Ein Schild am Wörthersee

In der vergangenen Woche habe ich wieder Post vom Wörthersee bekommen:
SchoenblickSpätestens seit meinen letzten Kommentaren wisst ihr, dass ich dort 1996 am Casino-Open in Velden teilgenommen habe. Untergebracht waren meine Frau und ich im 4*-Hotel „Schönblick“. Das war also vor 18 Jahren. Seitdem erhalten wir Jahr für Jahr eine Karte mit der unmissverständlichen Aufschrift, dass wir willkommene Gäste seien. 18 Mal fruchtlos, denn Schachturniere in Velden sind passé und einen anderen Grund, dort hinzufahren, gibt es für uns nicht. Nun habe ich ein schlechtes Gewissen angesichts dieses liebevollen, dauernden und vergeblichen Werbens. Deshalb möchte ich allen Schachfreunden ans Herz legen, dort zu übernachten, wenn sie am Wörthersee Urlaub machen. Es lohnt sich wirklich. Hier ist deren Webseite: http://www.schonblick.at/

Nichtsdestotrotz stellt sich für mich die Frage: Warum buhlt die Hoteldirektion so unverdrossen um meine Gunst? Wer mich kennt, weiß, dass ich der Sache auf den Grund gehe. Insider nennen mich den „Sherlock Humbug“ unter den investigativen Bloggern. Meine Spurensuche war erfolgreich. Am Eingang des Hotels prangt ein Schild mit der Aufschrift: „Hier übernachtete der berühmte Namensgeber der PPP-Modelle.“ PPP-Modelle kennt ihr? Das sind die öffentlichen Bauprojekte, bei denen findige Investoren gutgläubigen Kommunalpolitikern ein Finanzierungsmodell aufschwatzen, das den Gemeinden unterm Strich teuer zu stehen kommt. Spaßbäder sind dabei besonders beliebt. Nun habe ich mir das Schild genauer angesehen. Was lese ich da im Kleingedruckten? PPP = Piefke Patzer Papageno. Im Klartext: „Hier übernachtete ein deutscher Fliegenfänger, der das Schachspiel nie und nimmer begreifen wird.“ Danke.

Ja, die Kärntner sind ein cleveres Völkchen. Die intelligenten Bayern (O-Ton Edi) wissen ein Lied davon zu singen. Die Bayern ließen sich bekanntlich von den Kärntnern eine Schrottbank andrehen, in der sie binnen kurzer Zeit womöglich 6 Milliarden Euro begraben haben: http://www.milliardengrablandesbank.de/ Mit dem Geld hätte Uli Hoeneß bis zum nächsten Triple weiterzocken können. Drahtzieher war ein Landeshauptmann namens Haider. Gegen einen Namensvetter spielte ich beim Casino-Open. Der hieß nicht Jörg, sondern Bernd. Mit einer petite combinaison“ gelang es mir, denselben völlig aus dem Konzept zu bringen.

Dr. Haider, Bernd (ELO 2275) – Streich, Gerhard

Casino-Open, Velden (8) 05.07.1996

Schwarz zieht an und gewinnt

Stellung nach dem 21. Zug von Weiß
Stellung nach dem 21. Zug von Weiß

21… Lxd4! 22.Lxd5 [22.exd4 Sxd4 23.Dd1 Sxf3+ 24.Dxf3 d4 25.Se4 Dg6 26.Txc7 (26.Tc6 Lxc6 27.bxc6 Te8 28.Te1 Dxc6-+) 26…Lxe4 27.Txf7+ Dxf7 28.Dxe4-+] 22…Lxd5 23.Sxd5 Dxd5 24.exd4? [24.Dxd5 Txd5 25.exd4 Txd4 26.Sb2 Sc5=+] 24…Dxb3 25.Txb3 Sxd4 26.Tb2 Sf3+ 0-1

Arbeiterschach

Arbeiter sind unter Schachspielern so selten geworden wie Mettbrötchen auf dem Speiseplan von Angela Merkel. Das hat seine Gründe. Bei Angela sind die offensichtlich, bei Schachspielern müssen wir die Geschichtsbücher bemühen oder in die Annalen des eigenen Vereins gucken. Die Fusion der beiden Vereine „Schachfreunde Hannover“ und „Schachvereinigung Hannover“ im Jahre 2001 hat auch namentlich zu einer Verschmelzung geführt. Der Name „Schachvereinigung“, der aus dem „Arbeiter-Schachklub-Hannover“ hervorgegangen ist, wurde zugunsten der Schachfreunde getilgt, aber das Gründungsdatum 1919 blieb im offiziellen Vereinsnamen erhalten. Nun habe ich persönlich meine Wurzeln bei den Schachfreunden und kann deshalb wenig zur Geschichte des Arbeiter-Schachklubs beitragen. Es gibt jedoch Zeitgenossen, die unter Schachspielern großgeworden sind, die die Härte des Klassenkampfes erlebt haben. Dazu gehört Jürgen Juhnke.                                  

