Satzungsänderung

Als Edgar Braun Mitte der Achtzigerjahre unserem Schachverein beitreten wollte, fragte er nach unserer Satzung. Wir guckten uns verdutzt an. „Satzung!? Sowas haben wir nicht!“ Über drei Jahrzehnte gehörten wir zu den stärksten niedersächsischen Schachvereinen, wurden mehrmals Landesmeister im Turnier- und Blitzschach. Schachspielen ohne Satzung – heutzutage undenkbar!

Zur damaligen Zeit galt das etwa für die Hälfte der niedersächsischen Schachvereine. Die hatten nämlich kein e.V. hinter ihrem Vereinsnamen. Damit war Schluss, als der NSV dem Landessportbund Niedersachsen beitrat. Die Folge: entweder wandeln sich die Schachklubs vom „nicht eingetragenen Verein“ in einen „eingetragenen Verein“ oder sie werden vom Spielbetrieb ausgeschlossen.

Diese Metamorphose fiel ausgerechnet in meine Amtszeit als 1. Vorsitzender. Es war eine zähe Angelegenheit. Die Rechtspflegerin der Landeshauptstadt Hannover schrieb unserem Notar einen langen Brief und verlangte hier und da formelle Änderungen. Kleinkram bis auf diesen Absatz:

Hä? Schachfreunde in Hannover? Unser Vereinsname war nicht neu, sondern etabliert, nachdem wir uns von der Peripherie Hannovers (Stadtteil Badenstedt) verabschiedet hatten. Überzeugungsarbeit war notwendig. Die Rechtspflegerin lenkte ein, und wir durften fürderhin mit Stolz als Hannoveraner antreten. Damit ist in diesen Tagen Schluss.

Die Fusion mit dem SK Ricklingen hat eine Namensänderung zufolge, die natürlich eine Satzungsänderung bedingt. Das dauert. Die Umsetzung ist nichts für Feingeister. Ein bisschen Schadenfreude kann ich mir nicht verkneifen. Die Geister, die die Bürokraten riefen, haben Deutschland und den Deutschen Schachbund fest im Griff.

Wie der neue Name im Detail lauten soll, ist mir nicht bekannt. Vorsichtshalber haben die Ricklinger ihren alten Vereinsnamen für die Oberliga Nord-West bei Jürgen Kohlstädt gemeldet. Von einer „Verzwergung“ (Stadtteil statt Großstadt) ist auszugehen.

Nachdem Edgar Braun Mitglied geworden war, hat er nie wieder nach der Satzung gefragt. Seiner Leidenschaft fürs Schachspiel tat das keinen Abbruch.

TUNGSRAM-Schachfestival 1980 in Baden/Wien

Zu Pfingsten vor einem Jahr erntete Dennie Wiener Lorbeeren. Vor 40 Jahren stand ich vor dem Wiener Riesenrad im Prater und fror. Meine gelbe Jacke war zu dünn. Ich hatte mit meiner Frau einen Ausflug nach Wien gemacht. Ansonsten befanden wir uns in Baden anlässlich eines Schachfestivals der Extraklasse. Baden sei eine Schachstadt mit Tradition, steht im Programmheft von 1980. Dr. Dr. W. Dorazil begann seine Hommage mit folgenden Worten:

Baden ist nicht nur eine Stadt in einer lieblichen Landschaft mit vielen Wäldern und ihren klimatischen Vorzügen, ein Kurort, der durch seine Thermalbäder als solcher in der ganzen Welt ob seiner spezifischen Heilkräfte beliebt und geschätzt ist, ein Weinort, dem großes Interesse entgegengebracht wird und schließlich – last not least – eine Theaterstadt, die besonders durch ihre Freilichtaufführungen im Sommer kulturell wertvolle Arbeit leistet, nein, sie ist auch eine Schachstadt par excellence!

Das Schachfestival bestand aus drei Turnieren: einem Großmeisterturnier, einem Meisterturnier und einem Offenen Turnier. Das GM-Turnier gewann Boris Spasski punktgleich mit Alexander Beljawski. Wer darüber hinaus teilnahm, könnt ihr über 365chess  nachvollziehen und sämtliche Partien nachspielen. Ich spielte mit mittelmäßigem Erfolg im Open. Meine beste Partie war das Remis gegen Österreichs Schachlegende IM Dr. Andreas Dückstein. Den Partieverlauf habe ich euch bereits 2013 gezeigt. Bemerkenswert war die Teilnahme von Josef Klinger (Jahrgang 1967). Josef, Spitzname Pepi, war Österreichs größtes Schachtalent der Achtzigerjahre. Zehn Jahre später beendete er seine Schachkarriere und wurde Poker-Profi. Das brachte ihm eine Gewinnsumme von über 1,7 Mio $ ein. Dafür musst du als Schachspieler lange stricken. Als schmächtiges Kerlchen von 13 Jahren war er inmitten von gestandenen Schachspielern ein Hingucker. Heutzutage gehören spielstarke Kinder in Schachturnieren zum Alltag.

Einen Nachruf hat der Veranstalter verdient: TUNGSRAM AUSTRIA Aktiengesellschaft. Seit ihrem Gründungsjahr 1891 sei sie nicht nur die älteste Glühlampenfabrik Österreichs, sondern eine der ältesten der Welt. Pro Tag werden 100.000 Glühlampen mit hohem Standard von 400 Mitarbeitern gefertigt. Das Unternehmen dürfe im geschäftlichen Verkehr das österreichische Staatswappen führen. Diese besondere Auszeichnung werde nur hochqualifizierten Betrieben verliehen. Das und noch viel mehr steht im Programmheft. – Zehn Jahre später gingen für immer die Lichter aus.

