Das Doppelmatt

Doppelbauer, Doppelkopf, Doppelkinn, Doppelkorn, Doppelagent, Doppelmoral sind Begriffe, die wir kennen. Aber was – bitte schön – ist ein Doppelmatt? Google antwortete mir mit einer Gegenfrage: „Meintest du Doppelbett?“ Nein, meinte ich nicht. Wer es mit Doppelschach versucht, kommt der Sache näher. Dazu gibt uns die SG Schöningen Anschauungsunterricht. Das Doppelschach sei eine spezielle Form des Abzugsschachs, bei dem die wegziehende Figur ebenfalls Schach gibt. Ein Doppelschach könne nur durch einen Königszug abgewehrt werden. Meistens geht es dem König im Anschluss an den Kragen. Solche Motive kommen in der Praxis hin und wieder vor.

Äußerst selten dürfte der Fall sein, den ich 1996 beim Schlosspark-Open in Wiesbaden erlebt habe. Der bestand darin, dass mein Doppelschach zugleich ein Doppelmatt war, weil der König nicht mehr wegziehen konnte. Und noch seltener, wenn nicht einmalig, dürfte der Umstand sein, dass beide schachbietenden Figuren geschlagen werden konnten, wäre da nicht die Schachregel, die besagt, dass jede Partei im Wechsel nur einen Zug ausführen darf.

Weil es so selten und so wunderschön ist, möchte ich euch dieses Doppelmatt anhand zweier Diagramme zeigen. Mein Gegner hätte das Matt sowieso nicht abwenden können, aber mit seinem Zug 27… Da5-c3 griff er zum letzten Strohhalm.

Streich, Gerhard – Biegler, Markus
Wiesbaden, Schlosspark-Open 1996

Meine Antwort kam postwendend: 28. Sxf7#

Fällt euch etwas auf? Laut Notation hat der Springer mattgesetzt. Gebührt der Dame auf h3 nicht die gleiche Ehre? Das Leben ist ungerecht.

Matt? Yes! Bei Gosch in Wenningstedt/Sylt

Glücksatlas zum Jahresauftakt

Glück kann man messen. Unter Schachspielern ist das einfach. Wer eine Schachpartie gewonnen hat, ist glücklich. Bei Mannschaftskämpfen spielt der Verein zusätzlich eine Rolle. Welchen Vereinen im Schachbezirk Hannover war das Glück zum Auftakt des neuen Jahrzehnts hold? Dafür habe ich die Ergebnisse vom vergangenen Sonntag von den Vereinen ausgewertet, die auf Landesebene spielen und dabei die Ergebnisse bis hinunter zur Kreisklasse addiert. Die Vereine habe ich in absteigender Reihenfolge der Erfolgsquote sortiert. In Klammern befinden sich die Prozentzahlen ohne Berücksichtigung kampfloser Partien.

Am besten stehen die Schachtiger Langenhagen und der SK Lehrte mit je 68,8 % der möglichen Brettpunkte da. Schlusslicht ist die SVg Steinhude. Der Verein hat offenbar Personalprobleme. – Natürlich ist das nur eine Momentaufnahme, denn ein einziger Spieltag wird von der jeweiligen Stärke der gegnerischen Mannschaft beeinflusst. Gleichwohl lässt sich ein gewisser Trend ablesen. Das zeigt sich z.B. am euphorischen Beitrag auf der Webseite des SK Lehrte: Acht Mannschaften – acht Siege!

Da ich gestern den SV Hellern für die vorzügliche Berichterstattung gelobt habe, möchte ich bei der Gelegenheit auch dem SK Lehrte ein Kompliment machen. Die Webseite ist vorbildlich, wenn man von einem Manko absieht: Wer zum Teufel hat sich die blasse Schrift ausgedacht!? Ein bisschen mehr Druckerschwärze steigert die Leselust.