Jürgen Juhnke anno 1987
Jürgen Juhnke anno 1987

Das Foto stammt aus einem verblichenen HAZ-Artikel. Jürgen war damals Vierter bei den offenen Niedersachsenmeisterschaften geworden. – Als die Schachvereinigung ihr 50jähriges Jubiläum feierte, war Jürgen Juhnke ein junger Spund und als solcher einer der besten Nachwuchs-Schachspieler Deutschlands. Unser Blog hat Jürgen dazu angeregt, Erinnerungsstücke hervorzuholen. Etwas davon werde ich gleich präsentieren. Zunächst möchte ich jedoch auf die Geschichte der Schachvereinigung im Besonderen und die des Arbeiterschachs im Allgemeinen eingehen.                                 

Deckblatt der Festschrift von 1969
Deckblatt der Festschrift von 1969

Auf unserer Webseite findet ihr unter „Historie“ folgenden Artikel, den Jürgen Reschke anschaulich geschrieben hat: Historie

Ein epochales Werk über die „Geschichte des deutschen Arbeiterschachs“ hat Gerhard Willeke verfasst. Er verstarb kurz bevor sein Buch im Jahr 2002 veröffentlicht wurde. Auf 340 Seiten hat Gerhard Willeke akribisch das zusammengetragen, was heute auf den ersten Blick niemand interessiert. Deshalb habe ich das Buch zunächst belächelt, als ich davon erfuhr. Auf den zweiten Blick ist es hilfreich, unsere Geschichte zu verstehen. Nicht nur die Geschichte des Arbeiterschachs, sondern die Geschichte unserer Gesellschaft, die 1933 mit der Machtübernahme durch die Nazis eine grauenhafte Entwicklung nahm. Das Buch könnt ihr im Internet aufrufen: Arbeiterschach-neu.pdf wissenswertes über die Geschichte der Schachvereinigung. Auf den Seiten 259 und 260 erfahrt ihr etwas über den „Arbeiterschachklub Turm Anderten“. Am 11. Mai 1933 war Schluss mit dem Arbeiterschach in Deutschland. Diejenigen, die sich nicht fügten, wurden gnadenlos verfolgt (siehe z.B. Seite 300+301), die anderen verkauften ihre Seelen mit „Ergebenheitsbekundungen“.

Zurück zu Jürgen Juhnke. Zu den Erinnerungsstücken, die er mir geschickt hat, hat er folgendes geschrieben:

„In der SVH wurde zu meiner Zeit nicht über Politik gesprochen, zumindest bemerkte ich nichts dergleichen. Auch die Hintergründe des regelmäßig angewandten „Frei Schach!“ erfuhr ich nicht (fragte vielleicht auch nicht nach). Schachfreund – vielleicht darf ich auch sagen Schachgenosse – Karl Danne war zu meiner SVH-Zeit (Ende 60er) bereits recht alt und vermachte mir einige Hefte der Arbeiter-Schachzeitung aus den 20er/30er-Jahren. Ich hielt diese stets in Ehren und leitete sie viel später weiter an die Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Deckblätter kopierte ich – siehe Anhang – und verweise auf den Haupt-Artikel des Heftes vom März 1933 über Karl Marx und Wilhelm Liebknecht als Schachspieler. Vielleicht gaben solche Geschichten den Genossen Trost in schwerer Zeit, sind auch heute noch nett zu lesen.“

DAS Nr. 3 März 1933 Deckblatt
DAS Nr. 3 März 1933 Deckblatt
DAS Nr. 3 März 1933 Seite 42
DAS Nr. 3 März 1933 Seite 42

Das mit dem „netten Lesen“ sehe ich so wie Jürgen. Karl Marx war bereits 50 Jahre tot, und Wilhelm Liebknecht starb 1926. Der Sohn von Wilhelm, Karl Liebknecht, wurde 1919 im Gründungsjahr des Arbeiter-Schachklubs-Hannover ermordet. Unabhängig von ideologischen Brillen zeigt diese Anekdote, dass es unter Schachspielern stets „gemenschelt“ hat und ewig „menscheln“ wird. Die Nummer 3 aus dem März 1933 war womöglich die letzte Ausgabe der Arbeiterschachzeitung DAS.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um die Aberkennung der Fördermittel durch das BMI, das dem Schachspiel „sportspezifische eigenmotorische Bewegungen“ abspricht, ist der folgende Aufmacher „Sport- oder Kulturkartelle?“ aus dem Jahr 1932, Heft Nr. 9, geradezu prophetisch.

DAS Nr. 9 September 1932 Deckblatt
DAS Nr. 9 September 1932 Deckblatt
Wilhelm Liebknecht Briefmarke aus 1955
Wilhelm Liebknecht Briefmarke aus 1955

Ihme-Cup 2014

Unsere Sportart wird meistens in geschlossenen Räumen ausgetragen. Das ist gut so, vor allem wenn es draußen schüttet. Für dieses Wochenende hat sich der Mai mit Aprilwetter ausgestattet. Tief „Vicky“ wird von Tief „Waldegund“ abgelöst. Brrr! Den 56 Schachfreunden, die zum Start zur 1. Runde des Ihme-Cups gekommen waren, wird’s recht sein. Bei Biergartenwetter hätte der eine oder andere ein schlechtes Gewissen gehabt. Fünf Turnierpartien hintereinander können verdammt lang werden.