Im Programmheft hatte auch der Humor seinen Platz. Diesen Witz kennen wir alle:

„Meine Frau hat gesagt, sie lässt sich scheiden, wenn ich nicht endgültig das Schachspielen aufgebe!“ „Das ist ja scheußlich!“ „Ja, freilich, ich werde meine Frau wirklich sehr vermissen!“

Meine Frau muss ich bis heute nicht vermissen. Als wir gemeinsam in Baden waren, lag unsere Eheschließung gerade 10 Monate zurück. Was lehrt uns das? Auf die richtige Dosis kommt es an. Und auf die richtige Frau!

Die Zerstörung des DSB 3.0

Heute feiern wir 30 Jahre Deutsche Einheit. Ein Punkt zwischen den beiden Ziffern und wir haben das Update der Selbstzerstörung im Deutschen Schachbund: 3.0. Ein wichtiger Funktionsträger wird demnächst zurücktreten. Er hat die Faxen dicke. Den längst überfälligen Rücktritt von Andreas Scheuer meine ich nicht. Nein, es ist jemand, der seinen Aufgaben durchaus gewachsen ist. Mehr verrate ich jetzt nicht. Den DSB wird in Kürze ein Beben heimsuchen. Ich erwarte eine Stärke von >5,0 auf der nach oben offenen Krauseskala.

Streichresultat: Der Braunschweiger Löwe

Wir in Potsdam

Ein rauschendes Bürgerfest findet nicht statt. Dabei sollte das 30. Jahr der Deutschen Einheit gebührend gefeiert werden. Corona hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam hat sich deshalb für eine weiträumige Ausstellung unter freiem Himmel entschieden. Das Motto lautet: „30 Jahre – 30 Tage – 30 x Deutschland“. Die Geburtstagsfeier begann am 5. September und endet am 4. Oktober. Am Montag, dem 14. September, nutzte ich den Ruhetag der Tour de France für einen Ausflug mit der Bahn nach Potsdam. Ich war begeistert. Und das lag nicht nur am Kaiserwetter.

Luisenplatz mit Personalpronomen in Schwarz-Rot-Gold

Potsdam ist eine wunderschöne Stadt. Obwohl ich in meinem Leben schätzungsweise 50 Mal in Berlin war, hatte sich ein Aufenthalt in Potsdam nie ergeben. Dabei ist Brandenburgs Landeshauptstadt nicht weit weg. „Da kannste hinspucken“, würde der Berliner sagen. Natürlich kannte ich Sanssouci und dieses und jenes von dort, aber der persönliche Eindruck hat meine Erwartungen getoppt. Wasser, Parks und historische Gebäude bilden ein Ensemble, das seinesgleichen sucht.

Brandenburger Tor
Alter Markt mit Potsdam-Museum im Hintergrund und Glasreiniger im Vordergrund

In der Innenstadt sind 30 Container verteilt, die einem Bundesland oder einem Thema zugeordnet sind. In Niedersachsens Container steht das bunte Pferd, das mir schon im Foyer des Niedersächsischen Landtags begegnet war. Ob die Zurschaustellung artgerecht ist, lasse ich im Raume (Container) stehen.

Niedersachsen-Ross von vorn in Potsdam
Niedersachsen-Ross von hinten in Hannover

Die Spielgemeinschaft des Niedersächsischen Schachverbands mit dem Landesschachbund Bremen verpflichtet zu einem Blick in dessen Container. Eine Ehrung von Carl Carls suchte ich vergeblich, dafür durften die Bremer Stadtmusikanten nicht fehlen.

Zwei Städte. Ein Land: Bremer Container

Die meiste Zeit habe ich im Park Sanssouci verbracht. Der ist 300 ha groß. Zum Vergleich: die Herrenhäuser Gärten in Hannover haben eine Größe von 50 ha. Im Park Sanssouci gibt es nicht nur das weltberühmte Schloss mit den vorgelagerten Terrassen, sondern jede Menge Bauwerke, die einst dem feudalen Lustwandeln dienten.

Weltkulturerbe: Schloss Sanssouci

Ein güldenes Schachspiel konnte ich nicht entdecken, jedoch eine güldene Teeparty am Chinesischen Pavillon. Potsdam bietet ein Füllhorn von Motiven. Am besten macht ihr euch – falls noch nicht geschehen – selbst ein Bild davon. Die Einheitsfeier kann dafür der Anlass sein. Die Älteren unter euch werden sich an die Einheitsfeier 2014 in Hannover erinnern. Dort wurde Simulationsschach (oder so ähnlich) geboten. Das Motto war zeitlos: Wahnsinn!

Chinesischer Pavillon im Park Sanssouci
Park Sanssouci – Bogenschütze vor der Orangerie (rechts in Hannover)

26. August 1950 – Ein Datum mit Wumms!

Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs trafen sich 15 Männer in einem Stadtteil am Rande Hannovers und gründeten einen Verein. Es war eine Zeit des Aufbruchs, wenngleich der Motor der sozialen Marktwirtschaft noch stotterte. Die Arbeitslosenquote lag bei 13,5 %. Hohe Preise dämpften die Konjunktur. Die Rationierung von Lebensmitteln war zwar beendet worden, aber es fehlte den Leuten an Geld zum Kaufen. Hilfe kam aus Amerika in Form des Marshallplans. Währenddessen durften sich junge Leute auf dem Parkett austoben. Der Boogie-Woogie war über den Großen Teich geschwappt. Wer konnte, tanzte ihn mit Überschlag. Der Vatikan war entsetzt und warnte vor sittlichen Gefahren. – Ich war ein Jahr alt.