ST Langenhagen
2 Mannschaften / 11,0 : 5,0 Brettpunkte = 68,8 %
9 Siege, 4 Unentschieden, 3 Niederlagen

SK Lehrte
8 Mannschaften / 44,0 : 20,0 Brettpunkte = 68,8 % (64,1 %)
32 Siege (3x kampflos), 24 Unentschieden, 8 Niederlagen

HSK Lister Turm
8 Mannschaften / 37,5 : 26,5 Brettpunkte = 58,6 % (54,6 %)
31 Siege (9x kampflos), 13 Unentschieden, 20 Niederlagen (1x kampflos)

SD Isernhagen
4 Mannschaften / 18,5 : 13,5 Brettpunkte = 57,8 %
14 Siege, 9 Unentschieden, 9 Niederlagen

SG WB Eilenriede
4 Mannschaften / 16,5 : 15,5 Brettpunkte = 51,6 %
12 Siege, 9 Unentschieden, 11 Niederlagen

SK Rinteln
3 Mannschaften / 12,0 : 12,0 Brettpunkte = 50 % (47,8 %)
8 Siege (1x kampflos), 8 Unentschieden, 8 Niederlagen

SC Uetze-Hänigsen
2 Mannschaften / 7,0 : 9,0 Brettpunkte = 43,8 %
5 Siege, 4 Unentschieden, 7 Niederlagen

SV Berenbostel
2 Mannschaften / 6,5 : 9,5 Brettpunkte = 40,6 % (43,3 %)
5 Siege, 3 Unentschieden, 8 Niederlagen (1x kampflos)

Hannover 96
4 Mannschaften / 13,0 : 19,0 Brettpunkte = 40,6 % (34,5 %)
11 Siege (3x kampflos), 4 Unentschieden, 17 Niederlagen

SV Laatzen
4 Mannschaften / 11,5 : 20,5 Brettpunkte = 35,9 %
7 Siege, 9 Unentschieden, 16 Niederlagen

SF Hannover + SK Ricklingen
4 Mannschaften / 11,0 : 21,0 Brettpunkte = 34,4 % (37,9 %)
6 Siege, 10 Unentschieden, 16 Niederlagen (3x kampflos)

SV FB Wedemark
2 Mannschaften / 5,0 : 11,0 Brettpunkte = 31,3 %
3 Siege, 4 Unentschieden, 9 Niederlagen

SVg Steinhude
1 Mannschaft / 0 : 8 Brettpunkte (8x kampflos) = 0,0 %

Alle Angaben ohne Gewähr!

Glücksatlas der Vereine, die nicht auf Landesebene vertreten sind

Eystruper SK
2 Mannschaften / 13,0 : 3,0 Brettpunkte = 81,3 % (86,7 %)
12 Siege, 2 Unentschieden, 2 Niederlagen (1x kampflos)

SK Anderten
2 Mannschaften / 10,5 : 5,5 Brettpunkte = 65,6 %
6 Siege, 9 Unentschieden, 1 Niederlage

SV Springe
2 Mannschaften (1x spielfrei) / 5,0 : 3,0 Brettpunkte = 62,5 % (71,4 %)
4 Siege, 2 Unentschieden, 2 Niederlagen (1x kampflos)

SVg Calenberg
2 Mannschaften / 10,0 : 6,0 Brettpunkte = 62,5 %
8 Siege, 4 Unentschieden, 4 Niederlagen

SC Stadthagen
1 Mannschaft / 5,0 : 3,0 Brettpunkte = 62,5 %
4 Siege, 2 Unentschieden, 2 Niederlagen

TuS Wunstorf
1 Mannschaft / 5,0 : 3,0 Brettpunkte = 62,5 %
3 Siege, 4 Unentschieden, 1 Niederlage

SG Garbsen/Marienwerder
2 Mannschaften / 9,5 : 6,5 Brettpunkte = 59,4 %
7 Siege, 5 Unentschieden, 4 Niederlagen

SF Mühlenberg
2 Mannschaften / 9,0 : 7,0 Brettpunkte = 56,3 %
6 Siege, 6 Unentschieden, 4 Niederlagen

SK Stolzenau
2 Mannschaften / 8,0 : 8,0 Brettpunkte = 50 %
6 Siege, 4 Unentschieden, 6 Niederlagen

SV Warmsen
1 Mannschaft / 3,5 : 4,5 Brettpunkte = 43,8 % (50 %)
3 Siege, 1 Unentschieden, 4 Niederlagen (1x kampflos)

SZ Bemerode
2 Mannschaften / 7,0 : 9,0 Brettpunkte = 43,8 %
5 Siege, 4 Unentschieden, 7 Niederlagen

