Mit Strukturveränderungen soll dem Mitgliederschwund im Niedersächsischen Schachverband begegnet werden. Arbeitsgruppen unter Leitung des NSV-Präsidenten Michael S. Langer sollen dem schleichenden Siechtum entgegenwirken. Die Schachbezirke sollen dabei eingebunden werden. Was ist davon zu halten?
Auf der NSV-Webseite finden wir unter Arbeitskreise folgenden Hinweis:
Arbeitskreis Mitgliedergewinnung
Bis 2008 unter dem Namen Arbeitskreis Olympia. Dieser Arbeitskreis beschäftigt sich nun mit dem größten Problem des Verbandes, dem Rückgang der Mitgliederzahlen. Im Jahr 2009 soll eine groß angelegte Offensive gestartet werden, sowohl mit Turnieren als auch mit Breitenschachevents.
Das war vor 6 Jahren. Die groß angelegte Offensive ist verpufft. Ein Blick in die Statistik des Landessportbunds macht dies deutlich. Zwischen 2005 und 2009 waren die Mitgliederzahlen mit ca. 6.800 und die Zahl der Schachvereine und Schachsparten mit ca. 220 ziemlich konstant. Seit Beginn der Offensive im Jahr 2009 geht es jedoch kontinuierlich bergab. In der aktuellen Statistik für 2015 wird der Landesverband „Schach“ mit 5.811 Mitgliedern und 183 Vereinen bzw. Sparten aufgeführt. Das ist ein Schwund von rund 20%.
Grundsätzlich muss sich der Schachsport moderner aufstellen; das beginnt in den Vereinen, deren Existenz ich nicht antasten möchte. Aber was folgt über den Köpfen der Schachvereine? Niedersachsen leistet sich den Luxus von 6 Schachbezirken und zahlreichen Unterbezirken, auf die wir allesamt verzichten können. Um all die Vorstandsposten in den Vereinen, Unterbezirken, Bezirken, Fachreferaten und im Landesverband zu besetzen sind nach meiner Hochrechnung über 1.000 Schachfreundinnen und Schachfreunde erforderlich. Das ist ein Wahnsinn! Über 1.000 Menschen beschäftigen sich mit administrativen Aufgaben, damit 5.800 Schachspieler (inklusive Inaktive) ihrem Hobby nachgehen können. Muss das sein?
Siehe auch: Alte Zöpfe https://www.schachfreunde-hannover.de/alte-zoepfe/
Wie machen das die anderen Landesfachverbände in Niedersachsen? Die meisten Fachverbände kommen mit 4 Bezirken aus; auch die, die deutlich mehr Mitglieder haben, z.B. Judo (16.996 Mitglieder), Badminton (23.401 Mitglieder) und sogar der mächtige Leichtathletikverband (63.804 Mitglieder in 823 Vereinen). Einige Fachverbände kommen ganz ohne Bezirke und sonstige Hierarchiestufen aus. Das sollte uns Schachspielern ein Vorbild sein.
Für den Spielbetrieb ist die lokale und regionale Ausrichtung unerlässlich, aber benötigen wir für diesen Zweck einen eigenen Vorstand mit einer eigenen Kasse? Dieses administrative Brimborium mit Sitzungen, Versammlungen, Wahlen und sonstigen Verpflichtungen fördert das Schachspiel nicht. Es ist stattdessen hinderlich. Vom schlechten Gewissen und dem Leid all derer, die sich mangels Erfolg in ihrem Idealismus enttäuscht sehen, will ich gar nicht reden.
Mein Vorschlag für Strukturveränderungen sieht deshalb wie folgt aus:
Zwischen den Schachvereinen und dem Landesverband gibt es keine weitere Hierarchiestufe. Der Landesverband hat einen geschäftsführenden Vorstand ähnlich wie vorhanden. Schachjugend und Schachsenioren behalten ihr Eigenleben. Die Bezirke einschl. aller Unterbezirke werden aufgelöst. Die ehemals 6 Bezirke werden zu 3-4 neuen Bezirken verschmolzen, aber nur insofern, dass sich ein Spielleiter – wie zuvor – um den dortigen Spielbetrieb kümmert. Diese Spielleiter gehören zum Vorstand des NSV.
Das klingt radikal und wird den Widerstand einiger „Fürstentümer“ hervorrufen. Aber es ist meines Erachtens der richtige Weg. Die freiwerdenden Kräfte, die bislang durch unnütze Funktionärstätigkeiten gebunden waren, können sich anschließend mit frischem Elan auf das Wesentliche konzentrieren: auf gute Rahmenbedingungen für den Spielbetrieb. Dabei würde ich gern über die Grenzen Niedersachsens hinausgehen. Warum sollen nicht grenznahe Schachvereine anderer Landesverbände in den unterklassigen Spielbetrieb einbezogen werden? Zum Beispiel ist es von Bückeburg (Nds.) nach Minden (NRW) nur ein Katzensprung. Von der Insellage Bremens ganz zu schweigen.
Dass damit der Mitgliederschwund allein nicht gestoppt wird, ist mir bewusst. Aber wenn wir uns von dem befreien, was mit Schachpartien nichts zu tun hat, schaffen wir die Voraussetzung für eine Trendwende. Darüber hinaus ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich. Am wichtigsten sind Veränderungen auf der Vereinsebene. In dieser Einschätzung stimme ich mit unserem DSB-Präsidenten Herbert Bastian überein.