Die Zeit war reif für die Wiederbelebung von Sport und Spiel. Schach galt damals als spießig. Nichtsdestotrotz hatte Alfred Freiberg in die Badenstedter Bierstuben eingeladen. Es wurde nicht irgendein Schachverein gegründet, nein, ein Schachverein mit Wumms würde unser Vizekanzler sagen: die Schachfreunde Badenstedt. Das Gründungsdatum ist in unserer notariell beglaubigten Satzung vom 11.4.1988 dokumentiert:

Die Besetzung der Vorstandsposten war 1950 kein Problem:

1. Vorsitzender: Walter Keller
2. Vorsitzender: Otto Quessel
Spielleiter: Alfred Freiberg
Kassierer: Wolfgang Seidel
Schriftführer: Heini Jung

Richard Haera wurde 1951 erster Vereinsmeister. 1957 ging es erstmals um die Blitzmeisterschaft, die von Heinz Johann gewonnen wurde. Heinz Johann war die Seele des Vereins. Sein Friseursalon war Kontaktbörse und Rekrutierungsstelle für die Schachfreunde Badenstedt und letztlich mein Schicksal. Ohne ihn wäre das Schachspiel für mich eine Randnotiz geworden. Heinz Johann starb Ende der Sechzigerjahre. Ihm zu Ehren wurde ein Gedenkturnier veranstaltet.

Vom Vorstand der ersten Stunde habe ich lediglich Heini Jung (Jahrgang 1915) kennengelernt. Heini war ein liebenswertes Unikum. Er kam jahrzehntelang regelmäßig zu den Vereinsabenden, die er stets mit einer Skatrunde seiner Altersgenossen beendete. – Die Erfolge stellten sich rasch ein. Ein Beleg dafür ist diese schöne Urkunde aus dem Jahr 1951:

15 Jahre später, am 12. September 1965, – ich war ein Jahr zuvor Mitglied geworden –, gab es ein Stiftungsfest wiederum in den Badenstedter Bierstuben. In der Festschrift heißt es u.a.:

„Die noch anfänglich im kleinen Kreis ausgetragenen Turniere lockten nach und nach immer mehr Anhänger des Schachspiels heran, und so wuchs die Mitgliederzahl ständig. Auch jugendliche Interessenten konnten gewonnen werden, so daß eine Jugendgruppe ins Leben gerufen wurde. Schachfreund Karl Waldhof gründete ein Jahr später die Unterabteilung Empelde. Der Reiz, sich auch mit anderen Vereinen in der Spielstärke zu messen, schuf bald engen Kontakt mit anderen Schachklubs. Insbesondere seien die Schachvereine Ricklingen und Limmer genannt, die uns in der ersten Zeit durch Ausleihen von Spielen unterstützten. Auch der Niedersächsische Schachverband, vertreten durch den Verbandsschriftführer Meyer, half uns in organisatorischen Fragen.“

Die Chronik endet mit den Worten:

„Mit Freude und Stolz können wir auf die verflossenen 15 Jahre zurückblicken. Wir wollen uns bemühen, das bisher Erreichte nicht nur zu erhalten, sondern mit Hilfe aller Mitglieder noch verbessern.“

Das gelang tatsächlich. Die Schachfreunde Badenstedt wurden einer der stärksten Schachvereine Niedersachsens. Ich durfte die Blütezeit miterleben. Unsere 1. Mannschaft wurde mehrmals Niedersachsenmeister sowohl im Turnierschach als auch im Blitzschach. Das bescherte uns auch in dem lokalen Anzeigenblatt „FÜR DICH“ wiederholt Aufmerksamkeit; z.B. am 31. Juli 1977:

Ein Jahr später, am 13. Januar 1978, war es mit dem Bezug zum Stadtteil Badenstedt vorbei. Wir nannten uns offiziell Schachfreunde Hannover. Das war folgerichtig und für mich kein Anlass zu Wehmut, wenngleich ich in Badenstedt aufgewachsen bin.

Wehmut ist das Stichwort. Mit dem heutigen Tag bestehen die Schachfreunde Badenstedt genau 70 Jahre. Der Name hat sich geändert. Die Identität nicht. Oder!? Wir kokettieren damit, der „etwas andere Schachverein in Hannover“ zu sein. Wie lange noch? Manchmal gucke ich mir die Mitgliederlisten aus vergangenen Zeiten an. Wer hat nicht alles dazu gehört!? Fast alle sind aus unterschiedlichen Gründen verschwunden. Viele sind verstorben. An die meisten Ex-Mitglieder kann ich mich erinnern. Einige haben mein Leben geprägt. Und nun? Was wird aus dem Verein? Ich weiß es nicht. Alles hat seine Zeit.

Außerordentliche Mitgliederversammlung am 14. Oktober 1965

Siehe Kommentar vom 30. August 2020

19:40 Uhr, Schfr. Domeyer eröffnet als Vorsitzender die Versammlung.

Schfr. D.: Fragen an den Spielleiter: Wer ist nach den Statuten spielberechtigt? Muss man sich für die Mannschaftsaufstellung qualifizieren?

Schfr. Domeyer: Grundsätzlich für Qualifikation, aber wegen Zeit, Beruf usw. könnten sich 50 % nicht qualifizieren.