SV Gretenberg
2 Mannschaften / 6,5 : 9,5 Brettpunkte = 40,6 % (50 %)
6 Siege, 1 Unentschieden, 9 Niederlagen (3x kampflos)

SF Barsinghausen
3 Mannschaften / 9,0 : 15,0 Brettpunkte = 37,5 %
5 Siege, 8 Unentschieden, 11 Niederlagen

SG Döhren/Gleidingen
2 Mannschaften / 6,0 : 10,0 Brettpunkte = 37,5 %
2 Siege, 8 Unentschieden, 6 Niederlagen

SV Bückeburg
1 Mannschaft / 3,0 : 5,0 Brettpunkte = 37,5 %
2 Siege, 2 Unentschieden, 4 Niederlagen

SK Wennigsen
1 Mannschaft / 3,0 : 5,0 Brettpunkte = 37,5 %
0 Siege, 6 Unentschieden, 2 Niederlagen

TSV Pattensen
1 Mannschaft / 2,5 : 5,5 Brettpunkte = 31,3 %
2 Siege, 1 Unentschieden, 5 Niederlagen

SC Hämelerwald
1 Mannschaft / 2,5 : 5,5 Brettpunkte = 31,3 % (21,4 %)
1 Sieg (1x kampflos), 3 Unentschieden, 4 Niederlagen

SK Neustadt
2 Mannschaften / 4,0 : 12,0 Brettpunkte = 25 % (20 %)
3 Siege (1x kampflos), 2 Unentschieden, 11 Niederlagen

SF Sulingen
1 Mannschaft / 0,5 Brettpunkte = 6,3 %
0 Siege, 1 Unentschieden, 7 Niederlagen

Zuversicht für die 2020er Jahre

Was unsere Kanzlerin kann, kann ich auch: Zuversicht ausdrücken. Wobei ich es nicht bei Lippenbekenntnissen belasse. Ich fordere das Glück heraus; z.B. heute Morgen auf dem Lindener Markt. Bei meiner freundlichen Wurstfachverkäuferin habe ich 10,10 € bezahlt. „Welch ein Zufall!“, dachte ich, „das ist genau die Hälfte von 2020.“ Mein zweiter Einkauf führte mich zu Henri 2. Eine Baguettestange und zwei Krapfen kosteten? 5,05 €!! Auf den Cent genau die Hälfte der Hälfte. Tusch! Die freundliche Bäckereifachverkäuferin gab mir daraufhin den Bon, wozu sie erst im neuen Jahr verpflichtet gewesen wäre. Die Bon-Pflicht ist so dämlich wie die Spielervereinbarung unter Schachspielern.

Die Jugend ist unsere Hoffnung. Sie hat erkannt, dass sich Mauern in den Köpfen der Alten befinden. Damit können wir die Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern. Die Jugendlichen werden aktiv. Die Einen gehen auf die Straße, die Anderen gründen einen selbstständigen Verband. Unbesetzte Bretter hinter dicken Mauern dürfen nicht die Zukunft sein. Malte & Greta an die Macht!

Kennt ihr Schaumschweig? Ja, ihr habt richtig gelesen. Das kommt davon, wenn man Schaumburg mit Braunschweig vereinigt. So geschehen bei den Rugby-Damen in der Deutschen 7er-Liga Nord-West. Nicht auszudenken, wenn sich die Schachfreunde Hannover tatsächlich mit dem SK Ricklingen vereinigen. Wenn es nicht dazu kommt, spendiere ich eine Kiste Schaumwein. Heute Abend teste ich die erste Flasche…

Ich wünsche euch ein zuversichtliches neues Jahr!

8. Januar 2020 – Neujahrsempfang im Rathaus Hannover mit OB Belit Onay
Das grüne Hannover
29. Januar 2010 – Schneemann vor dem Weinhaus Schachner in Westerland/Sylt
30. Januar 2010 – Die Nordsee bei List auf Sylt
18. Februar 2010 – Bewehrung einer Kellersohle bei Schnee auf Sylt
Kleiner Gruß aus Nischni Nowgorod im Hamburger Hafen
24. Februar 2020 – Rosenmontag in Mainz
Bucht bei Cap Formentor (Mallorca) im März 2009

A happy dead fish

Am kommenden Wochenende finden die letzten Mannschaftskämpfe in diesem Jahr statt. Daran sind viele tausend Schachspielerinnen und Schachspieler beteiligt. Das Ergebnis steht bereits heute fest: Zwei Drittel von denen werden bis Weihnachten frustriert sein. Ein Drittel, weil es verloren hat, ein Drittel, weil es nicht gewonnen hat. Warum tun wir uns das an?