Unter den 56 Startern befindet sich ein echter Großmeister, und zwar Viesturs Meijers (Lettland/ELO 2454) von einem Zweitligisten, der nicht in die 1. Bundesliga aufsteigen will: Nickelhütte Aue. Mitfavoriten sind Dennes Abel (Schachfreunde Berlin/ELO 2440) und der Gewinner des Ihme-Cups 2012 Torben Schulze (Hannover 96/ELO 2280).

Als Kiebitz war IM Ilja Schneider gekommen. Allerdings ohne Bart. Dem Vernehmen nach hat er sich den abrasiert, um nicht mit Conchita Wurst verwechselt zu werden. Kleiner Scherz.

Von mir bekommt ihr einige Fotos vom Auftakt geliefert. Die aktuellen Ergebnisse könnte ihr auf der Seite des Niedersächsischen Schachverbands abrufen: http://nsv-online.de/

Artikel 8

Was wäre die Schachwelt ohne Streitfälle? Wir schreiben das Jahr 1963. Im Schachbezirk Hannover gibt es Zoff, weil offenbar jemand eine verlorene Stellung in einen Sieg umwandeln will. Sein Gegner hat wohl die Notationspflicht nicht korrekt eingehalten. Der damalige 1. Vorsitzende Artur Friedrich hat sich daraufhin Rat aus dem Berliner Engelhardt-Verlag geholt. – Die Antwort ist so köstlich, dass sie auch nach 51 Jahren nichts von ihrem Unterhaltungswert verloren hat. Klar und eindeutig sei die Antwort, meinte Artur Friedrich und informierte die beteiligten Personen mit diesem Brief:

Anno-1963
Im Engelhardt-Verlag muss ein Schelm gesessen haben; so einer wie Vlastimil Hort. Jedenfalls einer, der den Negations-Weltrekord brechen wollte. Unter Stilpäpsten gilt bereits eine doppelte Verneinung als Katastrophe, aber diese Anzahl von Verneinungen durch „nicht“ ist einmalig. Die beiden Kernsätze sind voll davon:

„Eine Aufforderung des Gegners, die fehlende Notation nachzuholen, dürfte bei Nichteinhaltung dieser Aufforderung nicht genügen, dem Säumigen die Partie als verloren zu rechnen. […] Daß das Aufschreiben einer Partie keinen Sinn habe, wenn Nichtaufschreiben nicht bestraft wird, kann man nicht gut behaupten wollen.“

Ich übersetze das mal in verständliches Deutsch: Hinterfotziges Reklamieren ist uncool!

An der Aufzeichnungspflicht von damals hat sich wenig geändert. Aktuell gilt dafür Artikel 8 der FIDE-Schachregeln. Ganz und gar nicht geändert hat sich das Verhalten von Schachspielern. Es gibt immer noch solche und solche. Schiedsrichter können in Streitfällen hilfreich sein, sind es aber nicht automatisch, weil es unter Schiedsrichtern auch solche und solche gibt.

Goldene Zeiten

Was ist paradox? Antwort: Wenn man am „Tag der Arbeit“ in Rente geht. Ich tue das. Hier und heute am 1. Mai 2014. Ganz legal. Damit gehöre ich zu den Ausnahmen. Viele Menschen müssen aus unterschiedlichen Gründen früher aus dem Berufsleben ausscheiden oder länger schuften. Der Abgang ist dann holprig, häufig mit Bitterkeit verbunden. Glück und Beharrlichkeit haben mir am Montag einen Abschied beschert, wie man ihn sich nach rund 50 Jahren Arbeit wünscht. Meine Kollegen haben für mich ein Buch mit vielen Fotos von gemeinsamen Erlebnissen aus den letzten zehn Jahren gebastelt. Der Höhepunkt darin sind die persönlichen Worte von 25 überwiegend jungen Menschen. Keine Floskeln, nein, ehrliche Ansichten über meine Person.

Dass ich so bin, wie ich bin, hat viel mit der Schachszene zu tun. Sie hat mich in jungen Jahren geprägt. Das Schachspiel an sich ist die eine Seite, die sportliche und die künstlerische; die andere Seite sind die Schachspieler, wie sie denken, wie sie empfinden, wie sie handeln und wie sie sich entwickeln. Als ich mit 15 Jahren in den Verein eintrat, war ich das jüngste Mitglied der Schachfreunde (damals noch Badenstedt). Heute bin ich einer der ältesten. Dazwischen liegen 50 pittoreske Jahre. Jungen Menschen, die heute dort stehen, wo ich vor 50 Jahren stand, gebe ich den Rat, Schach mit einem gesunden Ehrgeiz zu betreiben, aber nie verbissen zu werden. Wer über sich selbst schmunzeln kann, wird die Fröhlichkeit verbreiten, die er von anderen Menschen erwartet.

