„Stell dir vor, dein Vereinskamerad wird Deutscher Meister und keiner kommt auf die Idee, die Homepage damit zu schmücken.“
Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man sich die Webseiten der jeweiligen Vereine anguckt. Das sind die Schachfreunde, die vor 10 Tagen „Deutscher Seniorenmannschaftsmeister“ geworden sind:
Christian ClemensSC Braunschweig Gliesmarode v. 1869 (Bezirk Braunschweig)
Juri LjubarskijSchachabteilung von Hannover 96 (Bezirk Hannover)
Eine rühmliche Ausnahme bildet der Hamelner SV mit „Oldies but Goldies“ und der Meldung über das ausgezeichnete Ergebnis von Gerhard Kaiser. Wobei Gerhard mit mir in der zweiten Mannschaft gespielt hat und damit nicht Deutscher Meister geworden ist. Die Enthaltsamkeit wundert umso mehr, weil auf diesen Webseiten extra Rubriken für „Aktuelles“ oder „News“ vorgesehen sind. Aktualität ist im Internet-Zeitalter das A und O. Einige Schachvereine bewegen sich allerdings im Schneckentempo oder sind einfach ignorant gegenüber den Erfolgen ihrer Vereinskameraden oder haben die falsche Person an den Schalthebeln ihrer Homepage oder sind einfach nicht im Bilde.
Sozusagen als Ersatzvornahme möchte ich die vier Deutschen Meister noch einmal ins rechte Bild rücken. Es war deren einzige (unglückliche) Niederlage gegen Hessen 1:
Von vorn nach hinten: Christian Clemens 0–1 Klaus Klundt / Juri Ljubarskij 0-1 Jürgen Haakert / Matias Jolowicz ½ Georg Haubt / Dieter Jentsch ½ Matthias Kierzek
Ein spezieller Gruß geht an die Schachvereinigung Salzgitter, die ansonsten eine lebendige Webseite betreibt. Statt einer ehrenden Erwähnung von Matias Jolowicz finden wir dort auf der ersten Seite eine Torte aus der Mottenkiste. – Besser eine Fachsimpelei über Elektrofahrräder als eine Niederlage im Schachspiel, sagte sich Matias‘ Gegner in der letzten Runde. Matias und seiner Mannschaft war’s recht. Viermal Remis und der Titel war perfekt.
Matias Jolowicz (links) und Horst Weisenburger (Württemberg 1) im Fachgespräch vertieft
Ein Fuhrwerk mit 11 Pferden und 68 Männer waren erforderlich, um das 35 Zentner schwere Gipfelkreuz im Jahr 1886 auf den Hochfelln zu befördern. Am Sockel finden wir den 1. Vers eines schwülstigen Gedichts, das König Ludwig I geschrieben hat. Ludwig I ist der Großvater vom Märchenkönig, Ludwig Nr. 2. Beide bemühten sich als Herrscher und Dichter. In Bayern ist das bis heute so üblich.
Auch mir warst du des Trostesmächt’ges Zeichen, Auf dich geheftet weilten meine Blicke, Dass sich mein Herz am Glauben fromm erquicke Und freudig fühlte ich mich Selbst dein eigen.
So viel Aufwand für so wenig Kunst, sage ich mir. Das geht heute leichter. Erhellendes liest man nicht mehr auf Berggipfeln, sondern ganz bequem online. Zum Beispiel in diesem Blog.
Seit gestern wissen wir, dass die Theorie der Schottischen Partie nicht umgeschrieben wird, und schottische Whiskybrenner keine Durststrecke befürchten müssen. – Eine Meldung aus dieser Woche hat mich indessen aufgeschreckt: Flaschenverbot bei Nordderby. Was heißt das für unser Auswärtsspiel morgen in Braunschweig? Dürfen wir nur mit einem Rumpfteam antreten? Dann las ich im Kleingedruckten, dass mal wieder die prolligen Fußballfans von Hannover 96 gemeint sind, wenn deren 2. Mannschaft am kommenden Dienstag gegen die zweite von Eintracht Braunschweig spielen wird. Wir Schachfreunde müssen niemand zuhause lassen. Wir werden mit einer schlagkräftigen Truppe antreten!
Woran erkennt man, dass eine Schachpartie von einem Senioren gespielt wurde? Am Vornamen! Hans und Franz hießen meine Gegner. Wer so gerufen wird, muss verdammt alt sein, aber keinesfalls aussortiert. Ich werde euch im Anschluss vier meiner sieben Partien zeigen, die einen Eindruck über die nicht versiegende Spielstärke im Alter zeigen. Mit meinen 65 Jahren gehörte ich zu den Jungsenioren unter den Aktiven. Das ist kein Bonus, wenn es darum geht, einem Achtzigjährigen gegenüber zu sitzen. Die meisten von denen, die in Bergen aktiv waren, verfügen über eine aktuelle Spielpraxis, gegen die ich ein Waisenknabe bin.
Mit der Qualität meiner Partien bin ich zufrieden. Rumpelschach war selten dabei. Nur einmal stand ich schlecht (gegen Hans Werchan, Jahrgang 1933). Nur eine einzige Partie habe ich verloren (gegen Rainer Albrecht, Jahrgang 1952). In dieser Partie habe ich mich selbst umgebracht in einem Moment, als ich mich auf der Siegerstraße wähnte. Sechs von sieben Partien endeten also mit einem Unentschieden. Das ist kein Grund zur Euphorie, aber auch kein Grund, den Kopf hängenzulassen. Immerhin habe ich die Erwartung in Bezug auf meine derzeitige ELO-Zahl erfüllt.
Sieger-Wimpel
Bevor ich zum Thema komme, muss ich mein Déjà-vu-Erlebnis loswerden. Bayern ist nämlich ein gutes Pflaster für Senioren aus Niedersachsen. Im Jahr 1987 befand ich mich in der 4-köpfigen Seniorenmannschaft des Radsportverbands Niedersachsen. Wir haben dort an der Bayern-Rundfahrt teilgenommen, das war damals die inoffizielle Deutsche Mannschaftsmeisterschaft für Senioren. Es begann in Lenggries mit einem Einzelzeitfahren und endete in der Oberpfalz mit einem Straßenrennen. Wir gewannen die Mannschaftswertung und stellten mit Hansjoachim Schippel den Einzelsieger. – Wenige Jahre später wurde aus der Seniorenrundfahrt eine Profiveranstaltung. Es ist die einzige Landesrundfahrt in Deutschland, die überlebt hat. Alle anderen wurden wegen der Dopingmisere gecancelt.
So war der Verlauf meiner Partien am 2. Brett der 2. Mannschaft:
1. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Berlin 1 (6./3.) Ergebnis 1:3
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Thormann, Wolfgang FM 2256 2. Runde
Schleswig-Holstein 2 (26./22.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 2:2
Felser, Franz 2044 ½ – ½ Streich, Gerhard 2124 3. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Hamburg 2 (10./18.) Ergebnis 2:2
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Liersch, Andreas 2257 4.Runde
Berlin 2 (18./20.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 2:2
Albrecht, Rainer 2109 1 – 0 Streich, Gerhard 2124 5. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Sachsen-Anhalt 1 (16./4.) Ergebnis 1,5:2,5
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Werchan, Hans 2141 6. Runde
Hessen 2 (22./23.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 0,5:3,5
Falk, Thomas 2080 ½ – ½ Streich, Gerhard 2124 7. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Bayern 2 (12./14.) Ergebnis 2:2
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Röder, Frank FM 2197
In Klammern hinter den Landesnamen stehen die Platzierungen in der Ratingliste und das tatsächliche Endergebnis.
Meine erste Partie gegen FM Wolfgang Thormann (Berlin 1) endete mit einem unspektakulären Remis. In der zweiten Partie gegen Franz Felser (Schleswig-Holstein 2) war ich erwartungsfroh, versäumte es indes, zum entscheidenden Schlag auszuholen.