Das ist eine philosophische Frage, auf die ich gekommen bin, weil ich mir seit langer Zeit wieder meinen Beitrag Infinitum Mobile angesehen habe. 4 Jahre ist das her. Wie viele SPD-Vorsitzende gibt es seitdem? Unbegrenzte Bewegung macht nicht vor dem zweitschönsten Amt der Welt halt. – Mein philosophischer Ausflug war ein Flop. Als Küchenphilosoph schrecke ich indes vor keinem heiklen Thema zurück:

Was du schon immer über deine Sportart wissen wolltest, aber bis heute nicht zu fragen wagtest.

Die Antwort finden wir ausgerechnet bei Michael Holm: Dänen lügen nicht. Dänen sind ehrlich. Wenn sie ein Eiland behalten wollen, sagen sie das ohne Umschweife. So konnte sie die große und unübertroffene Weisheit eines Geldonkels nicht bewegen, Grönland zu verkaufen. Dabei hätten sie davon ihren 70 km langen Wildschweinzaun an der Grenze zu Deutschland bezahlen können. Diese Einstellung imponiert mir. Ein Däne, mit dem niemand gerechnet hatte, wurde auf diese Weise Straßenrad-Weltmeister 2019: Mads Petersen. Kult-Status erwarb sich indes Cecilie Uttrup Ludwig. Die junge Dänin wurde nach der Flandern-Rundfahrt 2019 interviewt. Falls ihr das Interview noch nicht kennt, müsst ihr euch das unbedingt anhören.

Stellt euch vor, ihr werdet nach einer Schachpartie interviewt. Wenn ihr euch anschließend wie „a happy dead fish“ fühlt, ist Schach für euch die richtige Sportart. Wenn nicht, solltet ihr euch anderweitig umschauen.

Düsseldorf – Reservierte Stellplätze für DSAM-Teilnehmer und –Besucher
1. Juli 2017 – Königsallee in Düsseldorf – Start der Tour de France

Spielervereinbarung

Robert Hübner ist ein Genie. Da die Schachwelt überwiegend aus Banausen besteht, wird sie nicht verstehen, was er mit seinem Offenen Brief bezweckt, der gestern im Schachticker veröffentlicht wurde. Ich bin kein Genie, unwesentlich jünger als Robert Hübner und zähle mich zu den Menschen, die sich ihr Feingefühl bewahrt haben. Insofern verstehe ich sein Anliegen voll und ganz. Die Spielervereinbarung für die 2. Bundesliga ist ein typisch deutsches Instrument der vermeintlichen Rechtssicherheit oder um es mit Wladimir Kaminer auszudrücken: Woanders werden an der Gardinenstange und am Waschbecken ein paar Schrauben gespart, in Deutschland wird jede Schraube ordentlich festgezogen. Sollte jemals ein Meteorit auf die Erde knallen, bliebe nur in Deutschland alles wie es ist. Weil festgeschraubt.

Die Diskussion um die Spielervereinbarung sei ein alter Hut, könnte man meinen, da sie bereits im April/Mai 2015 eingeführt wurde. Damals mit der Folge, dass sich der Godesberger SK aus der 2. Bundesliga West zurückzog und die Liga in der Saison 2015/16 nur mit 9 Mannschaften gespielt wurde. In dieser Saison ist Robert Hübner am 1. Brett des SC Siegburg in der 2. BL West gemeldet. In den drei bisherigen Runden ist er nicht angetreten. Vermutlich aus dem Grund, dass er sich weigert, die Spielervereinbarung zu unterschreiben.

Hübners Offener Brief enthält einen bemerkenswerten Satz:

Längst ist in unserer Gesellschaft die Einsicht abhanden gekommen, daß ein sinnvolles Miteinander nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens möglich ist.