Schfr. Johann: Aufnahme von Schfr. K. Sache des Kassierers, unbekannt ob Antrag gestellt wurde. Schfr. K. hat aber am Vereinsturnier teilgenommen, auch Blitzturnier für Badenstedt gespielt.

(Folgt Diskussion ob Mitgliedschaft beantragt oder angetragen werden soll)

Schfr. Domeyer: Habe Kassierer gebeten, die Neuen aufzunehmen.

Schfr. B.: Vierteljahr warten mit Aufnahme, wissen nicht, wer bleibt.

Schfr. Domeyer: Nichts in den Statuten darüber.

Schfr. Brunotte: Wer aus der 2. Mannschaft will denn in die 1.?

Schfr. D. dringt auf Antwort seiner 2. Frage durch Spielleiter.

Schfr. Johann nimmt Stellung dazu (Manuskript liegt vor).

Schfr. Domeyer: Vorschlag zu dieser Stellungnahme abzustimmen.

Schfr. K.: Mein Schreiben in keinem Punkt widerlegt.

Schfr. H.T.: Wer fühlt sich benachteiligt?

Schfr. F.: Was war der Grund für dieses Schreiben?

Schfr. K.: Weiß nicht, warum Vorwürfe. Bin 14 Jahre im Verein, noch kein Spielleiter besser als der jetzige.

Schfr. H.: Wer hat sich qualifiziert? Schfr. Johann oder Schfr. A.T., aber die haben verzichtet.

Schfr. H.T.: Schfr. B. ist besser als ich, auch Schfr. K. gut. Selbst beruflich überlastet, aber lieber Ersatz und stelle meinen Platz einem der beiden Neuen zur Verfügung.

Schfr. B.: Wie steht das Turnier?

Schfr. H.: 2.  Mannschaft wurde eher gemeldet und war veröffentlicht. Wer sich für die 2. aufgestellt sah, mußte gleich und nicht erst jetzt sagen, daß er lieber in der 1. spielen wollte.

Schfr. Jung: Immer die Besten in die 1. Mannschaft, wir sind nicht schlecht damit gefahren, soll so bleiben, sonst schneiden wir uns die Finger ab. […]

Schfr. Johann: Schfr. Br. muss trotzdem in die 1. Mannschaft.

Schfr. B.: Donnerstag wurden Neue eingesetzt, mich hat keiner gefragt. Warum nicht Neue in die 2. Mannschaft, wer Interesse hat, spielt auch da.

Schfr. Brunotte: Es geht mir nicht um 2 Mitglieder, sondern um 2 gute Spieler.

Schfr. Ha.: Prinzipiell nicht dafür, Neue in die 1. Mannschaft zu nehmen, müssen sich hochspielen. Auch in anderen Vereinen so gemacht, daher besser in die 2. Mannschaft melden, wenn sie auch als Ersatz in der 1. spielen. Aber in unserer Lage fehlen nun Spieler für die 1., daher unter den Umständen besser Neue für 1. melden. Wenn sie schlecht spielen, dann andere als Ersatz einsetzen. – Warum tagt nicht der Spielausschuß und berät?

Schfr. F.: Ausführungen von Schfr. Ha. zur Abstimmung bitte.

Schfr. B.: Warum wurden nicht andere gefragt?

Schfr. K.: Konnte Vereinsturnier aus beruflichen Gründen nicht fertigspielen.

Schfr.  De.: Ich auch nicht, spiele deshalb nur in der 3. Mannschaft.

Schfr. Johann: Wenn anders aufgestellt, Abstiegsgefahr für alle 3 Mannschaften.

Schfr. B.: Wenn einige sich absondern, sollen sie ihre Mannschaft selbst finanzieren. (Proteste)

Schfr. Johann: Schfr. B. hat auch schon mal nicht für die 3. Mannschaft gespielt, weil für 2. nicht aufgestellt.

Schfr. B.: Sind langjährige Mitglieder schlechter als Neue? 1. Mannschaft ist zu teuer, das ist Grund für Manko.

Schfr. Johann: Studenten zahlen weniger, wenn die in 2. Mannschaft spielen, dann hat diese eben Manko, – gleiches Resultat.

Schfr. Domeyer: Verschiedene Meinungen gehört, glaube es genügt. Zusammenfassung: Lage ist so, daß Mannschaften gemeldet sind, Nach- und Ummeldungen nicht statthaft. Entweder alles so lassen, was zu begrüßen wäre, oder die Meldungen zurückziehen.

Schfr. B.: Vorwurf, daß Meldungen ohne mein Wissen gegeben wurden. (Wird vom Vorsitzenden bestritten)

Schfr. H.: Warum hatte sich Schfr. K. nicht um die Aufstellung gekümmert?

Schfr. D.: Schfr. H. gehört nicht zum Spielausschuß, hatte nichts mit Aufstellung zu tun. Ich wurde nicht eingeladen zur Mannschaftsaufstellung, das ist mein einziger Vorwurf.

Schfr. Johann: Warum nicht ohnehin erschienen?

Schfr. Domeyer: Bis letzten Donnerstag 22 Uhr war nicht klar, ob die Neuen kommen, da war nichts mehr einzuladen.

Schfr. H.: Habe mich gekümmert auf Aufforderung des Spielleiters, sonst war ja niemand da.

Schfr. Domeyer: Nun abstimmen: Mannschaftsaufstellung – unter Außerachtlassung der Umstände der Aufstellung – lassen, und für nächste Saison daraus lernen und dann Spielleiter und Spielausschuß und Vorstand entscheiden lassen.

Schfr. B.: Besser formulieren: Mannschaften lassen oder zurückziehen.