Vor zehn Jahren habe ich vom Niedersächsischen Schachverband die Goldene Verbandsnadel für meine vierzigjährige Mitgliedschaft erhalten. Dazu gab es diese Urkunde:

UrkundeDiese Ehrung hatte ich gar nicht auf dem Schirm, zumal ich zu dem Zeitpunkt inaktiv war. Diesmal ist es anders. Der NSV hat für eine fünfzigjährige Mitgliedschaft keine Ehrung vorgesehen. Erst nach 60 Jahren gibt es womöglich einen „Ehrenbrief“. Da ich von offizieller Seite keine Ehrung erwarte, möchte ich hiermit selbst das Wort ergreifen. Nicht als Laudatio, nicht als Selbstbeweihräucherung, sondern als Hinweis an meine Wegbegleiter: Es war eine schöne Zeit mit euch. – In dem von mir genannten Buch haben mir meine Arbeitskollegen viele Attribute attestiert, die ich aus Demut für mich behalte bis auf den Hinweis, dass ich ein Mensch mit Ecken und Kanten sei. Das sehe ich auch so. Der eine oder andere wird sich an meinen Kanten stoßen. Nehmt es gelassen. Wer sich immer nur stromlinienförmig verhält, wird einfach weggespült.

Was nun? In der HAZ von gestern gibt es ein Interview mit dem scheidenden Direktor der Kestner-Gesellschaft, Veit Görner. Er geht bereits mit 61 Jahren in den Ruhestand. Auf die Frage, was er jetzt machen werde, sagte er: „Nix, einfach nix!“ Toll! Das mache ich auch. Ich werde mich wie Magnus Carlsen in meinen Chefsessel fletzen. Hin und wieder werde ich einen kauzigen Beitrag in diesem Blog schreiben, und wenn es mich total übermannt, setze ich mich irgendwo an ein Schachbrett. Stehen mir nicht goldene Zeiten bevor?

Kopf hoch!

Mannschaftsführer und/oder Spielleiter eines Schachvereins zu sein, ist laut Franz Müntefering „das schönste Amt neben dem Papst“. Bezüglich der auffälligen Kleidung mag das stimmen, ansonsten habe ich meine Zweifel. Es ist nämlich ein Knochenjob, in einem Schachverein seine Schäfchen zu hüten. Deshalb erlaube ich mir, zum Abschluss der Saison unseren Männern, die sich freiwillig in den Dienst stellen, ausdrücklich zu danken.

Dass unsere 2. Mannschaft wie die Erste nicht das Klassenziel erreicht hat, ist sehr, sehr bitter. Schuld daran ist das Orakel. Das hat es faustdick hinter den Ohren. Schon der Name ist Betrug, weil es sich in Wirklichkeit um Spiegelschrift handelt: Le Karo ist die billigste unter den Spielfarben. Da ist man selbst als Ass machtlos.

Ein paar visuelle Eindrücke vom Abstiegskampf unserer Zweiten gegen Wolfsburg möchte ich euch für die neue Saison mit auf den Weg geben. Für diesen Weg gibt es nur ein Ziel: Aufstieg!

Ilja Schneider in Deizisau

Ilja Schneider ist bei den Schachfreunden Hannover kein Unbekannter. Beim Leine-Open und bei unseren Blitzturnieren gehört er zu den Stammgästen. Beim 18. Neckar-Open war er diesmal nicht als aktiver Schachspieler, sondern als Reporter tätig. Das hat mich vor Ort irritiert, denn ich habe ihn öfter gesehen, aber nicht gewusst, dass er ein „begnadeter Schreiber“ ist. Da ich dort keinen Internetzugang hatte, habe ich seine Berichte erst zuhause lesen können. Respekt! Er macht das wirklich ausgezeichnet. Sein Stil gefällt mir. Auf der Webseite des Deutschen Schachbunds gibt es ein Interview mit Ilja Schneider. Guckt ihr hier:

http://www.schachbund.de/news/interview-mit-ilja-schneider.html

Durch dieses Interview wurde ich auf seinen Blog bei der ZEIT aufmerksam:

http://blog.zeit.de/schach/

Der/das Blog ist lesenswert. In wenigen Tagen ist Iljas Praktikum bei der ZEIT beendet. Mal sehen, ob es mit dem Blog trotzdem weitergeht.

Bei Durchsicht meiner Fotos ist mir eins aufgefallen, auf dem Ilja zu sehen ist, als er gerade mit seinem Fotoapparat auf Motivsuche war (roter Pfeil).

Ilja Schneider als Fotoreporter in der Gemeindehalle Deizisau
Ilja Schneider als Fotoreporter in der Gemeindehalle Deizisau

Grundsätzlich begrüße ich seine berufliche Ausrichtung. Junge Leute sollten nicht den ganzen Tag mit Schachspielen vertrödeln, sondern etwas Anständiges lernen, damit sie meine Rente bezahlen können. – Ich betreibe derweil brotlose Kunst. Für den in Gründung befindlichen „Shanty-Chor Deizisau“ habe ich den Text für einen ortstypischen Gassenhauer geschrieben. Hier ist die 1. Strophe:

Wo sind alle Katzen grau?
in Deizisau, in Deizisau!
Wo spielt Schach sogar die Frau?
in Deizisau, in Deizisau!
Wo zieht man Fischköpfe durch den Kakao?
in Deizisau, in Deizisau!