Wie wahr! Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in dieser völlig überzogenen Spielervereinbarung, sondern in vielen Bereichen unserer Gesellschaft. Die Auseinandersetzungen an der Führungsspitze des DSB sind ein Beleg dafür. Ich kann mich jedenfalls an Zeiten erinnern, als das Königliche Spiel im Vordergrund stand und nicht die Förderung des Misstrauens. – Die Jüngeren werden vermutlich mit den Achseln zucken, weil sie alles unterschreiben, was dem Eigennutz dient. Die hehren Werte verschwinden in den Hintergrund. Einen Hoffnungsschimmer habe ich dennoch: Die Solidarität der Deutschen Schachjugend mit ihrem geschassten Geschäftsführer. Möge die Jugend für eine ungezwungene Zukunft eintreten. Die Alten sind für einen Sinneswandel zu alt.

Die Zerstörung des DSB

Droht der Deutsche Schachbund zu zerbrechen? Der seit 1990 amtierende Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend Jörg Schulz wurde vom DSB-Geschäftsführer Marcus Fenner mit sofortiger Wirkung freigestellt. Die Gründe sind unbekannt. Die Empörung ist groß. Der Vorsitzende der Deutschen Schachjugend Malte Ibs solidarisiert sich mit dem geschassten Geschäftsführer. Hier ein Auszug aus seiner E-Mail, die im Schachticker veröffentlicht ist:

Wir, der Vorstand der Deutschen Schachjugend, solidarisieren uns mit Jörg Schulz. Wir kämpfen um die ordnungsgemäße Weiterbeschäftigung unseres verdienten DSJ Geschäftsführers. Wir bitten euch hierfür um eure Unterstützung. Wir sind als Deutsche Schachjugend nicht bereit, den Versuch der Kündigung hinzunehmen. Wir sehen dies nicht nur als einen Angriff auf den Menschen Jörg Schulz, dem man damit versucht, seine finanzielle Existenz zu entziehen, sondern auch als einen Angriff auf die Deutsche Schachjugend, ihre Eigenständigkeit und ihre kommenden Aufgaben und Projekte. Die Vorstandsarbeit der Deutschen Schachjugend wird mit diesem Eingriff stark beschädigt und in Fällen zerstört.

Auf die weitere Entwicklung dürfen wir gespannt sein.

Hannovers Schachjugend vor 50 Jahren

Wenn du jung bist, weißt du nicht, ob du alt wirst. Bist du alt, weißt du, dass du einmal jung warst. Der Vorteil ist, dass du weißt, was sich in der Jugend ereignet hat. Umgekehrt ist das nicht möglich. – Vor 50 Jahren war die hannoversche Schachjugend spitze. Dafür habe ich einen Zeitungsartikel aus meiner Jugend hervorgeholt. Der Anlass war Albert Syska. Albert ist mein Jahrgang. Das Ende seiner Jugend war zugleich sein Ende in Hannover. Es zog ihn zwecks Studiums auf Nimmerwiedersehen nach Heidelberg. Heidelberg gehört zum Schachverband Baden, und dort war er meines Wissens in den letzten 50 Jahren mehr oder weniger aktiv und hat dabei sogar Bundesliga-Luft geschnuppert. Nun habe ich seinen Namen unter den Teilnehmern des 4. Helmut-Reefschläger-Gedächtnisturniers gelesen. Damit wurden meine Erinnerungen geweckt.

Artikel aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 4. Juli 1968 (der rote Strich unter Streich ist alt)


Das Highlight war unser 7,5 : 0,5 Sieg gegen die Braunschweiger Schachjugend. Ausgerechnet Albert gab den halben Punkt ab. Ich hoffe, dass er die Schmach inzwischen überwunden hat. Albert habe ich positiv in Erinnerung. Er war aufgeweckter als die meisten anderen, und diesen Spirit wird er sich vermutlich bewahrt haben. Eine meiner ersten Turnierpartien habe ich gegen ihn gespielt. Es ging um die Hannoversche Stadtjugendmeisterschaft im Jahr 1967. Die Partie nahm einen flotten Verlauf. Dank un petit combination im 22. Zug konnte ich die Partie 7 Züge später für mich entscheiden:

Streich, Gerhard
Syska, Albert
Hannoversche Stadtjugendmeisterschaft
February 9, 1967
22.Lxe5!Le722…fxe5?23.Tg6+hxg624.Dxg6+nebst 25. Dxb623.Lf4Sxb3?23…Tag824.Ke2Db525.Txg8Txg826.Dxh7De8±24.Tb1Txa325.e4dxe426.dxe4Td827.Df5+Kf728.Dxh7+Ke629.Tg7Schwarz gab auf wegen Matt in 9 Zügen