Felser, Franz (2040) Schleswig-Holstein 2 – Streich, Gerhard (2124) [B07]
DSMM (2), 02.09.2014
1.e4 d6 Pirc. Ein Experiment. 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Lg5 An dieser Stelle kann man fast alles spielen. Am energischsten ist 4.f4. 4… Lg7 5.e5 Der frühe Bauernvorstoß bereitet Schwarz keine Probleme. 5…Sfd7 6.exd6 [6.f4 Sb6 7.Sf3 0-0 8.Le2] 6…cxd6 7.Sf3 h6 8.Le3 Sf6 9.Le2 0-0 10.0-0 Sbd7 11.h3 Sb6 12.Sd2 Le6 13.Sce4 Sxe4 Aus der Eröffnung bin ich gut herausgekommen. Bis zum Ende der Partie habe ich ständig einen leichten Stellungsvorteil. Allein, mir fehlt eine zündende Idee. [13…Sfd5 14.c4 Sxe3 15.fxe3 f5 16.Sc3 Tc8=+] 14.Sxe4 Tc8 15.Dd2 Kh7 16.c3 Sc4 17.Lxc4 Lxc4 18.Tfe1
Stellung nach 18.Tfe1
18… Ld5 [Das wäre eine gute Idee gewesen: 18…f5 19.Sg3 e5 20.dxe5 dxe5 21.Dxd8 Tfxd8 22.Lxa7 Td2 und Schwarz ist am Drücker.] 19.f3 Da5 20.Sf2 Tfe8 21.Sd3 Lc4 22.Lf2 Df5 23.Sc1 La6 24.Se2 b6 25.Tad1 d5 26.Lg3 g5 27.Sc1 e6 28.Sd3 Lxd3 [28…h5!?] 29.Dxd3 Dxd3 30.Txd3 Tc6 31.f4 Kg6 32.Tf3 f5 33.fxg5 hxg5 34.Le5 Lxe5 35.Txe5 Th8 36.Tfe3 Kf6 37.Kf2 b5 38.a3 Th4 39.Tf3 Te4 40.Te3 Solch ein Tête-à-Tête dreier Türme hat man auch nicht alle Tage auf dem Brett.
Stellung nach 40.Tf3-e3
40…Txe5 41.Txe5 a5 42.g4 fxg4 43.hxg4 b4 44.axb4 axb4 45.Te3 Weiß gibt sich keine Blöße. Das Turmendspiel ist Remis. 45… bxc3 46.bxc3 Ta6 47.Tf3+ Kg7 48.Te3 Kf6 ½-½
Rainer Albrecht
Nachdem ich in der 3. Runde ein Remisangebot des Hamburgers Dr. Andreas Liersch angenommen hatte, hieß mein nächster Gegner Rainer Albrecht (Berlin 2). Er überraschte mich vor der Partie, als er mir sagte, dass wir bereits 1976 in einem Länderkampf zwischen Berlin und Niedersachsen gespielt hätten. Die Partie sei mit der Tarrasch-Variante in der Französischen Verteidigung eröffnet worden. Sie endete mit einem Remis. Boah! Es dauerte eine Weile, bis die Erinnerung zurückkam. – Nach spannendem Verlauf musste ich meine einzige Niederlage einstecken.
Albrecht, Rainer (2109) Berlin 2 – Gerhard, Streich (2124) [E70]
DSMM (4), 04.09.2014
1.d4 Sf6 2.c4 d6 3.Sc3 g6 4.e4 Lg7 5.Sge2 Der Textzug gehört zu den seltenen Varianten in der Königsindischen Verteidigung. Furchterregend ist er nicht. 5…0-0 6.Sg3 c6 7.Le2 Sbd7 8.Lg5 h6 9.Le3 Te8?! [Besser 9…e5] 10.Dd2 Kh7 11.h4 h5 12.0-0-0 Da5 13.Kb1 a6 14.f3 [14.f4 b5 15.e5 b4 16.Sce4 Sxe4 17.Se4 Sb6 18.Sg5+ Kg8=] 14…b5 15.Sd5 Gegen den Damentausch habe ich nichts einzuwenden.
Stellung nach 15.Sc3-d5
15…Dxd2 16.Sxf6+ Lxf6 17.Txd2 Sb6 18.cxb5 axb5 19.b3 Die kritische Stellung. Wohin soll der Lc8 entwickelt werden?
Stellung nach 19.b2-b3
19…La6?! Ursprünglich hatte ich 19… Ld7 geplant, damit der Bauer b5 nach d4-d5, c6-c5 gedeckt bleibt. Doch dann befand ich es für besser, das Feld d7 für den Springer freizuhalten. Dazu kam es allerdings nicht. 20.Tc1 Tec8 21.Tdc2 Lb7 Der Läufer wird vorübergehend zurückbeordert. Den Tempoverlust hätte ich mir schenken können. 22.d5 c5 23.Lxb5 Ta5 [Vorsichtiger war der sofortige Rückgewinn des Bauern. 23…Lxh4 24.Se2 Lf6=] 24.a4?! Tca8 Droht Txb5 nebst Ta1# 25.Ta2 La6! Zurück nach a6. Der Zug ist bärenstark. Jetzt muss Weiß auf der Hut sein.
26…T5xa6 27.Sf1 c4 28.bxc4 Sxa4 29.Kc2 Sc3?! An dieser Stelle hätte ich mir die Zeit für Lxh4 nehmen sollen. 30.Txa6 Txa6 31.g3 Ta2+??
Stellung nach 31… Ta6-a2+
Ein schrecklicher Fehler. Als Antwort hatte ich nur Kd3 gesehen und wollte dann mit Ta3 fortsetzen. Die Partie hätte sich im Gleichgewicht befunden. 32.Kb3 Te2 Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass der Springer verloren ist. Der Rest ist nur noch Agonie. 33.Ld2 Tf2 34.Lxc3 Txf3 35.Sd2 Txg3 36.Kb4 Lxh4 37.Tf1 f6 38.Sf3 Tg4 39.Sxh4 Txh4 40.e5 f5 41.e6 Tg4 42.Lf6 exf6 43.Te1 1-0
Dr. Hans Werchan
5. Runde. Ende letzten Jahres wurde Dr. Hans Werchan 80 Jahre alt. Welchen Stellenwert der Magdeburger in seiner Heimat genießt, erfahrt ihr, wenn ihr folgende Seite anklickt:
Hans Werchan ist drei Wochen älter als der zehnfache Niedersachsenmeister Manfred Heilemann. Dass Manfreds Lebenswerk von keinem niedersächsischen Funktionär anlässlich seines 80. Geburtstags gewürdigt wurde, ist mir noch immer ein Rätsel.
Streich, Gerhard (2124) – Dr. Werchan, Hans (2154) Sachsen-Anhalt 1 [A34]
DSMM (5), 05.09.2014
1.Sf3 c5 2.c4 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.g3 d5 5.cxd5 Sxd5 6.Lg2 e5? [Offenbar hat Schwarz die Zugfolge vertauscht. Üblich und notwendig war 6… Sc7, bevor der Vorstoß e7-e5 erfolgt.6…Sc7 7.0-0 e5 8.d3 Le7] 7.d3? Leider versäume ich, einen gesunden Mehrbauern einzuheimsen: [7.Sxe5 Sxc3 8.Lxc6+ (8.Sxc6 Sxd1 9.Sxd8 Kxd8 10.Kxd1) 8…bxc6 9.dxc3 Dxd1+ 10.Kxd1 Ld6] 7…Sc7 8.0-0 Le7 9.Ld2?! Der Zug ist zu blass. Die Theorie empfiehlt 9.Sd2 oder 9.Le3!? In der Folge gerate ich in eine passive Stellung, die nicht der Sinn des Anzugsvorteils sein kann. 9…Le6 10.b3 Dd7 11.Te1 Tc8 12.Tc1 b6 13.Dc2 0-0 14.Db1 Tfd8 15.Se4 Es ist schwer, einen vernünftigen Plan für Weiß zu finden. Da ich meiner Zugpflicht nachgehen muss, stochere ich ein wenig mit meinen Springern im Zentrum herum. 15…h6 16.Lc3 f6 17.La1 Sb5 18.Sc3 Sbd4 19.Se4 f5 20.Sed2 Lf6 21.Lf1 Der e-Bauer soll beweglich werden. 21…g5 22.Sxd4 exd4 23.e3 dxe3 24.fxe3 Dg7 25.Lxf6 Dxf6 26.Sf3
Stellung nach 26.Sd2-f3
26… Td6?! Erlaubt mir eine Verschnaufpause. Ein Großmeister hätte mich an dieser Stelle auseinandergenommen, z.B. [26…f4 27.exf4 (27.Da1 Dxa1 28.Txa1 fxg3 29.hxg3 Sb4 30.Tec1 Sxd3 31.Tc3 Lf5-+) 27…Ld5 28.Lg2 gxf4 29.Tf1] 27.Le2 Tcd8 28.Tf1 Se5 [28…g4 29.Sd2 De5 30.e4 Sd4 31.Ld1 h5 32.exf5 Sxf5-+] 29.Se1 Sg6 30.Da1 Dxa1 31.Txa1 Se5 32.Tc1 Kg7 33.Tc3 Kg6 34.Sf3 Sxf3+ [34…Sxd3?? 35.Lxd3 Txd3 36.Txd3 Txd3 37.Se5+ und Weiß gewinnt.] 35.Txf3 Ld5 36.Tf2 Te8 37.d4 Endlich bekomme ich Gegenspiel. 37…cxd4 38.exd4 Le4 39.Tc7 a5 40.Lc4 Ted8
Stellung nach 40… Te8-d8
41.g4!! Allein wegen dieses Zuges hat sich die Reise nach Bergen gelohnt. Dabei ist 41.d4-d5 womöglich stärker. Aber die psychologische Wirkung von g4 ist entscheidend. [41.d5 Lxd5 42.Lxd5 Txd5 43.Te2 Trotz Minusbauern sollte das Endspiel remis enden.] 41…Txd4 [41…fxg4? 42.Lf7+ Kg7 43.Ld5+ T6d7 44.Txd7+ Txd7 45.Lxe4 Txd4 46.Lc2+-; 41…f4 42.Te7 Txd4 43.Te2 b5 (43…Ld5?? 44.Lxd5 T4xd5 45.T2e6#) 44.Lxb5 Ld5] 42.gxf5+ Lxf5 43.Lf7+ Kf6 44.Lh5!