Refrain: In Deizisau am Neckarstrand Caissa ihre Heimat fand. Zu Ostern gibt es Spiele satt, und manchmal enden die mit Matt. Hol-la-hi, hol-la-h

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FM van Kerkhof, David (SC Kreuzberg) – IM Schneider, Ilja (SF Berlin)
GRENKE-A-Open 2018 (4)
31.03.2018
Schwarz am Zug

Zwei Züge zuvor war Ilja in ausgeglichener Stellung bereits vom rechten Weg abgekommen, als er seinen König von f7 nach g6 zog. Damit versperrte er seinem Turm den Rückzug in der g-Linie. Was nun?

24… Tg3?? (Mit 24… Th4 hätte Ilja den Schaden begrenzen können.) 25. Sf1! (Die Falle schnappt zu. Für den Turm gibt es kein Entrinnen.) 1-0

18. Neckar-Open

Der Schwabe. Wenn er von etwas schwärmt, findet er das sauschdarg oder saumäßig. Der Legende nach ist so der 6.700-Seelen-Ort Deizisau entstanden. Außerhalb des Ländle würde ihn kein Schwein kennen, gäbe es nicht den äußerst engagierten Verein „Schachfreunde Deizisau“. Gut informierte Schachfreunde wissen, dass die sogar mit einer Mannschaft in der 1. Frauenbundesliga vertreten sind. Der legendäre Satz von Sepp Herberger: „Elf Freunde müsst ihr sein“, ist ein Kinderspiel gegenüber dem Postulat der Bundesliga: „Sechs Frauen müsst ihr sein!“ Dessen nicht genug, gelingt es den Schachfreunden aus Deizisau Jahr für Jahr, das größte deutsche Schach-Open zu veranstalten.

Der Hingucker: EnBW-Kraftwerk Altbach/Deizisau
Der Hingucker: EnBW-Kraftwerk Altbach/Deizisau

Getreu dem Motto von Gottlieb Daimler: „Das Beste oder nichts!“, habe ich mich deshalb nach 11 Jahren Turnier-Abstinenz bereits Ende Januar für das Open angemeldet. Ich habe es nicht bereut. Rund 750 Schachfreunde haben am Open, das nach Leistungsstärke in drei Gruppen aufgeteilt war, teilgenommen. Es war eine logistische Meisterleistung des Veranstalters. Alles lief unaufgeregt und professionell. Das begann im Vorfeld mit der Vermittlung von günstigen Hotelzimmern. Der sonst übliche Übernachtungspreis wurde einheitlich auf etwa die Hälfte (40 Euro) reduziert. Hinzu kam ein unentgeltlicher Shuttle-Service zwischen den Hotels und dem Spiellokal, den man mehrmals am Tag in Anspruch nehmen konnte. Die meisten Hotels liegen über 7 km entfernt in Esslingen. Zu weit für einen Fußmarsch und mit der S-Bahn waren zweimal 20 Gehminuten zu bewältigen.

Die Gemeindehalle (Spielstätte für die Bretter 1-70)
Die Gemeindehalle (Spielstätte für die Bretter 1-70)
Die Sporthalle nebenan (Spielstätte fürs Fußvolk)
Die Sporthalle nebenan (Spielstätte fürs Fußvolk)
Blick in die Gemeindehalle (Die Bretter sind zur 6. Runde freigegeben)
Blick in die Gemeindehalle (Die Bretter sind zur 6. Runde freigegeben)
Viel Platz in der großen Sporthalle für den Rest des A-Open sowie für das B- und C-Open
Viel Platz in der großen Sporthalle für den Rest des A-Open sowie für das B- und C-Open

Der Vater des Turniermanagers war einer der Fahrer, die uns ehrenamtlich kutschierten. Von Schach hat er keine Ahnung, aber seit 18 Jahren ist er stets einer der unentbehrlichen Helfer. Vorher und nachher gibt es eine Menge zu tun. Allein die etwa 1.500 m² große Sporthalle muss jedes Mal mit einem Teppichboden belegt werden. Abgesehen von der permanenten Verpflegung mit belegten Brötchen, Kaffee und Kuchen gab es einen günstigen Mittagstisch, der für die vielen hungrigen Mäuler aus der Küche des Gemeindesaals gezaubert wurde. An den ersten 70 Brettern wurde im Gemeindesaal gespielt, der Rest war in der Sporthalle aktiv.

9 Runden in viereinhalb Tagen zu spielen ist kein Pappenstiel. Es war aber nicht so anstrengend, wie ich befürchtet hatte. Allein die Warterei zwischen der Runde am Vormittag und der am Nachmittag war nervig. Hier zeigt sich der Nachteil von Deizisau. Hier ist nämlich der Hund verfroren. Für ein Familienleben ist das okay, aber für Touristen gibt’s nur wenig zu sehen. Am Ostermontag, zwischen der 8. und 9. Runde, habe ich einen Spaziergang auf den Berg gemacht, an den sich der Ort anschmiegt. Als ich oben war, hatte ich apokalyptische Gefühle. Ich befand mich inmitten von Streuobstwiesen, die gerade in Blüte stehen. Sieht so der Himmel aus? Die Blicke nach unten, nach rechts, nach links und nach oben hatten etwas Beängstigendes. Häuser wohin man schaut. Kaum ein Berghang wurde ausgelassen. Unten der Neckar, eigentlich idyllisch, wären da nicht die mächtigen Schornsteine des Kraftwerks auf der Neckarinsel. Parallel zum Neckar verläuft die Bahnstrecke, auf der S-Bahnen, Regionalbahnen, ICEs und Güterzüge entlangrauschen, auf der anderen Seite eine autobahnähnliche Schnellstraße, auf der sich unentwegt Autos hin und her bewegen. Und oben? Im Minutentakt setzen Flugzeuge zum Landeanflug auf den Stuttgarter Flughafen an. Die Deizisauer werden das dumpfe Dröhnen vermutlich nicht mehr hören. Aber ist unser Preis für diese Art der Zivilisation nicht zu hoch? Ihr müsst mal über Google-Earth von Stuttgart aus den Neckar verfolgen. Fast nahtlos gehen die Orte bis zur Quelle ineinander über. Im Wechsel befinden sich Wohnhäuser, Industriegebiete, Baumärkte und Discounter.