Meinen Rückblick in Sachen Schach möchte ich mit einem Rückblick auf die damalige Berichterstattung meiner Tageszeitung verknüpfen. Wir hatten das Jahr 1968. Die 68er (zu denen ich nicht gehörte) haben unser Land umgekrempelt. Preisfrage: War die Presse damals prüder als heute? Unter dem oben gezeigten Artikel gab es eine Rubrik mit folgender Überschrift:

Aus Hannovers Nachtlokalen

Der Text ist köstlich:

In neugestalteten Räumen präsentiert sich die “Uhu-Bar“ ihren Gästen. Ein sicheres Gefühl für das, was bei den Besuchern eines Nachtlokales ankommt, hat Heinz Stanitzek, der die Bar an der Georgstraße vor einem Jahr übernommen hatte, bei der Einrichtung bewiesen. Neu ist hier beispielsweise die Verpflichtung eines Disc-Jockey, der die verschiedenartigen Darbietungen der Striptease-Schönen mit Musik- und Textbeiträgen auflockert. Zwischendurch bereiten den Gästen an die Wand projizierte Mickymaus-Filme viel Spaß. Im vergangenen Monat waren die vollbusige Gilda Vulcano, die schlanke Natascha und die dunkelhäutige rassige Kadiaka zu bewundern. Letztere schien jedoch ohne Peitsche nicht auszukommen. Für den Monat August – nach den gegenwärtigen Betriebsferien – will Heinz Stanitzek zwei besonders attraktive Striptease-Tänzerinnen engagieren.

Mickymaus-Filme an der Wand werden heutzutage niemand vom Schachbrett weglocken. Die Uhu-Bar wurde Anfang der Achtzigerjahre geschlossen. Was aus der vollbusigen Gilda Vulcano geworden ist, konnte ich nicht ermitteln.

Rache, Ralf
Streich, Gerhard
Post SV - SFH
April 27, 1968
31.Sd4??Sf4+0–1

Was ist bloß mit Hannover 96 los?

Fußball und Schach unter einem Hut. Wie wird das in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Die Bilanz der Schachspieler ist ernüchternd. Seit Beginn der Saison 18/19 schnitten sie in Mannschaftskämpfen wie folgt ab:

1. Mannschaft Saison 18/19 Oberliga Nord West => 0 : 18 Punkte Abstieg
1. Mannschaft Saison 19/20 Landesliga Süd         => 0 : 4 Punkte
2. Mannschaft Saison 18/19 Kreisliga Ost              => 7 : 11 Punkte 6. Platz
2. Mannschaft Saison 19/20 Kreisliga Ost             => 0 : 4 Punkte
3. Mannschaft Saison 18/19 Kreisklasse Ost         => 0 : 18 Punkte Abstieg
3. Mannschaft Saison 19/20 Kreisklasse Mitte     => 2 : 2 Punkte
4. Mannschaft Saison 18/19 Kreisklasse West      => 0 : 16 Punkte Abstieg
4. Mannschaft Saison 19/20 Kreisklasse Ost        => 0 : 4 Punkte

Drei der vier Mannschaften stiegen in der vergangenen Saison mit 0 Mannschaftspunkten ab. Lediglich die 2. Mannschaft konnte sich mit 7 Mannschaftspunkten in der Kreisliga Ost halten. Nach zwei Spieltagen der Saison 19/20 hält der Trend an. Die 4 Mannschaften holten in der Summe 2 : 16 Mannschaftspunkte, wobei die zwei Punkte nur deshalb zustande kamen, weil die 3. Mannschaft 3 Brettpunkte kampflos erwarb.