Schfr. Domeyer: Abstimmung, das Getane genehmigen oder nicht. Nächstes Jahr wird dann verfahren wie eben gesagt.

Die Abstimmung durch Handaufheben ergab:

dafür 28
dagegen 1
enthalten 0

Schfr. Domeyer als Vorsitzender dankt den Mitgliedern fürs Aushalten und die Sachlichkeit und bittet, diese Diskussion nun als beendet zu betrachten. 20:50 Schluß der Versammlung.

gez. E.G. Herzog (aus besonderen Gründen bei dieser Versammlung als Schriftführer tätig)

Die Zerstörung des DSB 2.0

In 12 Tagen soll in Magdeburg der außerordentliche Bundeskongress des Deutschen Schachbundes stattfinden. Ganz sicher ist das nicht. Das Corona-Virus könnte etwas dagegen haben. Unter anderem ist nicht sicher, ob ein Tagungssaal in ausreichender Größe für alle Delegierten zur Verfügung steht.

Seit Ullrich Krause DSB-Präsident ist, jagt ein Zoff den nächsten. Selbstkritik: Fehlanzeige. Raj Tischbierek hat ihm in einem ausführlichen Interview, das in der August-Ausgabe der Deutschen Schachzeitung (Schach) veröffentlich wird, die Frage gestellt: „Gipfel, solide Finanzen, DSAM – drei Erfolgsgeschichten. Wie erklären Sie sich den Fakt, dass trotzdem nur negativ über den Schachbund diskutiert wird? Warum ist sein Image so schlecht?“ Ullrich Krause: „Diese Frage habe ich mir von Beginn an gestellt – seit ich vor drei Jahren zum Präsidenten gewählt wurde. Egal, was passierte, ich wurde erstmal kritisiert.“ […]

Lieber Ullrich, es ist eben nicht egal, was passiert. Dir fehlt das diplomatische Geschick. Dadurch hast du „Kriegsschauplätze“ ins Leben gerufen, die den Deutschen Schachbund schlecht aussehen lassen und einen Bruch mit der Deutschen Schachjugend provozieren. Du hast Rechtsstreitigkeiten vom Zaun gebrochen und verdiente Schachfreunde vor den Kopf gestoßen. Dein Verhalten gegenüber Franz Jittenmeier gehört dazu. Dein Bericht in der 271-seitigen Kongressbroschüre beginnt mit den Worten: „Für mich persönlich waren es wieder sehr arbeitsreiche neun Monate seit dem letzten Hauptausschuss.“ Demut sieht anders aus.

Wichtige Wahlen stehen nicht auf der Tagesordnung. Eigentlich. Niedersachsen und Baden haben gleichlautende Anträge für die Abwahl des Vizepräsidenten Boris Bruhn gestellt. Die bergen Zündstoff und das schon im Vorfeld. Die Anträge waren in der Kongressbroschüre zwei Einzelpersonen zugeschrieben, obwohl sie von den Landesverbänden gestellt wurden. War das ein redaktioneller Fehler oder bewusste Manipulation? Niedersachsens Vizepräsident, Jörg Tenninger, hat vehement protestiert; siehe Perlen vom Bodensee.

Professionalisierung sei das Zauberwort, lautet Ullrich Krauses Credo in dem Schach-Interview. Wir denken unwillkürlich an Goethes Zauberlehrling:

„Der Zauberlehrling ist überheblich und leidet an Selbstüberschätzung. Seiner Unerfahrenheit zum Trotz strebt er die Herrschaft über dämonische Kräfte an. Er scheitert – und das Chaos breitet sich aus. Erst das Eingreifen des erfahrenen und kompetenten Meisters kann die alte Ordnung wiederherstellen.“ (Quelle: der Zauberlehrling)

Möge ein erfahrener und kompetenter Meister das Chaos im Deutschen Schachbund beenden!

Otto-von-Guericke-Denkmal in Magdeburg

1985 – Abriss einer geplatzten Fusion

Das Jahr 1985 hatte es in sich: das „Vier-Bundesländer-Kind“ wurde geboren, das Bobbele gewann erstmals in Wimbledon, und der erste Minister der Grünen wurde vereidigt. Joschka Fischer in Turnschuhen und Jeans. In Hessen war’s. Die Schachfreunde Hannover waren 35 Jahre alt und hatten so etwas wie eine Midlife-Crisis. In solchen Fällen sehnt man sich nach einem Umbruch. Der sollte auf der Jahreshauptversammlung besiegelt werden.

Das Protokoll der Jahresversammlung vom 14. Juni 1985 hatte Erwin Kusche verfasst. Es umfasste 4 DIN-A4-Seiten und endete mit den Worten: „Die Unterzeichneten geloben außerhalb des Protokolls, nie wieder so viel über ein JHV zu schreiben!“

Unter TOP 2 gab es einen Abriss zur Vereinsgeschichte der letzten sieben Jahre. Ein Flop war der Einzug in das Clubhaus des TKH im August 1982:

„Unsere Hoffnungen trogen auf der ganzen Linie. Kein TKH-Mitglied zeigte sich am Schachspielen interessiert, die Restauration war meist geschlossen, unsere Jugend wurde als störend empfunden. Der schmucklose Raum wurde nicht renoviert. Die Sonntagsspiele wurden zum Problem, weil immer öfter der Hausmeister nicht kommen konnte oder ein zu hoher Stundenlohn verlangt wurde. Viel Unlust machte sich breit und erfasste auch den Vorstand.“