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ist ein großer Artikel dem fränkischen Kabarettisten Matthias Egersdörfer gewidmet. Auf die Frage, was für die Menschen wirklich wichtig sei, antwortet er: „Geschlechtsverkehr, Essen, Verdauung.“ „Der Mann hat keine Ahnung“, sage ich, „offenbar hat er noch nie eine Schachpartie gewonnen. Ein Sieg und alles andere wird nebensächlich!“ Meine Glücksmomente hielten sich in Grenzen. Ich gewann dreimal, verlor viermal und spielte zweimal Remis. Meine erste Partie am Donnerstagabend war die spannendste. Die will ich euch anschließend zeigen. Die Partie hätte ich auch verlieren können. Manchmal liegen Sieg und Niederlage verdammt eng beieinander. Über den Rest decke ich den Mantel des Schweigens, wobei mir von den vier Nullen nur eine plausibel erscheint. Mal sehen, ob meine Analysen hilfreich sein werden, die Ursachen aufzudecken.

Das Turnier gewann der tschechische Großmeister Viktor Laznicka (Jahrgang 1988) mit 8 aus 9 Punkten (!) vor Kacper Piorun (Polen) und Andrey Vovk (Ukraine) beide Jahrgang 1991. Also eine klare Sache für die Jugend. Vorjahressieger Richard Rapport (Ungarn) Jahrgang 1996 wurde Vierter. Deutschlands Nummer 1, Arkadij Naiditsch, musste sich mit dem 9. Platz zufrieden geben. Er gehört mit seinen 29 Jahren schon zum alten Eisen. Alle Ergebnisse findet ihr auf der hervorragenden Webseite des Veranstalters:
http://www.neckar-open.de/index.php/de/

Begeistert bin ich von der Stadt Esslingen. Bislang kannte ich nur deren Namen. Dass es sich dabei um eine stolze, mittelalterliche Reichsstadt handelt, die über eine Vielzahl historischer Bauten verfügt, und zugleich ein bedeutender Wirtschafts- und Bildungsstandort mit 88.000 Einwohnern ist, habe ich nicht gewusst. Deshalb werdet ihr im Anhang eine Fotoserie finden, die etwas von dem Flair vermittelt. Ein Blick von heute Morgen auf Stuttgart 21 gehört dazu. Schließlich macht eine solche Schachreise nur Sinn, wenn etwas vom Zielort haften bleibt. Sonst könnten wir auch vorm heimischen PC mit virtuellen Gegnern auf Chessplay spielen.

Wie geht’s mit mir weiter? In einer Woche werde ich Rentner. Dann eröffnet meine Tochter mit dem Papst eine Herren-Boutique in Wuppertal. Und ich mache den Peer. Beidhändig. Worauf ihr euch verlassen könnt.

Streich, Gerhard (2151) - Hofmann, Frank (1892) SK Lauffen [E69]
18. Neckar-Open (1), 17.04.2014

1.Sf3 Sf6 2.d4 g6 3.c4 Lg7 4.Sc3 d6 5.g3 c6 6.Lg2 Sbd7 7.0-0 0-0 8.e4 Dc7 9.h3 e5 10.d5 Sc5 11.Se1 a5 12.Sd3 Sfd7 13.Le3 Sxd3 14.Dxd3 f5?! Naheliegend, aber fragwürdig. Schwarz hat die folgende Kombination nicht gesehen.
Streich-Hofmann 14. Zug15.exf5 gxf5 16.dxc6 bxc6 17.Sb5 Alles andere wäre Feigheit. Schwarz ist gezwungen, die Qualität zu geben, weil sonst der Bauer d6 fällt. Mir war bewusst, dass das schwarze Gegenspiel gefährlich werden kann. 17…cxb5 18.Lxa8 f4! 19.gxf4 Vermutlich war das Schlagen auf  f4 falsch. Vorsichtiger war 19. Ld2. Aber die Stellung ist hochkompliziert. 19…exf4 20.Ld4 Se5! 20… bxc4 wird mit 21. Ld5+ nebst Dxc4 beantwortet. 21.Lxe5 Lxe5 22.cxb5? Wenn Schwarz jetzt die Nerven behält, steht er auf Gewinn. 22…Kh8? Die Prophylaxe führt ins Verderben. Stattdessen hätte er mich mit 22… Dg7+ 23. Kh1 Dh6 vor unlösbare Probleme gestellt. 23.Tac1 Dg7+ 24.Kh1 Dh6 Zu spät. Jetzt kann ich die Qualität vorteilhaft zurückgeben. 
Streich-Hofmann 24. Zug25.Txc8! Txc8 26.Ld5! Nimmt das Feld g8 ins Visier. 26…Lxb2 Hofft auf Tc3 mit Angriff auf h3. Aber ich bin schneller. 27.Tg1 Lg7 Deckt das drohende Matt auf g8. Mein folgender Zug ist der Hammer. 28.Df5! 
Streich-Hofmann 28. Zug28… Tb8 Was sonst? Auf 28… Tc3 folgt 29. Df8+ Lxf8 30. Tg8++ und 28… Tf8 scheitert an 29. Dxf8+. 29.b6 Der Matchwinner. Der Turm ist an die 8. Reihe gefesselt. 29…Df6 30.Dxf6 Auch 30. Dd7 hätte gewonnen. 30…Lxf6 31.b7 Lg7 Verkürzt das Leiden. Mit 31… Ld4 32. Tc1 La7 hätte Schwarz noch eine Weile zappeln können. 32.Tc1 1-0