Stellung nach 44.Lf7-h5
Ein sensationeller Rundlauf des Läufers: von e2, c4, f7 nach h5. Damit deckt der Läufer das Feld d1 und stellt weitere Drohungen auf, z.B. Tf7+ 44…T4d7 Wenn Schwarz gewinnen will, muss er stattdessen 44… Ke6 versuchen. Angesichts der gefährdeten Königsstellung und der knappen Bedenkzeit hätte der Schuss auch hinten losgehen können. 45.Tc6+ Td6 46.Tc7 T8d7 47.Tc8 ½-½
In der 6. Runde wollte ich gegen den Schachfreund Thomas Falk (Hessen 2) endlich einen Sieg einfahren. Sein Remisangebot im 16. Zug konnte ich aus mannschaftstaktischen Gründen indes nicht ablehnen. Die letzte Runde bescherte mir FM Dr. Gerd Röder (Bayern 2) als Gegner. In der Eröffnung ging es gleich richtig zur Sache. Nach ungenauem Spiel meines Gegners hätte ich meinen Stellungsvorteil in einen Bauerngewinn ummünzen können. Ich gab einem doppelten Qualitätsopfer den Vorzug und musste mich wieder mit einem Remis begnügen.
Streich, Gerhard (2124) – FM Dr. Röder, Gerd (2197) Bayern 2 [D11]
DSMM (7), 07.09.2014
1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.c4 c6 4.e3 Lg4 5.Sbd2 e6 Die Stellung wurde in der Praxis schon einige Male angewandt. Mein folgender Zug ist sozusagen eine Neuerung. 6.a3 a5 7.h3 Lh5 8.g4 Lg6 9.Se5 Sfd7 Besser war 9… Sbd7 10.Sxg6 hxg6 11.Lg2 Le7 12.De2 a4?! Den Zug habe ich nicht verstanden. Vielleicht wollte Schwarz das Feld a5 für seine Dame freimachen. Die Vollendung der Entwicklung mit 12… Sf6 war allemal vorziehen. Jetzt kann ich im Zentrum aktiv werden. 13.e4 dxe4 14.Sxe4 Sf6 15.d5!
Stellung nach 15.d4-d5
Die Antwort kostete Schwarz 45 Minuten seiner Bedenkzeit. [15.Sxf6+ gxf6 16.Le3 Da5+ 17.Ld2 Db6 18.d5!?] 15…exd5 [15…Sxe4 16.Dxe4 exd5 17.cxd5 0-0 18.0-0] 16.Sxf6+ gxf6 17.cxd5 0-0 [17…cxd5 18.0-0 Sc6 19.Td1 d4 20.Le3 Db6 21.Lxc6+ Dxc6 22.Tac1 Da6 23.Dxa6 bxa6 24.Txd4 Txh3 25.Txa4+=] 18.0-0 Te8 19.Td1 Ld6 20.Dd3c5 21.Ld2 [21.Db5 Ta5 22.Dxb7?? Te7-+] 21…Sd7 [21…Sc6!? 22.dxc6?! Lh2+ 23.Kxh2 Dxd3 24.Lc3 Db5 25.cxb7 Tab8 26.Lxf6 wäre sogar spielbar für Weiß.] 22.Lc3 Dc7 Wohin mit der weißen Dame? Auf den Königsflügel oder auf den Damenflügel? 23.Df3 [23.Db5 war womöglich stärker.] 23…Le5? [23…b5! 24.Lxf6 Sxf6 25.Dxf6 Ta6 26.Dc3 Le5 und Schwarz hat Gegenspiel für den Bauern.]
Stellung nach 23… Ld6-e5
24.d6! Der Zug lag auf der Hand. Meine folgende Vision weniger. 24…Lxd6 25.Txd6!? Ein doppeltes Qualitätsopfer ist nichts für schwache Nerven. Mir war klar, dass Schwarz nicht sofort matt wird, weil der König über f8 fliehen kann. Dass mir ein Unentschieden durch Zugwiederholung so gut wie sicher war, habe ich indes gesehen. Darüber hinaus wollte ich in meiner letzten Partie für die Galerie spielen, wobei die folgende Variante mit Bauerngewinn objektiv besser war: [25.Dxb7 Dxb7 26.Lxb7 Ta7 27.Lc6 Te6 28.Ld5 Te7 29.Lxf7+ Kxf7 30.Txd6+=] 25…Dxd6 26.Td1 De6 27.Txd7 Dxd7 28.Dxf6 Dd1+ 29.Kh2 Kf8 30.Lxb7 Tad8 31.Dg7+ Ke7 32.Df6+ Kf8
Analysediagramm
[Wenn Schwarz versucht, über d7 zu fliehen, verliert er die Partie: 32…Kd7? 33.Lc6+ Kc7 34.La5+ Kc8 35.Lxe8+-] (33…Kc8 34.Lxe8 Txe8? 35.Dc6+ Kd8 36.Lf6+ Te7 37.Db6+ Ke8 38.Dxc5 und Weiß gewinnt, weil der Turm wegen Matt nicht ziehen kann; siehe Analysediagramm)
Die Hinfahrt war grauenhaft. Es schüttete wie aus Kübeln. Erst nachdem Christine Harderthauer zwei Tage später zurückgetreten war, besserte sich das Wetter schlagartig. Zum Vorschein kam eine Landschaft, wie sie lieblicher kaum sein kann. Bevor ich mit meinem Bericht fortfahre, zeige ich euch einen Blick auf den Ort Bergen aus der Seilbahngondel, die mich auf den 1.674 m hohen Hochfelln gehievt hat. Hinten links ist der Chiemsee zu sehen. Bislang hatte ich Seniorenschach eher skeptisch betrachtet. Nach diesem Turnier bin ich voll des Lobes. Es gibt auf Landes- und Bundesebene einige engagierte und fähige Funktionäre, die solche Turniere zu einem Erlebnis machen. Auch die Berichterstattung im Internet ist vorbildlich, sodass ich auf die Wiedergabe der nackten Daten verzichten kann. Stattdessen möchte ich euch meine persönlichen Eindrücke vermitteln.
Es gibt Momente im Leben, da passt alles zusammen. Reinhard Piehl hatte zwei Teams aufgestellt, in denen die Chemie stimmte. Das war die Voraussetzung für einen unvergleichlichen Lauf, der zum erstmaligen Gewinn der Deutschen Mannschafts-meisterschaft unserer 1. Mannschaft führte. Auch unsere zweite konnte sich gut verkaufen. Allen voran Gerhard Kaiser am 1. Brett. Er verlor nicht ein einziges Mal und konnte zweimal gewinnen. Lediglich zwei der sieben Mannschaftskämpfe gingen verloren. Bei den unentschiedenen Kämpfen standen wir zweimal auf Gewinn. Dazu und zu meinem Abschneiden komme ich im Laufe meines Beitrags zurück.
Reinhard Piehl
Das Dream Team
Von links nach rechts: Christian Clemens, Juri Ljubarskij, Matias Jolowicz, Dieter Jentsch, Reinhard Piel, Gerhard Kaiser, Gerhard Streich, Alexander Schneider und Mihail Davydov
Für mich war das Turnier wie eine Zeitreise. Ich habe Schachfreunde wieder getroffen, die ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Bis zurück in meine Kindheit gingen meine Erinnerungen. Es ist 60 Jahre her, als dieses Foto aufgenommen wurde:
Der kleine Junge bin ich. Es war 1954 mein erster richtiger Urlaub, und zwar in Inzell, das liegt einen Katzensprung von Bergen entfernt.
Etwas älter als ich auf dem Foto war Stephan Buchal (Bremens 1. Brett), als ich ihm das erste und einzige Mal begegnet bin. Es war beim Jugendturnier des Osterkongresses 1967 in Hannover. Am 17.10.2013 habe ich euch darüber berichtet. Stephan konnte sich meiner vage erinnern. In den Jahren 1970 und 1971 wurde er Niedersächsischer Jugendmeister. Seinen jugendlichen Charme hat sich Stephan bis heute bewahrt.