Es erfolgte der Umzug in das 100 m entfernt gelegene „Haus der Jugend“. Nichtsdestotrotz stand die Fusion mit dem SK Anderten auf der Tagesordnung. Der SK Anderten war 1922 gegründet und als ausgesprochener Arbeiterverein in der Nazi-Zeit verboten worden. Nach der Neugründung 1950 hatte der Verein besonders anfangs der 70er Jahre schöne Erfolge und gehörte zu den spielstärksten Vereinen im Bezirk. In den letzten vier Jahren war es jedoch trotz aller Bemühungen abwärtsgegangen. Die Fusion sollte beiden Vereinen die Aufstellungssorgen nehmen. Der Freitagsspielabend sollte im „Sporthaus am Kanal“ in Anderten stattfinden. Das Sporthaus liegt recht abgelegen und kann nur über einen beschrankten Bahnübergang erreicht werden. Der wurde unserem 1. Vorsitzenden, Dr. Hans Wiehler, einmal fasst zum Verhängnis, als sein Auto auf den Bahngleisen stehenblieb.

Die Fusion wurde nach hitziger Diskussion mit 16 Ja-, 4 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen. Der Jahresrückblick sah dann so aus:

„Trotz vieler Widerstände bis hin zu persönlichen Anfeindungen gelang es den Verantwortlichen schließlich, eine breite Mehrheit zumindest für ein Jahr Probezeit von diesem Vorhaben zu überzeugen, so daß zum 1. Juli 1985 durch Fusion die Schachfreunde Hannover-Anderten entstanden. Unsere Erwartungen wurden in der Folgezeit sowohl im Positiven wie im Negativen weit übertroffen.“

Ein Jahr später platzte die Fusion. Der NSV hatte aus formellen Gründen etwas dagegen. Die beiden Vereine hatten u.a. getrennte Kassen behalten. Das geht nun gar nicht. Fortan gingen der SK Anderten und die Schachfreunde Hannover getrennte Wege. Die wenigsten haben das bereut.

Jede Ähnlichkeit mit real existierenden und/oder geplanten Fusionen ist rein zufällig. Von zeitloser Gültigkeit ist jedoch folgender Mahnruf des damaligen Spielleiters, Werner Zoch, im Jahresrückblick von 1985:

„Ein Verein kann nur bestehen, wenn zumindest ein Großteil seiner Mitglieder aktiv mitarbeitet. Auf Mitglieder, deren Beitrag lediglich darin besteht, unregelmäßig (und oft erst nach mehrmaliger Aufforderung) an den Mannschaftskämpfen teilzunehmen, zu denen sie am liebsten noch von zu Hause abgeholt werden wollen, die noch unregelmäßiger ihre Vereinsbeiträge bezahlen, aber dafür hin und wieder mal eine Schachuhr mit nach Hause nehmen, die dann am Vereinsabend fehlt, können wir jedenfalls verzichten.“


Deutsche Schach-Online-Liga

Gestern war Meldeschluss für einen Versuch, die Corona-Auszeit mit Leben zu füllen. 176 Schachvereine haben 246 Mannschaften gemeldet, der Hamburger SK allein zehn. Vier Spieler gehören zu einer Mannschaft, sodass davon auszugehen ist, dass inklusive Ersatzspieler bis zu 2.000 Schachfreundinnen und Schachfreunde zum Einsatz kommen werden. Es ist ein Experiment mit unbekanntem Ausgang. Die Cheating-Versuchung ist bei einer Bedenkzeit von 45 Minuten plus 15 Sekunden pro Zug natürlich groß.

Grundsätzlich stehe ich dem Online-Schach skeptisch gegenüber. Es kann nur ein Lückenfüller und Zeitvertreib sein. Wettkämpfe um echte Meisterschaften kann es nicht ersetzen und das Spiel von Angesicht zu Angesicht schon gar nicht. Wenn das in absehbarer Zeit nicht mehr möglich ist, verliert das Schachspiel sein Ansehen in der Gesellschaft und damit viele organisierte Anhänger. Nichtsdestotrotz begrüße ich die Online-Liga, obwohl ich sie aus sportlicher Sicht für wertlos halte. Wenn man sich die Meldungen genauer ansieht, fällt auf, dass das Interesse von Titelträgern gering ist. Und so ist die Veranstaltung überwiegend für den Nachwuchs von Bedeutung. Die 1. Runde wird in der kommenden Woche ausgetragen. Wir dürfen besonders auf die Nebenwirkungen gespannt sein.

In Niedersachsen ist das Interesse der Schachvereine an der Online-Liga überschaubar. Damit wir deren Abschneiden besser verfolgen können, habe ich die gemeldeten, niedersächsischen Mannschaften herausgefiltert und den Bezirken zugeordnet. Die Zahl vor dem Vereinsnamen ist die derzeitige Rangliste anhand der DWZ. Der Hamelner SV hat für die 1. Mannschaft (18. Platz) offenbar seine Besten gemeldet. Der HSK Lister Turm fehlt trotz Beteiligung an der Quarantäne-Liga indessen komplett.