Der Blog oder das Blog?

Ein unbekannter Schachfreund hat uns in der vergangenen Woche einen Kommentar mit folgendem Inhalt geschickt:

Das heißt: „das Blog“, nicht „der“ !!!!

Erst habe ich mich gefragt, was uns der Künstler mit den 4 Ausrufezeichen sagen will, dann klickte es bei mir. Er rügt unsere Headline:

Der Blog für Mitglieder und zukünftige Schachfreunde

Headline ist auch so ein Fremdwort wie Blog. Da kann man beim Genus (nicht: Genuss) schon mal ins Schwanken geraten. Der Duden kennt das. Heißt es nun der oder das Zölibat? Der oder das Joghurt? Der oder das Schlamassel? Beide Artikel sind jeweils erlaubt; favorisiert wird einer.

So verhält es sich auch bei „Blog“. Wikipedia lehrt uns: das Blog (auch: der Blog). Der Duden, der als Hüter der Deutschen Sprache bereits vor Jahrzehnten kapituliert hat, lehrt uns ebenfalls: das auch der Blog. Erst im Jahr 2006 wurde das Wort erstmals im Rechtschreibduden erwähnt. Damit gehört es in der Geschichte der Etymologie zu den Vorläufern von „Vollpfosten“, dessen Ritterschlag der Duden jüngst präsentierte. Pikanterweise werden auf Duden-Online auch die im Alphabet vor Blog und danach platzierten Wörter angezeigt. Die davor lauten: „Blödling, Blödmann, Blödsinn, blödsinnig und Blödsinnigkeit“. Ein Nachläufer ist: „blöken“. Das erklärt so manches…

Was heißt das nun für die stets auf „Political Correctness“ bedachten Schachfreunde Hannover? Der Schachfreund mit den 4 Ausrufezeichen hat nicht ganz Unrecht. Das Blog wäre die Hauptvariante; klingt aber irgendwie fremd. Deshalb empfehle ich, den Artikel einfach wegzulassen:

Blog für Mitglieder und zukünftige Schachfreunde

Eure Einwände vor Augen kann ich mich auch damit nicht zufrieden geben, weil eine Heerschar unserer Blog-Leser unerwähnt bliebe. Deshalb mache ich folgenden Verbesserungsvorschlag:

Blog für Mitglieder und erwartungsfrohe, von unzähligen Niederlagen zermarterte Schachfreunde, die sich bei geistreichen Beiträgen und Kommentaren entspannen wollen.

Ergänzung am 07.05.14

Passend zum Thema hat uns IM Dr. Helmut Reefschläger folgenden Artikel aus der HÖRZU vom 4. März 1996 geschickt. Ich hoffe, ihr könnt ihn lesen. In meinem aktuellen Kommentar findet ihr die Erklärung.

Helmut Reefschläger

Gestern wurde IM Dr. Helmut Reefschläger 70 Jahre alt. In den Jahren 1974, 1976, 1977 und 1978 wurde Helmut Niedersächsischer Landesmeister. Diese Titelgewinne fielen zusammen mit meiner Sturm-und-Drang-Zeit. Als diese mit meinem Eintritt ins Eheleben endete, verließ Helmut für immer die Norddeutsche Tiefebene. Anfang der achtziger Jahre gehörte Helmut zu den besten deutschen Schachspielern. In den ersten Jahren der Bundesliga war er einer der erfolgreichsten Einzelspieler, wodurch er mehrmals in der Nationalmannschaft eingesetzt wurde.

Dieses von mir beschriebene Zeitfenster vor 35 bis 40 Jahren war durch viele gemeinsame Aktivitäten zwischen Helmut, unserem Verein und mir geprägt. Helmut wohnte damals in Wieren bei Uelzen. Mitglied war er zu der Zeit beim HSK, dessen Spielabende er aber nur selten aufsuchte. Die waren ihm zu spießig. Viel lieber kam er zu den Schachfreunden Hannover in den Raschplatz-Pavillon. Regelmäßig nahm er an unseren Monatsblitzturnieren teil. Eine Original-Tabelle habe ich herausgesucht. Bei dem Turnier gewann Helmut vor Bahe (was ist aus dem geworden?) und Manfred Heilemann (Horst-Peter und ich hatten zugunsten anderer verzichtet). 