Joachim Just
In der 2. Mannschaft von Sachsen-Anhalt spielte Joachim Just aus Leipzig. Wir hatten uns seit 1991 nicht mehr gesehen. Vor und nach der Wende haben wir uns bei Freundschaftskämpfen kennen und schätzen gelernt. Ich habe bei ihm in Leipzig übernachtet, er bei mir in Hannover. Joachim ist pensionierter Lehrer. Seine Familie ist „schachverrückt“. Seine Frau Dr. Gabriele, seine Tochter Dr. Anita und sein Sohn Wolfgang sind ebenfalls aktiv. Und das nicht schlecht…!
Einen Schachspieler hatte ich noch nie gesehen. Dafür war sein Name in meinem Hinterkopf gespeichert: Dr. Peter Kopp. Er war bei Hessen 2 am 3. Brett aufgestellt. Gegen Peter Kopp habe ich 1967/68 eine Fernschachpartie gespielt. Damals war er Mathematik-Student im 3. Semester an der UNI Darmstadt. Auf diese Partie habe ich ihn im Turniersaal angesprochen. Er konnte sich kaum erinnern und stellte die naheliegende Frage: „Wie ist die Partie denn ausgegangen?“ Die Antwort kann ich mit seiner letzten Postkarte nachliefern. Es war seine Aufgabe, die er in nette Worte gefasst hatte:
Ich habe mir die Partie noch einmal angesehen. Es war ein heißes Match. Sie hat nichts von ihrem Feuer verloren, deshalb könnt ihr sie in meinem Kommentar gern nachspielen.
Das Niveau der 110 aktiven Senioren und Seniorinnen (Anzahl 3) war ausgesprochen hoch. Drei Internationale Meister und sieben FIDE-Meister waren darunter. Ich hatte nicht einen Gegner <ELO 2000. Der ELO-Durchschnitt unserer jeweiligen Gegner stellte sich wie folgt dar:
1. Mannschaft
1. Brett FM Prof. Dr. Christian Clemens ELO 2235 Ø 2242 5,0 Punkte
2. Brett Juri Ljubarskij ELO 2258 Ø 2238 4,5 Punkte
3. Brett Dr. Matias Jolowicz ELO 2175 Ø 2165 4,5 Punkte
4. Brett Dieter Jentsch ELO 2138 Ø 2170 4,5 Punkte
2. Mannschaft
1. Brett Gerhard Kaiser ELO 2120 Ø 2120 4,5 Punkte
2. Brett Gerhard Streich ELO 2124 Ø 2155 3,0 Punkte
3. Brett Alexander Schneider ELO 2061 Ø 2087 3,5 Punkte
4. Brett Mihail Davydov ELO 2061 Ø 2118 3,0 Punkte
Juri Ljubarskij
Mit 81 Jahren war Juri Ljubarskij der älteste Niedersachse. Was er trotz seines hohen Alters aufs Brett zaubert, ist bewundernswert. Hier eine Kostprobe aus der 2. Runde gegen FM Berthold Bartsch (2243) Bayern 1:
Juri Ljubarskij-Berthold Bartsch
Der letzte schwarze Zug 19… Lc5-b4 war ein schlimmer Fehler. Richtig war 19… Lc5-e7 und Schwarz kann sich vorerst halten. Juris Zug war eine Granate: 20.Td7!! Schwarz gab auf. Auf ähnliche Weise hätte 20.Sf6+ gewonnen: z.B. 20… Kh8 21.De4 g6 22.Se8+
Das war die einzige Niederlage von FM Berthold Bartsch. Er holte trotz dieses KO-Schlags mit 5,5 Punkten das beste Ergebnis aller Teilnehmer am 2. Brett.
Mihail Davydov
Aber es gab auch Reinfälle. Mihail Davydov versäumte in der 2. Runde gegen eine Dame aus Schleswig-Holstein seinen 40. Zug (er hatte Schwarz) rechtzeitig auszuführen. Er drückte die Uhr eine Sekunde zu spät. Dabei stand er total auf Gewinn. Das kostete uns den Sieg gegen Schleswig-Holstein. Mihails Missgeschick glich sich allerdings wieder aus, als sein Gegner aus Hessen in der 6. Runde eine klar gewonnene Stellung verdaddelte.
Dieter JentschDer Kantersieg gegen Nordrhein-Westfalen aus der Vogelperspektive
Einen unglaublichen Schreckmoment erlebte Dieter Jentsch im Kampf gegen Michail Bogorad (ELO 2195) aus Nordrhein-Westfalen. Dieter hatte folgende Stellung auf dem Brett:
Bogorad-Jentsch
Dieter war am Zug. Zuvor hatte er mit seinem Läufer den Turm auf f1 geschlagen. Statt aufzugeben, hatte sein Gegner Bauer d6-d7 gezogen und auf ein Wunder gehofft. Das wäre beinahe eingetreten. Dieter war ein bisschen in Zeitnot. Zwei Minuten standen noch auf seiner Uhr, und für jeden weiteren Zug gab’s 30 Sekunden Aufschlag. Also kein Grund zur Panik. Doch Dieter war so nervös, dass er nach d6-d7 nicht innehielt und dann d2-d1D zog, sondern sich sofort seinen Läufer schnappte und diesen auf dem Feld a6 absetzen wollte. Dann sah er das Malheur: der Läufer hatte die falsche Diagonale im Visier. Die Damenumwandlung der weißen Partei war nicht mehr zu verhindern. Zum Glück hatte Dieter den Läufer nicht losgelassen. Etwa eine Minute lang ließ Dieter den Läufer in verständlicher Erregung über dem Brett kreisen, bis er die Rettung Ld3 fand. Nach d7-d8D und d2-d1D+ ließ Dieter nichts mehr anbrennen und gewann die Partie in wenigen Zügen. Ohne diesen wichtigen Brettpunkt wäre aus der Deutschen Meisterschaft voraussichtlich nichts geworden.
Über meine eigenen Partien werde ich euch in einem gesonderten Beitrag am Wochenende informieren. Wer mehr über die DSMM erfahren und weitere Fotos sehen möchte, die aus meiner Kamera stammen, sollte die Senioren-Webseite des NSV anklicken. Die ist bei Alfred Newerla in ausgezeichneten Händen:
Ohne das richtige Ambiente macht Schachspielen keinen Spaß. In Bergen stimmte alles: das Spiellokal, der Ort, die Umgebung und die freundlichen Menschen. Wer gut zu Fuß war, unternahm stundenlange Spaziergänge. Ein Muss ist die Fahrt mit der Seilbahn auf den Hochfelln. Der höchste Berg weit und breit ist sozusagen die Aussichtsterrasse des Chiemgaus. Wer oben ankommt, kann etwas für seine Bildung tun. Dass die Alpen in Wirklichkeit aufgetürmter Meeresboden sind, wissen wir natürlich. Aber wer kann auf Anhieb folgende Frage richtig beantworten, die am Gipfellehrpfad gestellt wird?
„Ein Felsbrocken, der auf der Erdoberfläche 1 Tonne wiegt, wiegt wieviel, wenn er sich im Erdmittelpunkt befindet?“ Antwort: „Nichts!“
Rund 50 Schachfreunde und Schachfreundinnen nahmen an einem Ausflug nach Salzburg teil. Ich auch. Wie sehenswert Salzburg ist, können die, die es noch nicht wissen, anhand meiner Bildergalerie nachvollziehen. Unser Busfahrer hieß Stefan Pletschacher. Der Name bürgt für Qualität. Schachspielen kann er nicht, verriet uns der sympathische Stefan, aber in einer anderen Disziplin ist er amtierender Deutscher Meister: im Eisspeedway. Die Sportart ist in Deutschland etwa so populär wie 4er Synchronschwimmen, nur viel erotischer.
Wer in Bergen übernachtet, muss pro Tag einen Euro Kurtaxe bezahlen. Das Geld habe ich gern gegeben, denn der Ort ist wunderschön. Das gilt auch für das Bergener Moos, einem Naturschutzgebiet, das sich in Richtung Westen erstreckt. All die Schönheiten habe ich auf vielen Fotos festgehalten. Achtzehn davon habe ich für die Bildergalerie ausgesucht.
Ihr seid nicht irrtümlich im Hamelner Blog gelandet. Peter Brunotte ist ein Eigengewächs unseres Schachvereins. In den Sechzigerjahren, als wir noch Schachfreunde Badenstedt hießen, wuchs Peter zu einer Lichtgestalt heran, die sowohl unseren Verein als auch mich wesentlich geprägt hat. Heute wird Peter 70 Jahre alt. Deshalb ist es mein herzliches Anliegen, ihm hiermit zum Geburtstag zu gratulieren.