Schachbezirk 1 (5 Vereine/7 Mannschaften)
025. SK Rinteln I   DWZ 2128 = 1. Liga Gruppe A
162. SK Rinteln II   DWZ 1713 = 6. Liga Gruppe B
223. SK Rinteln III   DWZ 1326 = 8. Liga Gruppe C
060. SK Lehrte von 1919  DWZ 2004 = 2. Liga Gruppe D
066. SG Weiß-Blau Eilenriede   DWZ 1989 = 3. Liga Gruppe B
089. SF Barsinghausen   DWZ 1930 = 3. Liga Gruppe A
147. TuS Wunstorf   DWZ 1755 = 5. Liga Gruppe C

Schachbezirk 2 (2 Vereine/2 Mannschaften)
095. SC Braunschweig Gliesmarode   DWZ 1903 = 3. Liga Gruppe A
165. SF Fallersleben   DWZ 1707 = 6. Liga Gruppe D

Schachbezirk 3 (3 Vereine/5 Mannschaften)
018. Hamelner SV I   DWZ 2170 = 1. Liga Gruppe B
135. Hamelner SV II   DWZ 1786 = 5. Liga Gruppe B
051. ESV Rot-Weiß Göttingen I   DWZ 2030 = 2. Liga Gruppe C
155. ESV Rot-Weiß Göttingen II   DWZ 1735 = 5. Liga Gruppe C
151. SC Bad Salzdetfurth   DWZ 1750 = 5. Liga Gruppe B

Schachbezirk 4 (2 Vereine/2 Mannschaften)
141. SK Verden  DWZ 1766 = 5. Liga Gruppe D
209. FC Lachendorf   DWZ 1525 = 7. Liga Gruppe D

Schachbezirk 5 (1 Verein/1 Mannschaft)
105. VfR Heisfelde   DWZ 1869 = 4. Liga Gruppe A

Schachbezirk 6 (4 Vereine/5 Mannschaften)
027. SV Osnabrück   DWZ 2123 = 1. Liga Gruppe C
102. SV Lingen   DWZ 1873 = 4. Liga Gruppe B
148. SV Bad Essen I   DWZ 1754 = 5. Liga Gruppe D
232. SV Bad Essen II   DWZ 1232 = 8. Liga Gruppe C
224. SC Rochade Hollage   DWZ 1320 = 8. Liga Gruppe B

Hannoverscher SK gegen Spartacus Budapest

15. bis 18. Juni 1970. Im Hannoverschen Schachklub existiert ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl, das weit über die vielzitierte Thekenromantik hinausgeht. Diese Worte stammen von Kurt Pfaff, dem Kolumnisten des HSK aus der Zeit des Kalten Krieges. Vor genau 50 Jahren gab es in Hannover einen Freundschaftskampf gegen Spartacus Budapest, der heute in dieser Form undenkbar wäre: Eine Anreise, die 21 Stunden dauerte, Empfang durch Bürgermeister Otto Barche, eine Barkassenfahrt auf dem Maschsee, ein Bowlingabend in Döhren, Besichtigung des VW-Werks in Stöcken, ein Stadtbummel in Hannover, ein Besuch des Historischen Museums, ein Altstadt-Bummel und ein Abschiedsessen in den Herrenhäuser Brauereigaststätten. Zwischendurch wurden zwei Mannschaftskämpfe ausgetragen. Den ersten gewannen die Budapester mit 8 : 3 Punkten, der zweite endete Unentschieden mit 5,5 : 5,5 Punkten. Gespielt wurde im Hotel Interconti; damals eine Nobelherberge, heute ein leerstehendes Spekulationsobjekt von Immobilienhaien.

Kurt Pfaff hatte die Ereignisse auf zwei Seiten eines HSK-Rundschreibens zusammengefasst. Die solltet ihr euch im Anschluss in Ruhe durchlesen. Es lohnt sich. Nach 50 Jahren stellt sich die Frage, wer von den damaligen Akteuren noch lebt. Auf Seiten des HSK sind dies Manfred Heilemann (mittlerweile 86 Jahre alt) und Jürgen Juhnke (mittlerweile 70 Jahre alt). Manfred Heilemann war damals auf dem Zenit seines Könnens. Kurz zuvor (1. bis 16. Mai 1970) hatte er bei der Deutschen Einzelmeisterschaft in Völklingen (es gewann GM Hans-Joachim Hecht) den 10. Platz belegt. Am 1. Brett konnte Manfred den Ungarn István Csom in der 2. Runde besiegen. In der ersten Partie hatte es ein Remis gegeben.

1970 war István Csom Internationaler Meister, 1973 wurde er Großmeister. 1976 weilte er wiederum in Hannover und konnte das Turnier gewinnen, das der HSK anlässlich seines 100-jährigen Bestehens veranstaltet hatte. Dabei konnte er den Spieß umdrehen und Manfred Heilemann in 26 Zügen  besiegen. Von István Csom befinden sich 2.625 Partien im Netz. Das zeugt von einem erfüllten Schachleben. Am 2. Juni wurde er 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch nachträglich!

Petitesse am Rande: Manfred Heilemann spielte damals für den HSK und befindet sich heute in den Reihen der Schachfreunde Hannover. Jürgen Juhnke gehörte damals der Schachvereinigung (heute Teil der Schachfreunde) an und wechselte 1981 zum HSK, für den er noch heute aktiv ist. Jürgen verstärkte damals den HSK als Gastspieler. Jürgen spielte eine bärenstarke Saison. Bei der 17. Studenten-Mannschaftsweltmeisterschaft in Haifa holte er für die Deutsche Mannschaft (Brett 1 Helmut Pfleger) 8 Punkte aus 9 Partien!

Was ist aus der Thekenromantik des HSK geworden? Die heutigen Jungspunde stellen viel auf die Beine. Das ist lobenswert. Aber gibt es noch jemand, der sich um die Geschichte des eigenen Vereins kümmert? Auf dessen Webseite sucht man danach vergeblich. In 6 Jahren wird der HSK 150 Jahre alt. Wer weiß, was ein Winzling namens Corona bis dahin mit dem HSK Lister Turm im Besonderen und der Schachszene im Allgemeinen macht!? Die Erinnerungen kann uns keiner nehmen.