Monatsblitzen SF Hannover - Ende der siebziger Jahre im Raschplatzpavillon
Monatsblitzen SF Hannover – Ende der siebziger Jahre im Raschplatzpavillon

Helmut nahm also freitags den weiten Weg von Wieren nach Hannover auf sich, weil er sich bei uns wohlfühlte. Die Abende endeten nie mit einem Blitzturnier, sondern fanden ihre Fortsetzung in trauter Runde beim Doppelkopf. Unsere Stammkneipe war der „Schwarze Husar“ hinter dem Vahrenwalder Freizeitheim. Besonders beliebt waren Pflichtsoli. Kennt ihr die? Es wird zunächst die Höhe eines „Topfes“ festgelegt, z.B. 50 Punkte. Dieser Topf verringert sich um die Punktezahl, die jeweils bei normalen Spielen anfallen. Mit der Zeit leert sich der Topf. Es kommt darauf an, dass jeder Spieler die vier Pflichtsoli möglichst dann spielt, wenn er geeignete Karten hat. Pflichtsoli waren Bubensolo, Damensolo, Bubendamensolo und Farbensolo. War der Topf leer, wurde man „vorgeführt“, d.h. man musste ein Solo spielen, auch wenn die Karten ganz und gar nicht danach waren. Das konnte zu hohen Verlusten führen. Noch heftiger wurde es, wenn es einem Doppelkopfspieler gelang, nach dem Pflichtsolo das gleiche Solo zu gewinnen. Dann mussten die anderen nachziehen. Das heißt, aus den vier Pflichtsoli konnten schon mal acht und mehr werden. Wir spielten pro Punkt um eine Mark. Ein verlorenes Solo konnte nach einem Kontra bis zu dreißig Mark kosten. Aber richtig schmerzhaft wurde es selten. Gewinne und Verluste über 100 DM waren die Ausnahme. 

Gegen Mitternacht rief der Wirt regelmäßig lauthals durch die Kneipe: „Feierabend. Auch der Gast macht sich strafbar!“ Damit hatte er seine Schuldigkeit getan. Es wurde weitergespielt, bis es hell wurde. – Wir waren damals im positiven Sinne eine Clique. Horst-Peter gehörte zum erweiterten Kreis, soweit es sein Studium zuließ. Ich habe nicht einmal erlebt, dass Helmut ungehalten bzw. unangenehm wurde. Sein Charme war ansteckend. Wenn’s beim Kartenspielen um Geld geht, kann man übrigens am besten den Charakter eines Menschen erkennen. 

Helmut war damals frisch verheiratet. Seine Ehe hielt nicht lange. Mit Frauen konnte (und kann?!) Helmut indessen etwas anfangen. Aber ein bürgerliches Eheleben war nichts für ihn. Otto Borik nannte ihn in seinem Schachmagazin einmal einen „Bohemien“, womit er meines Erachtens den Nagel auf den Kopf traf. – Helmut hat ein Musikgymnasium besucht, das offenbar seine Feinfühligkeit geprägt hat. Ich kann mich entsinnen, dass er einmal über GM Ralf Lau schimpfte, weil der ihn mit lauter Rockmusik nervte. Seinen Doktortitel hat Helmut in Mathematik errungen. Die Dissertation bestand lediglich aus rund 50 Seiten, was Horst-Peter ein kleines Lästern entlockte. Dass man bei Doktorarbeiten abgesehen von den aktuellen Plagiatsfällen von jeher leicht ins Fettnäpfchen treten kann, wurde uns von Arthur Schopenhauer überliefert. „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ lautete seine Doktorarbeit, die mit magna cum laude prämiert wurde. Als Arthur diese Arbeit seiner Mutter zeigte, meinte die nur spöttisch: „Das ist wohl etwas für Apotheker“, und legte die Schrift ungelesen aus der Hand. Daraufhin wandte sich Arthur von ihr ab, ließ sie mit Johann Wolfgang von Goethe allein und sah sie nie wieder, obwohl sie noch 24 Jahre lebte. 

Helmut Reefschläger habe ich seit 1996 nicht mehr gesehen, als wir gemeinsam am Casino-Open in Velden teilgenommen haben. Vielleicht begegne ich ihm wieder bei dem Turnier, das ich über Ostern spielen werde. Das würde mich freuen. Helmut ist einer der unterhaltsamsten Schachspieler Deutschlands. Davon zeugt dieser Artikel aus der „Rochade Kuppenheim“, der zu Ehren seines siebzigsten Geburtstags geschrieben wurde: http://www.rochade-kuppenheim.de/eloquenter-mathematiker/

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Ergänzung am 4. Dezember 2015 (siehe Kommentar)

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Ergänzung am 8. April 2017 (siehe Kommentar)

Helmut-Reefschläger

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Ergänzung am 10. Dezember 2015 (siehe Kommentar)

 Niedersächsische Landesmeisterschaft 1977 in Wolfenbüttel

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