Seit über vierzig Jahren bin ich Peter Brunotte nicht mehr begegnet. Das lag wohl vor allem daran, dass er sich für einige Jahrzehnte vom Schachspiel zurückgezogen hatte. Als Senior ist er inzwischen wieder aktiv. Insofern schließt sich der Kreis – auch in Bezug auf meine eigene Vita. Ich weiß noch, als er 1970 aus beruflichen Gründen in eine Gegend zog, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, ein Fertighaus auf sein Grundstück pflanzte, und wenn es nicht umgekippt ist, noch heute darin lebt.
In den Jahren 1962, 1963, 1964, 1968 und 1969 wurde Peter Brunotte insgesamt 5x Vereinsmeister. Ich hatte die Ehre, ihn mit einem Hattrick in den Jahren 1970-1972 abzulösen. Darum steht der Pokal für immer in meiner Vitrine. Darüber hinaus wurde Peter in den Jahren 1960, 1962 und 1963 dreimal Vereinsblitzmeister. Übrigens wurde der Pokal von Walter Frees gestiftet. Walter war ein Unikum. Am 28. August wäre er 100 Jahre alt geworden.
Aber auch auf Landesebene war Peter in jungen Jahren eine Größe. Das belegen die beiden Dokumente aus der damaligen Zeit:
Meine Geburtstagsgrüße möchte ich mit einer Partie abschließen, mit der Peter 1969 zuletzt Vereinsmeister wurde. Es handelt sich um seinen Original-Kommentar aus unserem Vereinsrundschreiben, das damals „Schachkurier“ hieß:
Bauer, Achim – Brunotte, Peter [B07]
Vereinsmeisterschaft Schachfreunde Badenstedt, 1969
[Original-Kommentar: Peter Brunotte]
1.e4 d6 Idee dieser Eröffnung: Schwarz wartet ab, wie sich Weiß aufbaut und sucht dann Angriffspunkte. Achim Bauer spielt „immer“ 2.f4 (außer auf 1… e5). 2.f4 g6 3.Sf3 Lg7 4.Lc4 Sf6 5.d3 Sc6 6.a3 0-0 7.c3 Üblich ist ein weißer Aufbau mit e4, d4, f4, Sc3, Lc2 oder Ld3. Was Weiß hier spielt, ist sicher nicht gut: zunächst aggressiv f4 und Lc4 und dann unscheinbare Bauernzüge. Schwarz kann schon jetzt die Initiative ergreifen. 7…d5! 8.e5? Erforderlich war 8.exd5. 8…dxc4 9.exf6 Lxf6 10.d4! Nach 10.dxc4 Dxd1 11.Kxd1 Sa5 nebst Le6 verliert Weiß den Bauern c4. 10.d4 ist besser, weil der Mehrbauer von Schwarz noch nicht viel wert ist und Weiß ein starkes Zentrum hat. Aber der Bauer c4 beherrscht 2 Punkte im feindlichen Lager und das kann Schwarz ausnutzen. Weiß ist in der Eröffnung leichtsinnig gewesen und theoretisch vielleicht schon verloren. 10…Sa5 11.0-0 Sb3 12.Ta2 Auf diesem beschaulichen Platz bleibt der Turm bis zum 26. Zug. Schwarz gönnt ihm die Ruhe von Herzen.
Stellung nach 12.Ta1-a2
12…c5 Das weiße Zentrum muss angegriffen werden. 13.dxc5 Dc7? Hier dachte Schwarz 40 Minuten lang nach und verzichtete dann auf Dxd1, weil man nicht tauschen soll, wenn man besser steht. Aber hier wäre der Damentausch besser gewesen, weil Weiß ohne Dame keine Chancen auf Königsangriff hätte und sich auf die Verteidigung beschränken müsste. 14.Le3 Td8 15.De2 Sxc5 16.Sbd2 16.Dxc4? Le6 und Weiß verliert die Qualität. 16…b5 17.Sd4 a6 Die 1. Phase um die Verwertung des schwarzen Vorteils ist abgeschlossen. Schwarz hat einen „gesunden“ Mehrbauern; Weiß hat seine Entwicklung vollendet, einen starken Springer auf d4 und versucht jetzt einen Königsangriff. Der Schlüsselzug, der von Weiß durchgesetzt werden muss, ist f5. 18.Df3 Weiß opfert ein Tempo, weil er die Felder h3 und h4 für den Angriff braucht. Ta1 war besser, weil der schwarze Läufer sowieso nach b7 muss. 18…Lb7 19.Dg4 Lxd4 Nach Ta1-e1 hat Weiß gefährlichen Angriff. Schwarz entschließt sich deshalb zum Abtausch, muss jetzt aber aufpassen, dass nicht ein Endspiel entsteht, in dem der Mehrbauer nichts mehr wert ist. 20.cxd4 Nach 20.Lxd4 Se6 21.Le3 dringt Schwarz mit Td3 in die weiße Stellung ein; aber cxd4 schafft eine Schwäche auf d4. 20…f5 Notwendig, um f5 von Weiß zu verhindern. 21.Dh4 Se6 22.Sf3 22.d5 nebst Ta1-e1 war eine andere beachtliche Möglichkeit, den Angriff fortzuführen. 22…Lxf3 Der Springer darf nicht nach e5 oder g5. Wenn Weiß Gelegenheit hätte, die schwachen schwarzen Felder auszunutzen, wären 19…Lxd4 und 20…f5 Fehler gewesen. 23.Txf3 Sxd4 24.Th3 h5 25.Dg5 Kf7 Ein kritischer Punkt. Reicht das Turmopfer 26.Txh5 zum Remis?
Stellung nach 25… Kg8-f7
26.Ta1 Der Herr bequemt sich zu spät zum Kampfplatz. Jetzt kann Schwarz die Stellung festigen und die nächstbeste Gelegenheit zum Übergang ins Endspiel suchen. [26.Txh5 gxh5 27.Dxh5+ Ke6 28.Dg6+ Kd5 29.Lxd4 Kxd4? (29…Dxf4 Daher muss sich Schwarz statt Kxd4 mit der Qualität begnügen und steht dann trotz der gefährdeten Königsstellung auf Gewinn.) 30.Ta1 und Schwarz verliert 30…Kc5 31.b4+! Trotzdem hätte Schwarz das Turmopfer versuchen sollen, denn Schwarz war in Zeitnot und hätte vielleicht nicht die stärksten Züge gefunden.] 26…Se6 27.Dg3 Td3 28.Df3 Tad8 29.Te1 Sd4 30.Df2 Dd6 31.Lxd4? Beschleunigt das Ende erheblich. Weiß musste den Übergang ins Endspiel so lange wie möglich verhindern, denn mit 2 Bauern weniger hat er im Endspiel keine Chance. 31…Dxd4 32.Dxd4 T8xd4 33.The3 Txe3 34.Txe3 Txf4 Bauer Nr. 3 fällt. 35.Te5 Td4 36.Tc5 Td1+ 37.Kf2 Td2+ 38.Kf3 Txb2 Bauer Nr. 4 fällt. 39.Tc6 Tb3+ 0-1
Den ersten Absatz meines Beitrags habe ich wegen des larmoyanten Inhalts gestrichen. Ich fange gleich mit dem zweiten an. Es geht um Seniorenschach. Vor einem Vierteljahr hat mich Reinhard Piehl, das ist der Seniorenreferent des Niedersächsischen Schachverbands, gefragt, ob ich an der Deutschen Seniorenmannschaftsmeisterschaft teilnehmen wolle. Nach kurzem Zögern habe ich zugesagt. Es ist eine Ehre für mich, denn normalerweise muss man sich dafür über die Landesmeisterschaften qualifizieren. Am kommenden Sonntag, dem 31. August, fahren wir los. Vom 1. bis 7. September werden 7 Runden gegen andere Landesverbände nach dem Schweizer System gespielt. Niedersachsen wird mit zwei 4er Mannschaften teilnehmen. Die endgültige Aufstellung wird vor Ort festgelegt.
Wir fahren nach Bergen. Für die zahlreichen ü60-Groupies, die dem Vernehmen nach kiebitzen werden, sei gesagt, dass es sich um den Kurort Bergen im Chiemgau handelt. Also bitte nicht „Bergen in der Lüneburger Heide“ oder „Bergen in Norwegen“ in euer Navi eingeben. Dieses Bergen liegt in Bayern. Das ist der Freistaat, in dem sich noch nicht herumgesprochen hat, dass absteigen zweckmäßig ist, wenn man ein totes Pferd reitet; siehe PKW-Maut.
Natürlich werde ich anschließend einen supergeilen Bericht abliefern. Seniorenschach macht sexy. Am 9. September 2014 gibt’s indes ein historisches Datum, das ich zuvor mit einem speziellen Beitrag würdigen möchte. Bis dahin werde ich keinen neuen Beitrag schreiben; allenfalls die Kommentarfunktion nutzen.