Würzburg – 24 Jahre danach

Wisst ihr noch, was ihr 1996 gemacht habt? Schon vergessen? Mir fällt die Erinnerung leicht, weil ich den Sonnenkönig aufbewahrt habe. In der Ausgabe Nr. 13 steht: Gerhard hat an drei Schach-Open teilgenommen, in Velden am Wörthersee, in Wiesbaden beim Schlosspark-Open und in Würzburg beim 12. Open. – In den vergangenen Wochen waren Reisen tabu. Meine letzte Fahrt mit dem ICE hatte ich am Rosenmontag in die Narrenhochburg Mainz. Wenige Tage später kam der Shutdown. Die Deutsche Bahn sucht seitdem händeringend nach Fahrgästen. „Ein Ticket in die Vergangenheit kann für Abhilfe sorgen“, dachte ich mir und kaufte mir für gestern (Fronleichnam) eine Rückfahrtkarte nach Würzburg mit einem Abstecher nach Schweinfurt.

„Wieso Schweinfurt?“, werdet ihr fragen. Schweinfurt liegt rund 40 km nordöstlich von Würzburg und fristet in unserer Wahrnehmung ein Mauerblümchen-Dasein. Dieses Image passt gar nicht zu Gunter Sachs, Deutschlands berühmtesten Gentleman-Playboy, der in Schweinfurt geboren wurde und hier seine Kohle generiert hat (Fichtel & Sachs). Heute scheffelt dort Frau Schaeffler mittels Wälzlager (SKF). – In Schweinfurt konnte ich 1996 meinen Beruf mit meinem Hobby verbinden. Das einzige Mal in meinem Leben hatte ich eine Baustelle in Bayern – genauer gesagt in Unterfranken – zu leiten. Und so bot es sich an, dass ich in der Endphase des Projekts in Würzburg an dem Schach-Open teilnahm und täglich nach Schweinfurt pendelte, um dort nach dem Rechten zu sehen. Das Würzburger Open lief gut, die Schweinfurter Baustelle dank ortsansässiger Unternehmen ausgezeichnet.

1996 hatte ich weder in Würzburg noch in Schweinfurt die Gelegenheit, mir die Städte genauer anzugucken. Das habe ich gestern nachgeholt. Heraus kamen 6 Stunden Fußmarsch bei bedecktem Himmel. Schweinfurts Altstadt ist überschaubar. Nichtsdestotrotz gibt es dort sehenswerte Eyecatcher; z.B. diese Skulptur vor der Kunsthalle. „Power-Mädchen ohne Schachbrett“ würde ich sie nennen.

Würzburg hat doppelt so viele Einwohner wie Schweinfurt, eine Menge Studenten und eine Festung, die ich bislang nur vom Vorbeifahren kannte. Gestern bin ich hinaufgestiefelt. Es lohnt sich. Für den Aufstieg empfehle ich euch die Rückseite des Marienberges. Dort fand 1990 die Landesgartenschau statt. Geblieben ist eine wunderschöne, gepflegte Anlage, die bei einigen Höhenmetern kostenlos durchschlendert werden darf. Die Marienfestung selbst ist beeindruckend. Es gibt einen äußeren Burghof und einen inneren Burghof, die von mächtigen Wänden aus Quadersteinen umfasst sind. Für den Rückweg empfehle ich euch den steilen Abstieg auf der Mainseite. Man landet direkt vor der historischen Mainbrücke, die gestern für Stehpartys genutzt wurde.

Am 12. Würzburg-Open 1996 nahmen 117 Schachspieler teil. Das Turnier gewann Aleksander Wojtkiewicz (* 15. Januar 1963 in Lettland; † 14. Juli 2006 in USA) vor Zbigniew Ksieski (* 1. Januar 1954 in Polen; † 26. Mai 2018 in Polen) mit je 6:1 Punkten. Ich holte 4:3 Punkte, wobei ich zwei Partien verlor: gegen GM Valentin Arbakov (* 28. Januar 1952 in Russland; † 30. November 2003) und Andreas Luft. Gegen den Dähne-Pokalsieger von 1977, Peter Dankert (* 1953; † 2004), erzielte ich ein Remis. Höhepunkt war mein Sieg gegen den FM Andre Lisanti. Die Partie begann für mich ernüchternd. Durch eine Ungenauigkeit in der Eröffnung hatte ich einen Bauern verloren, was mich dazu beflügelte, einen weiteren Bauern ins Geschäft zu stecken. Dieses Danaergeschenk bekam meinem Gegner nicht. Er revanchierte sich durch ungenaue Züge, wodurch wir diese Stellung auf dem Brett hatten:

FM Andre Lisanti – Gerhard Streich
Schwarz am Zug

Angesichts des Damengewinns zog ich freudig erregt 28… Txb2+ und gewann die Partie problemlos. Erst 24 Jahre später habe ich entdeckt, dass ich meinen Gegner an dieser Stelle zwangsläufig mattsetzen konnte. Guckt euch dieses Diagramm bitte eine Weile an und entscheidet euch für einen anderen Zug. Weiß kann das Matt maximal 6 Züge hinauszögern.

Hier ist die ganze Partie:

Sehenswert ist auch mein Sieg in der ersten Runde gegen Erich Kaiser. Ein Figurenopfer im 20. Zug brachte mich auf die Siegerstraße: