn innerhalb von sechzig Sekunden, zwischen der 41. Minute und 42. Minute, zu zwei Toren; und zwei Minuten später traf Schiedsrichter Diego de Leo mit seinen wunderlichen Entscheidungen ins Schwarze.
Platzverweis für Dimitrov nach einem Foul an Nosko, Platzverweis für Ivkov nach einem harten Einsatz gegen Dunai, Platzverweis für Christov nach einer unsportlichen Attacke (er warf Herrn Diego de Leo den Ball an den Kopf) gegen den Schiedsrichter. Innerhalb von zwei Minuten war die bulgarische Mannschaft also auf acht Spieler reduziert, wurde die Begegnung zur Farce, stand der Unparteiische vor einem Chaos. […]
Das Publikum übernahm nach der Pause die Regie. Sitzkissen flogen zu Hunderten von den Rängen, übersäten den Rasen, wurden von Kindern weggeräumt, kamen in neuen Flugwellen zurück. Die Bulgaren hätten mit Keulen schwingen können, es wäre ihnen verziehen worden. Die Ungarn schossen zwei weitere Tore – 4:1 war der Endstand – man pfiff. Sie verfehlten das Tor, man pfiff, sie spielten zaghaft, man pfiff. Und als der Ungar Juhasz in der 85. Minute einmal weniger zaghaft spielte, pfiff der Schiedsrichter. Platzverweis, der vierte in diesem Spiel.
Man mochte vermuten, Diego de Leo pfiff in diesem Fall ein wenig, um seine Haut zu retten. Es nützte nichts. Als das Schiedsrichtergespann vom Platz ging, wurden die Sitzkissen-Würfe gezielter. Unwürdiger Abschluss eines Spiels, das keins mehr war. Man wird das olympische Fußball-Turnier in Mexiko – leider – immer als Skandal werten, den ein hilfloser Schiedsrichter unfreiwillig verschuldete.“ (Quelle: Mexiko 1968 Das Offizielle Standardwerk des NOK).
Beim Confed Cup 2017 zeichnet der Schiedsrichter im Zweifel einen Bildschirm in die Luft. Die Zweifel werden anhand eines Videobeweises zerstreut oder nicht. Ob deshalb seltener die Fäuste unter den sogenannten Fans fliegen, bleibt abzuwarten. Fliegende Sitzkissen sind jedenfalls Geschichte.
Jetzt seid ihr dran. Stellt euch vor, die folgende Stellung entspricht dem olympischen Fußball-Endspiel 1968 in Mexiko. Das (Spieler-)Material ist ausgeglichen. Die Partie steht auf der Kippe.
Ungarn – Bulgarien nach dem x-ten Zug von Schwarz
Die Wildweststellung ist dem Schiedsrichter ein Graus. „So kann ich nicht arbeiten“, sagt er sich und stellt gleichzeitig einen weißen Stein und drei schwarze Steine vom Feld. Weiß setzt anschließend in einem Zug matt. Welche Steine müssen vom Brett verschwinden, damit dieses durch den Schiedsrichter provozierte Hilfsmatt realisiert wird?
Als Bergfest bezeichnet man die Mitte eines bestimmten Zeitabschnitts. Da Olaf Bergmeier heute 50 Jahre alt geworden ist, sei mir das Wortspiel gestattet. Dass Olaf 100 Jahre alt wird, ist gebongt. Aus naheliegenden Gründen werde ich ihm dann kaum gratulieren können, denn mein 50zigster Geburtstag ist seit 18 Jahren Geschichte. Damals gehörten Olaf und Udo zu meinen Ehrengästen. In die Literatur eingegangen ist das Interview, das die beiden anlässlich meines Bergfests mit mir geführt haben. „Per Friseur zum Paradiesvogel“, heißt es und gehört mit der Ausgabe Nr. 19 des Sonnenkönigs in jedes gut sortierte Bücherregal.
Wenn ich richtig gerechnet habe, hat Olaf 30 seiner 50 Lebensjahre als Mitglied unseres Schachvereins verbracht. Das hat ihn geprägt. Aber auch mich. Olafs besonnene Art hat mir stets gefallen, seine beachtliche Spielstärke hat mich oft gefordert und sein subtiler Schreibstil im Sonnenkönig hat mich immer begeistert. Hier ist eine Kostprobe aus dem Sonnenkönig Nr. 15:
„Ein handsigniertes Exemplar meines neuen Romans über Menschen, Macht und Moneten liegt ab sofort im Vereinsschrank zur Einsicht aus. Titel des Knüllers: Protokoll der Jahreshauptversammlung vom 13. Juni 1997.“
Mit dieser Wortwahl hat er einen Ladenhüter zum Bestseller gemacht.
Lieber Olaf, ich wünsche Dir hiermit alles Gute zu Deinem 50. Geburtstag!
Apropos Geburtstag. Wisst ihr, wer gestern 54 Jahre alt geworden ist? Der Deutsche Jugendmeister von 1982: Michael Geveke. Kinder, wie die Zeit vergeht! Michael hat es nicht so mit dem Internet. Deshalb werde ich meine Glückwünsche demnächst im Debakel nachholen.
Ein Mannschaftskamerad hatte Olaf zuvor den Satz zugeflüstert, mit dem ich meinen Kommentar vom 20. Juni 2020 überschrieben habe. Olaf spielte jetzt tatsächlich einen Scheiß, nämlich 46… h1D?, und gewann trotzdem. Der Textzug führte eigentlich zu einer ausgeglichenen Stellung. Wie sich Weiß durch einen katastrophalen Fehler revanchierte, könnt ihr im Anschluss nachspielen, aber vorher solltet ihr euch das Diagramm ansehen und den Gewinnweg selbst herausfinden. Er ist studienartig!
Und dann noch etwas Philosophisches: Dieser Ausflug ins verflossene Jahrtausend ist der Beweis, dass das Schachspiel die Darmflora anregt. Jeder Scheiß lässt sich jeder Zeit aufwärmen.
Nachtrag von Olaf: Die „Mutter aller verpassten Chancen“ – siehe meinen Kommentar unten vom 23.06.2020:
Es war ein Tag, an dem der Aufenthalt in der Leine – wie es die Triathleten ein paar Kilometer entfernt taten – einem Schachturnier neben der Leine vorzuziehen war. Aber echte Schachenthusiasten bleiben auch bei tropischen Temperaturen cool. Und so kamen fast alle, die sich vorher angemeldet hatten. Sechs Großmeister, sechs Internationale Meister, zwei Fide-Meister sowie jede Menge Spieler jenseits der 2.000 Elo-Marke. Der Durchschnitt der ersten 10 Spieler betrug sage und schreibe 2.500 Elo-Punkte. Bezüglich der Klasse wurde es ein Turnier der Superlative. Wir wollen indes nicht verschweigen, dass wir gern mehr als 61 Schachfreundinnen und Schachfreunde am Start gesehen hätten. Angesichts der annoncierten Temperaturen hielt sich die Spontanität verständlicherweise in Grenzen.
Das Turnier wurde von Jörg Witthaus und Michael Gründer – wie gewohnt – souverän geleitet. Bis auf einen kleinen, lautstarken Zwischenfall gab es keine nennenswerten Probleme. Die Stimmung war trotz der großen Anspannung heiter bis fröhlich. GM YuriVovk (SF Lilienthal) wurde seiner Favoritenrolle mit der höchsten Elo-Zahl von 2.600 gerecht und gewann mit 7:2 Punkten, obwohl er in der 3. Runde eine Niederlage gegen IM Michael Kopylov einstecken musste. Dahinter wurde es eng. Sechs Spieler kamen auf 6,5:2,5 Punkte. In der Buchholzwertung hatte IM Ilja Schneider knapp die Nase vorn, gefolgt von GM Vladimir Epishin, GM Andrey Sumets, IM Albert Bokros, GM Zoltan Varga und Kevin Högy. Das komplette Endergebnis inkl. Fortschrittstabelle könnt ihr hier aufrufen:
Drei Spieler blieben ungeschlagen: Ilja Schneider, Andrey Sumets und ich! Bei mir ist das keine Überraschung, denn ich habe nur viermal gespielt. Ich war sozusagen der „Springer“ und trat zweimal in Erscheinung, als es GM Felix Levin (nach zwei Niederlagen) und IM Adam Szeberenyi (nach drei Niederlagen) vorzogen, den Tag anderweitig zu genießen.
Unsere Männer hielten sich wacker. Andreas Liebau wurde mit 5,0:4,0 Punkten auf dem 21. Platz unser Bester, knapp gefolgt von Dr. Martin Ploog und Thomas Kaimer mit der gleichen Punktzahl. Bemerkenswert ist, dass Fenja Edel vor ihrem Vater landete. Hoffentlich gab das keinen Stress zuhause.
Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte. Deshalb habe ich 30 für euch herausgesucht und in der folgenden Galerie aneinandergefügt. Ein Blick in die Gesichter der Teilnehmer sagt alles. – Die Schachfreunde Hannover bedanken sich für eure Teilnahme und würden sich freuen, wenn ihr im nächsten Jahr wieder dabei seid. Vielleicht ist die Leine dann zugefroren.
Bei der Diskussion über unsere Mannschaftsaufstellungen, die in einem hannoverschen Biergarten vor der Sintflut stattfand, kam ein Detail zur Sprache; nämlich inwieweit Spielerinnen und Spieler in Mannschaften gemeldet werden dürfen, deren tatsächlicher Einsatz aus unterschiedlichen Gründen nicht beabsichtigt ist. Ich habe mich einmal in den Dschungel der insgesamt 7 Turnierordnungen gestürzt, die in Niedersachsen von der Kreisklasse bis zur Oberliga gültig sind. Danach gilt für die Ligen auf Landesebene (Verbands- und Landesliga) sowie für die Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen (Oberliga) folgende Regel:
B.1.5 Ranglisten (Mannschaftsmeldung)
(1) Für jede Mannschaft ist jeweils bis zum 1. August eine Rangliste namentlich in der Reihenfolge der Brettbesetzung dem zuständigen Staffelleiter vorzulegen. Es darf kein Stammspieler (Brett 1-8) mit einer um mehr als 300 Punkte schlechteren DWZ vor einem Spieler gemeldet werden, der eine um mehr als 300 Punkte bessere DWZ besitzt. Es gilt die DWZ-Liste der DWZ-Datenbank des Deutschen Schachbundes vom 1. Juli. Über Ausnahmen bei Spielern ohne DWZ entscheidet der Turnierleiter der Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen auf Antrag.
Damit soll offenbar verhindert werden, dass Spielerinnen oder Spieler von der Resterampe als Platzhalter missbraucht werden. Ob diese Regel Sinn macht, sei dahingestellt. Fakt ist indes, dass es diese Regelung auf Bezirksebene nicht gibt. In den 6 Turnierordnungen der Bezirke habe ich jedenfalls keinen entsprechenden Passus gefunden; d.h. wenn ich mich nicht irre, darf z.B. in der Bezirksliga trotz eines 2. Bretts DWZ >2000 jemand mit einer DWZ <1000 fürs 1. Brett gemeldet werden.