Beim Thema „Seniorenschach“ möchte ich an einen herausragenden niedersächsischen Schachspieler erinnern, gegen den ich ein einziges Mal gespielt habe. Das war 1981. Ich hatte meine Blütezeit (32 Lenze), er befand sich im fortgeschrittenen Alter: Dr. Heinz-Wilhelm Dünhaupt(* 7. Mai in Bückeburg 1912; † 19. April 1998 in Celle).
Ich erinnere mich insbesondere seiner, weil er ausgerechnet in dem Jahr, als ich geboren wurde (1949), in Goslar Niedersachsenmeister wurde. Den Titel konnte er dreimal erringen: 1939, 1949 und 1952. Darüber hinaus wurde er dreimal Zweiter: 1948, 1950 und 1962; in den beiden letztgenannten Jahren jeweils hinter Manfred Heilemann. Die vierten Plätze 1953, 1954 und 1959 sollen nicht unerwähnt bleiben. In den Fünfzigerjahren war er nicht nur einer der stärksten Spieler Niedersachsens, er gehörte auch zur 1. Mannschaft des Hannoverschen Schachklubs, die 1959 deutscher Mannschaftsmeister wurde. Eine Schachbundesliga gab’s noch nicht. Obwohl er als Oberstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Celle vermutlich genug um die Ohren hatte, gelang es ihm nebenbei, den Titel eines Fernschachgroßmeisters zu erwerben.
Als er die Partie in der Oberliga Niedersachsen/Bremen gegen mich spielte, war er 69 Jahre alt. Ob es am Alter lag, weiß ich nicht, jedenfalls agierte er derart zaghaft, dass der Sieg für mich das sprichwörtliche Kinderspiel war. Am Ende der Partie zeigte er seine wahre Größe, indem er mir die Hand gab, als die Partie materiell ausgeglichen war. Einen Schönheitspreis hat die Partie nicht verdient, aber einen Platz im Kuriositätenkabinett (siehe 1. Diagramm).
Dr. Dünhaupt, Heinz-Wilhelm – Streich, Gerhard [A05]
HSK-SFH Oberliga Niedersachsen/Bremen, 1981
1.Sf3 Sf6 2.g3 g6 3.Lg2 Lg7 4.0-0 0-0 5.d3 d6 6.e4 c5 7.Sbd2 Sc6 8.c3 Ld7 9.Se1 Dc8 10.f4 Lh3 11.De2 Lxg2 12.Dxg2 b5 Mit meiner Stellung bin ich hochzufrieden. Nach dem Tausch des Fianchetto-Läufers macht die weiße Stellung einen löchrigen Eindruck. Meinem Angriff auf dem Damenflügel hat Dr. Dünhaupt wenig entgegen-zusetzen. 13.Sc2 b4 14.c4 a5 15.Sf3 a4 16.Ld2 Sd7 17.Tab1 b3 18.axb3 axb3 19.Sa1? Ein kurioser Zug. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals einen Springerzug auf einem Eckfeld (a1/h1/a8/h8) gesehen zu haben, ohne dass dort eine Figur geschlagen wurde. Dass dort des Öfteren eine Qualität erobert wird, gehört zum Alltag, ansonsten gibt es wohl äußerst selten einen Grund, einen Springer in die Ecke zu stellen.
Stellung nach 19.Sc2-a1
19…Ta2!? Damit entlasse ich zwar den Springer aus seinem Verließ, aber freies Figurenspiel war mir lieber. Infrage kam auch: 19… Db7 20. Lc3 und Weiß kann den starken Läufer auf g7 tauschen. 20.Sxb3 Db7 21.Sc1 Txb2 22.Txb2 Dxb2 23.Le3 Tb8 24.Dh3 Die einzige Hoffnung für Weiß besteht in einem Gegenangriff auf dem Königsflügel. 24…Sf8 25.f5 Sd4 26.Sg5 f6 27.fxg6 Das Figurenopfer auf h7 würde im Sande verlaufen: [27.Sxh7 Sxh7 28.fxg6 Sf8 29.Dh5 e6 30.Tf2 Dc3-+] 27…hxg6 28.Sf3 Se2+ 29.Kh1 Sxc1 30.Lxc1 Dc2
Stellung nach 30… Db2-c2
Weiß gab auf. Keinesfalls zu früh, denn seine weißfeldrigen Bauern fallen jetzt wie reife Früchte.
Auf meinem Schachbrett geht die Geburtstagsfeier weiter. Derweil habe ich die Kuchenreste von meiner Tastatur gekratzt, damit ihr nicht doch noch in ein Sommerloch fallt. Als ich jung war, wurde für diesen Zweck „Nessie“ aus dem gleichnamigen Gewässer geholt. Ich präsentiere euch stattdessen eine Partie, die zu meinen Top Ten zählt. Gegner war kein Geringerer als Jürgen Waldschläger (Braunschweiger SC). Er gehört zu den Urgesteinen der niedersächsischen Schachlandschaft, obwohl er eigentlich aus Hamburg stammt. Ich habe ein kleines Porträt von ihm herausgekramt, das aus einer Zeit kommt, als die Braunschweiger in der 1. Bundesliga spielten.
Jürgen Waldschläger anno 1983
By the way: Der BSC spielte zwei Jahre in der ersten Liga, und zwar 1983/84 und 1984/85. Mit dem 12. Platz in der Abschlusstabelle 1983/84 und 8:20 Punkten wurde der Klassenerhalt gesichert. Ein Jahr später war der Abstieg nicht zu verhindern. Unser Horst-Peter gehörte damals zum Team der Braunschweiger. Wisst ihr übrigens, welcher Schachverein in der Geschichte der 1. Liga am schlechtesten abgeschnitten hat? Richtig! Der Hannoversche Schachklub mit 0:30 Mannschaftspunkten und 31:89 Brettpunkten. Schadenfreude ist wirklich nicht angebracht…
Waldschläger, Jürgen (Braunschweiger SC) – Streich, Gerhard (SF Hannover) [E66]
Regionalliga, 1982
1.Sf3 g6 2.c4 Lg7 3.Sc3 d6 4.g3 Sf6 5.Lg2 0-0 6.d4 c5 7.0-0 Sc6 8.d5 Sa5 9.Sd2 a6 Das Panno-System 9… a6 ist die wichtigste Fortsetzung in dieser Variante der Königsindischen Verteidigung. Das weiße Zentrum soll mit b7-b5 von der Seite angegriffen werden. 10.Dc2 Tb8 11.b3 b5 12.Lb2 bxc4 13.bxc4 Lh6 Gehört zur Theorie. Es droht 14… Lxd2 nebst Sxc4. 14.f4 Nicht etwa 14.e3? und Weiß verliert nach Lf5 15.Dc1 Ld3 den Bauern c4. Zwanzig Jahre später hatte ich die gleiche Stellung in einer wichtigen Turnierpartie mit Weiß auf dem Brett. Obwohl ich den Trick kannte, zog ich in geistiger Umnachtung 14.e3? und verlor. Ich hätte vor Wut in die Tischkante beißen können, weil ich sofort meinen Irrtum bemerkte. Aber da war es zu spät. 14… e6 Infrage kommt auch 14… e5. 15.Tab1 Lg7! Mit einem side-step hat der Läufer eine Schwäche im weißen Lager provoziert. Jetzt kehrt er auf seine Stammdiagonale zurück. 16.Sce4? Den naheliegenden Zug kann ich glänzend widerlegen. Jürgen Waldschläger musste stattdessen 16.dxe6 oder Sd1 versuchen.
Stellung nach 16.Se4?
16… Txb2! In diesem System liegt das Qualitätsopfer stets in der Luft. Der richtige Knaller folgt in zwei Zügen. 17.Txb2 Sg4 18.Tf3 [Oder 18.Tbb1 Se3 19.Dd3 exd5 20.cxd5 Sxf1 21.Kxf1 mit Vorteil für Schwarz.]
Stellung nach 18.Tf3
18…Sxc4!! Rata-Ta-Zong! Der Springer am Rand, oft Sorgenkind im schwarzen Aufbau, wird effektvoll geopfert. Für eine Weile stecke ich einen ganzen Turm ins Geschäft. 19.Sxc4 [19.Dxc4? Lxb2] exd5 20.Sexd6 [20.Tb8 dxc4 21.Txc8 Dxc8 22.Sxd6 Ld4+ 23.Kh1 De6 24.Sxc4 Te8 25.Lh3 f5 -+ oder 20.Sc3 dxc4 und meine Bauernwalze macht die Qualität mehr als wett.] 20…dxc4 21.Sxc4 [21.Sxc8 Dd4+ 22.e3 Dxb2 23.Se7+ Kh8 24.Dxb2 Lxb2 25.h3 c3 26.hxg4 c2 27.Tf1 c1D 28.Txc1 Lxc1 29.Sd5 Tc8 =+] 21…Lf5 22.Dc1 [22.e4? Dd4+ 23.Kh1 Lxe4-+] 22…Lxb2 23.Sxb2 Te8 Materiell ist die Partie wieder ausgeglichen. Doch Weiß steht weiterhin unter Druck. 24.Dxc5 Txe2 25.h3
Stellung nach 25.h3
25… Txb2 [Der unverfängliche Gewinnweg. Spektakulärer hätte ein weiteres Qualitätsopfer gewonnen: 25…Txg2+! 26.Kxg2 Dd2+ 27.Tf2 (27.Kg1 De1+ 28.Kg2 De2+ 29.Kg1 Dxf3 30.hxg4 Le4-+) 27…Le4+ 28.Kf1 Se3+ 29.Kg1 De1+ 30.Tf1 Dxg3#] 26.hxg4 Lxg4 27.Tf2 Dd1+ 28.Lf1 Txf2 29.Kxf2 Df3+ Die restlichen Bauern auf dem Königsflügel gehen verloren. Das hoffnungslose Endspiel wollte sich Jürgen nicht antun. 0-1
Die Partie könnt ihr wie gewohnt in meinem Kommentar nachspielen.
Heute vor einem Jahr habe ich es Boris Becker nachgemacht. Plötzlich war ich drin, und es hat gar nicht wehgetan. Admin Tom hatte geschraubt, was das Zeug hielt, und heraus kam ein nagelneues Blog. Anfangs fühlte ich mich ziemlich allein im Blog-Haus, aber nach und nach meldeten sich mehr und mehr Schachfreunde zu Wort. Mittlerweile ist unser Blog ein Erfolgsmodell geworden, das ich allen Schachvereinen und Schachverbänden empfehlen kann, die sich im Neuland des Internets (O-Ton Angela M.) befinden.
In den 365 Tagen sind 123 illustre Beiträge entstanden. Im Schnitt gab’s an jedem 3. Tag einen neuen Beitrag. Darin verpackt sind 310 Fotos, Abbildungen und Diagramme. Die Kommentarfunktion wurde 312 Mal genutzt. Bis Mitte Oktober 2013 hatten wir noch keinen Besucher-Zähler. Da ich neugierig bin, hat ihn Tom auf meinen Wunsch hin installiert. Zu Beginn war der nur 4-stellig. Es zeigte sich, dass wir die 5. Stelle schnell knacken würden. Das war Anfang Februar dieses Jahres der Fall. Seitdem haben wir pro Tag im Mittel 300 Besucher, Monat für Monat sind das derzeit ca. 10.000. Unsere Fan-Gemeinde rekrutiert sich nach meinen Schätzungen aus rund 500 Personen, die regelmäßig einen Blick in unser Blog werfen. Unser Besucherzähler ist IP-gesteuert, somit wird jeder Besuch nur einmal pro Tag gezählt. Manipulationen durch ewiges Anklicken sind ausgeschlossen. – Wenn das so weitergeht, wird Tom spätestens am Nikolaustag die 6. Stelle einrichten müssen.
Besonders erfreulich waren die Wortmeldungen ehemaliger Weggefährten, die hierzulande als „verschollen“ galten: Prof. Dr. Norbert Henze, Dr. Manfred Küver und Dr. Helmut Reefschläger. Die Doktortitel der Drei sind ein Beleg dafür, dass die Beschäftigung mit dem Schachspiel in jungen Jahren einer späteren Karriere als Akademiker nicht hinderlich ist. In unserem Schachverein haben wir so manche Kandidaten aufs wahre Leben nach dem Studium vorbereitet. Da wir gerade bei diesem Thema sind: Was ist eigentlich aus folgenden promovierten, ehemaligen Vereinskameraden geworden? Dr. Wolfgang Filter, Dr. Helmut Köditz, Dr. Birger Ohlrogge, Dr. Hajo Oellrich und Dr. Peter Panzer fallen mir spontan ein. Wenn es mit Hilfe unseres Blogs gelänge, auch von denen Lebenszeichen zu erhalten, wäre das fantastisch. Mir kommen gleich die Tränen, wenn ich an die Zeit denke, als es noch keine Handys gab, und die Mauer noch stand.
Mein ausdrücklicher Dank gilt Jürgen Juhnke. Sein Material war die Grundlage für meinen Beitrag über das „Arbeiterschach“. Auch wenn mich Uwe als „Mr. Blog“ bezeichnet, und ich hier zweifelsohne die meisten Beiträge und Kommentare schreibe, fühle ich mich keinesfalls als Alleinunterhalter. Ich freue mich über jeden Beitrag anderer Vereinskameraden, der zu einer Belebung unseres Blogs beiträgt. Die Kommentarfunktion könnte indessen öfter – auch von Fremden – genutzt werden. Ich weiß, dass die Hemmschwelle hoch ist, aber hier wird niemand diskreditiert. Unter Freunden gehört zwar ein bisschen Lästern dazu, aber auf subtile Weise, versteht sich. Schmähgesänge überlassen wir großspurigen Kickern. Jedenfalls beleben Kommentare in der Regel das Geschäft und machen unser Blog noch interessanter, als es bereits ist. Und wenn jemand der Meinung ist, der Gerhard schreibt hier nur lauter Blödsinn, darf er das kundtun, ohne von mir geteert und gefedert zu werden.
Das SFH-Blog soll vor allem unterhaltsam sein. Wir wollen nicht das kopieren, was es woanders haufenweise gibt, sondern das veröffentlichen, was unsere Schachspielerherzen bewegt. „O grüner Baum des Lebens“, heißt das Motto. Dies und Das, Freud und Leid, Geschichte und Gegenwart, Poesie und Prosa, Jubiläen und Auszeichnungen, Schach vorwärts und rückwärts sowie jede Menge Bilder zu kreativen Beiträgen verarbeitet sollen unsere Freude am Schachspielen mehren und uns zeigen, dass wir über Vereinsgrenzen hinaus eine Familie sind. – Das erste Jahr moderner Kommunikation über das World Wide Web haben wir hinter uns. Damit die nächsten Jahre spannend bleiben, bitte ich um eure rege Beteiligung.
Auf meinem Schachbrett haben die Feierlichkeiten zum 1. Geburtstag unseres Blogs bereits begonnen: **********************************************************
Ergänzung am 11. August 2014:
Uwe ist ein Hellseher. Die Geburtstagstorte gibt es wirklich. Der Herr mit der gelben Krawatte ist inzwischen allerdings ein bisschen gealtert.
„Darf ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?“, war früher für halbstarke Männer ein erfolgversprechender Weg, wenn es darum ging, ein junges Mädchen in den Bann bzw. in die eigenen vier Wände zu ziehen. Die Zeiten sind vorbei. Briefmarkensammeln ist ein verstaubtes Hobby geworden. Die Briefmarke stirbt langsam aus; mit ihr die überalterte, sammelnde Männergesellschaft. Lange Zeit galt die Briefmarke als Aktie des kleinen Mannes. Die Aussicht auf einen stetig steigenden Gewinn führte dazu, dass im Laufe der Jahrzehnte unzählige Briefmarken gehortet wurden, die heute keiner mehr haben will. Der Michel-Katalog ist in Deutschland der wertlose Wertmaßstab der Briefmarken. Die darin enthaltenen Summen sind Mondpreise, von denen – wenn überhaupt – 5% bis 10% realistisch zu erzielen sind. Im Kölner Stadtanzeiger gab es vor einem Jahr ein Interview mit zwei organisierten Briefmarkensammlern, das in der sarkastischen Aussage mündete: „Alles ab 1960 ist in so großen Stückzahlen erschienen, das ist in aller Regel wertlos. Die Marken können Sie größtenteils anzünden, die flattern wie Schmetterlinge durch die Luft.“
Diese Sorgen will ich mir nicht zu eigen machen. An anderer Stelle habe ich bereits berichtet, dass ich im Besitz nahezu aller Briefmarken der BRD und DDR bis 1990 bin, und zwar postfrisch und gestempelt, manche doppelt und dreifach. Die wenigsten davon habe ich selbst gesammelt; es handelt sich vielmehr um ein Vermächtnis, das ich sowieso nicht veräußern würde. Manchmal habe ich die Muße, mir diese Sammlung Jahrgang für Jahrgang anzusehen. Ich finde das faszinierend. Briefmarken sind kleine Kunstwerke, die unsere Zeitgeschichte dokumentieren. Die Frage, ob die einzelne Marke aus welchen Gründen auch immer wertvoll ist oder nicht, halte ich dabei für nebensächlich. Wer Kultur und Kunst nur mit dem schnöden Mammon gleichsetzt, ist fehl am Platze.
Als Schachspieler freut man sich natürlich, wenn für unsere Kunst auf Briefmarken geworben wird. Weltweit sind Schachmotive auf Briefmarken durchaus beliebt; in Deutschland sind sie dagegen Raritäten. In der DDR gab es 1968 eine Briefmarke zu Ehren von Emanuel Lasker, drei Briefmarken zur Schacholympiade 1960 in Leipzig und eine zur Studenten-Mannschaftsweltmeisterschaft 1969.
In der BRD wurde Schach im vergangenen Jahrhundert meines Wissens nur einmal mit diesen vier Wohlfahrtsmarken im Jahr 1972 thematisiert:
Im Jahr 2002 gab es eine Wohlfahrtsmarke für die Jugend im fragwürdigen Kontext mit Teddybären und Puppen sowie im Jahr 2008 eine für Schacholympiaden (ohne Abbildungen).
Schachmotive hin oder her. Wenn wir mausetot sind, nützen die schönsten Briefmarken nichts. Deshalb möchte ich euch diese aus dem Jahr 1984 ans Herz legen:
Zehn Jahre später hat Udo Harms im Sonnenkönig Nr. 6 zum Thema „Rauchen“ einen bemerkenswerten Artikel verfasst. Der begann so:
Zigaretten aus – sonst raucht’s! Rund 5000 Menschen sind im vergangenen Jahr in Niedersachsen an Lungenkrebs gestorben. Das sollte zu denken geben. Tut es aber nicht. […]
Rauchen in Spiellokalen ist mittlerweile verboten. Aber es soll noch immer Unverbesserliche (Süchtige!?) geben, die in den Pausen nach draußen laufen, um sich eine Fluppe anzuzünden. Denen möchte ich eine kleine Geschichte erzählen: Morgen wird meine Frau an der Beisetzung einer Bekannten teilnehmen, die etwa mein derzeitiges Alter erreicht hat. Diese Frau war mittelstarke Raucherin. Vor rund drei Jahren lautete die Diagnose: Speiseröhrenkrebs. Wenig später wurde ihr der Kehlkopf entfernt, fortan konnte sie nicht mehr natürlich sprechen und sich nur noch künstlich ernähren. Der geschwächte Körper streikte an mehreren Stellen. Auf Details werde ich verzichten. Sie fand ein schreckliches Ende.
Die Briefmarke, die 1984 vor dem Rauchen warnte, hat mich dazu veranlasst, genauer hinzugucken, was sich vor 30 Jahren tat. Gerade in diesen Tagen feiern wir den 30. Geburtstag zweier Erfindungen, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind: die Email und Helene Fischer.
Zwei bundesdeutsche Briefmarken aus dem Jahr 1984 möchte ich euch zeigen:
Der PC auf der Marke, die für den X. Archivkongress wirbt, ist ein echter Hingucker. Seitdem hat sich die Technik ein wenig weiterentwickelt. Nahezu unverändert ist es indessen um die Gleichberechtigung bestellt. Wenn’s ernst wird, müssen noch immer wir Männer den Müll rausbringen.
Den Satz des Jahres bezüglich der Schachfreunde Hannover lieferte unser damaliger 1. Vorsitzender Dr. Hans Wiehler in einem Rundschreiben vom 30.04.1984:
„Immer noch gelüstet es Nachbarvereinen, uns überschlucken zu wollen: diesmal hat die Schachvereinigung ihre Angeln nach uns ausgeworfen.“
Die Nachbarvereine waren der HSK, Anderten und der TKH. 17 Jahre später war die Angelei erfolgreich. Ob nun im Jahr 2001 die Schachfreunde oder die Schachvereinigung die Angeln ausgeworfen hatten, oder sich die Angelruten versehentlich verschlungen haben, verliert sich im Dunkeln. Nennen wir die Schachvereinigung mal unsere „bessere Hälfte“. An der Gleichberechtigung arbeiten wir noch…
Engel, Fee, Stern, Männertraum und dazu meist gegoogelte Frau Deutschlands. Mehr geht nicht. Das müssen auch Hannovers Schachfreunde neidlos anerkennen. Zu ihrem 30. Geburtstag gehen unsere atemlosen Glückwünsche an:
Der Hype um den vierten Stern lässt nach. Nunmehr können wir uns den wirklich wichtigen Themen zuwenden. Ein Thema, das die hannoversche Schachwelt bewegt, hat auch mit der Zahl Vier zu tun. Seit rund zwanzig Jahren gibt es den Vier-Vereine-Blitz. Ursprünglich waren diese Vereine involviert: HSK/Post, Schachtiger, SVG und SFH. Seit unserer Fusion sind die Lehrter das vierte Rad am Blitzwagen. Den Modus hat Olaf bei der 6. Austragung im Jahr 1999 (Sonnenkönig Nr. 19) wie folgt anschaulich beschrieben: „Die vier Vereine treten mit 6 Leuten an, die dann gegen jeden Akteur der anderen Vereine eine Partie zocken. Das macht pro Nase 18 Partien. Soweit die Theorie.“
Die graue Theorie ging selten auf. So hatte 1999 einer unserer Spieler verschlafen (!), und bei den Schachtigern fehlte auch einer. Es gab aber genügend Spielermaterial (Fußballersprech), um die Mannschaften auf sechs zu trimmen. Am 27. Juni 2014 mussten wir allerdings Goethes Hexeneinmaleins bemühen, damit das Turnier trotz mangelnder Beteiligung stattfinden konnte:
Verlier die Vier!
Und Zwei lass geh’n.
Der HSK hatte nämlich lediglich zwei Aktive nach Lehrte geschickt, und die Schachtiger waren gar nicht erschienen. Böse Zungen behaupten, die Schachtiger seien in Wirklichkeit zahnlose Schmusekater, die in freier Wildbahn nicht überlebensfähig wären. Wie dem auch sei, HSK und Lehrte bildeten eine Mannschaft und wir die andere. Dafür spielten wir doppelrundig, sodass wir auf 12 Partien pro Nase kamen.
Unterm Strich gab es einen sicheren Sieg mit 38,5:33,5 Punkten für unser Team. Bester Punktesammler aller Spieler war Andreas Hermann mit 9,5:2,5 Punkten. Mit meiner Ausbeute von 8,5 Punkten bin ich zufrieden. Seit über 10 Jahren hatte ich nicht eine einzige Blitzpartie gespielt, weder zum Spaß noch im Ernst. Es gab für mich nur eine Blitzpartie vor Ort zum Aufwärmen, dann ging’s ans Eingemachte. Erstaunlicherweise kam ich mit den elektronischen Uhren gut zurecht, lediglich die Neuerung, dass man eingestellte Könige nicht mehr schlagen darf, hemmte mich ein wenig. Das war früher eine Spezialität von mir. In meinem Keller liegt ein prall gefüllter Sack mit lauter Königen (kleiner Scherz).
Anscheinend hat sich seit 1999 noch etwas geändert, denn wir fuhren anschließend stocknüchtern nach Hause. Das deckt sich nicht mit Olafs damaligem Kommentar im Sonnenkönig:
„Das Turnier ist für alle Freunde des gepflegten Blitzens und Saufens immer ein Gewinn.“
Dank des großen Drucks, den Uwe ausgeübt hat, kann ich euch hiermit das amtliche Endergebnis präsentieren: 14.06.27 Blitzen Lehrte
P.S. Einen Lesetipp möchte ich euch ans Herz legen. Neuerdings schreibt unser Udo (Neue Presse) für die HAZ über die Themen, die wirklich wichtig sind, womit ich einen Bogen zu meinem Bericht schlagen möchte. Nachdem sich Udo in den vergangenen Wochen um Chlorhühnchen, Quengelware und Aldi auf der Kö seine Gedanken gemacht hat, geht es in seinem heutigen Artikel auf Seite 1 um „Billiger wohnen auf Sylt“. Dazu könnte ich eine Menge zum Besten geben. Aber ich bin ja Rentner.
„Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos.“ Loriots legendäre Erkenntnis leuchtet ein. Aber wie verhält es sich mit der Fußball-WM? „Quo vadis, Deutschland?“, werden wir uns heute Nacht fragen, wenn die Messe gelesen und der Messi gewesen ist. Werden wir antriebslos und willenlos in den Alltag zurückkehren? Wir Schachspieler sind gewappnet. Wir haben etwas Anständiges gelernt. Und damit euer Leben weiterhin einen Sinn hat, habe ich eine Schachaufgabe komponiert, für die ihr euch vier Jahre Zeit nehmen dürft.
Es handelt es sich dabei um eine Aufgabe, die sich durch eine extrem hohe Gravitation auszeichnet; sozusagen das Schwarz-Weiße Loch der Schachastronomie. Wie durch ein Wunder haben die Schachfiguren die Formation eines Balles angenommen. 32 Figuren stehen auf dem Brett, die Stellung ist also legal; die Schachregeln werden eingehalten. Diesmal geht es nicht darum, in wieviel Zügen Schwarz mattgesetzt wird, sondern wie viele Varianten und Untervarianten möglich sind, bis die Partie – wie auch immer – beendet ist.
Vier Jahre Bedenkzeit
Schwarz-Weißes Loch vor dem Urknall
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