Woran diese gruselige Bilanz liegt, vermag ich nicht zu beurteilen. Vielleicht tut das der guten Stimmung im Verein keinen Abbruch. Schön wär’s. Anders sieht das bekanntlich bei den Profikickern aus. Mirko Slomka hat eine Bilanz von 14 : 18 Punkten in der 2. Bundesliga. Zu wenig für die hohen Ansprüche. Sofort stellt sich die Schuldfrage:

Slomka trifft nicht alle Schuld, doch seine Entlassung ist alternativlos

So überschreibt der Sportredakteur Tobias Manzke seinen Artikel in meiner Tageszeitung. Welch eine Anmaßung! Mit einer mittelmäßigen Mannschaft kannst du keine Bäume ausreißen, das gilt gleichermaßen für Fußballer und Schachspieler. Wenn eine Liga aus 18 Mannschaften besteht, ist vor der Saison klar, dass am Ende jeder dieser Plätze einmal belegt wird. Wie kann man dann von Schuld reden? Das gehört zum Sport, liebe Sportreporter und liebe Schlaumeier, die jetzt den Trainer mit Häme überschütten. Schuld hatte offenbar auch Niko Kovač. Als die Fernsehkamera während der Übertragung der Partie Eintracht Frankfurt gegen FC Bayern München das unschuldige Gesicht von Uli Hoeneß auf der Tribüne einfing, wusste ich sofort, welche Pressemitteilung einen Tag später fällig war.

Stellt euch vor, die selbsternannten Experten würden nun in der Presse nach Schuldigen in der Schachabteilung von Hannover 96 suchen. Nicht auszudenken! Zum Glück interessiert sich dafür kein Schwein. Nichtsdestotrotz wünsche ich der Schachabteilung eine Trendwende ohne Schuldgefühle.

Mirko Slomka und all den anderen Trainern, denen eine Schuld angelastet wird, wünsche ich starke Nerven. 10 Jahre nach dem Tod von Robert Enke hat sich trotz aller Lippenbekenntnisse in der Fußballwelt und der restlichen Gesellschaft nichts gebessert. Es ist eher schlimmer geworden. – Bauen wir auf die glücklichen Momente im Sport. Deshalb zeige ich euch den freigestellten Trainer von Hannover 96, als er voller Zuversicht seine Mannschaft präsentierte. Es ist erst wenige Wochen her.

21. Juli 2019
Deutschlands größter Laternenumzug am 12. November 2019

Conrad, ich habe meine DWZ geschrumpft

Der Präsident des Niedersächsischen Schachverbands, Michael S. Langer, gibt dem Blog Perlen vom Bodensee ein Interview. Diese Meldung findet ihr aktuell auf der NSV-Webseite. Es geht um das Verbandsprogramm des Deutschen Schachbunds, an dem Michael mitgewirkt hat. Auf das Programm möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, obwohl es genug Gesprächsbedarf gibt. Es geht mir in diesem Beitrag um eine bemerkenswerte Antwort, die Michael zu Beginn des Interviews gegeben hat:

Conrad Schormann: Bis gestern hast du beim Meisterturnier der Bezirksmeisterschaft gespielt. Wie ist es gelaufen?

Michael S. Langer: Ach, na ja. H-Zahl 1815, das kostet mich DWZ.

14 Schachspieler haben am Meisterturnier des Bezirks 2 teilgenommen. Michael belegte mit 2 Punkten aus 5 Partien den 11. Platz. Nach der DWZ-Rangliste hätte er den 8. Platz belegen sollen. Folglich ist Michael mit seiner Platzierung nicht zufrieden.

Warum hat Michael jedoch diese Antwort gegeben? Michael ist ein leidenschaftlicher Schachspieler und ein leidenschaftlicher Funktionär. Michael hätte z.B. die Antwort geben können: „Das Turnier hat mir Spaß gemacht. Ich habe einige inhaltsreiche Partien gespielt, auch wenn die Punktausbeute nicht befriedigend ist.“ Oder: „Es war ein verkorkstes Turnier. Ich habe mehrmals danebengegriffen. Dennoch bin ich nicht entmutigt.“

Warum spielen wir überhaupt Schach? Wegen der DWZ!?! Michael hat seine DWZ in diesem Turnier um 13 Punkte von 1909 auf 1896 verschlechtert. Damit liegt er in seinem Verein vorübergehend auf dem 16. Platz, in seinem Bezirk auf dem 93. Platz und in ganz Niedersachsen auf dem 668. Platz. Verbringen wir unsere kostbare Lebenszeit etwa damit, um lächerliche Platzierungen aufzubessern? Ist Schach nicht Kunst? Geht es nicht um die vielfältige Schönheit des königlichen Spiels gepaart mit Mut, logischem Denken und Kameradschaftlichkeit? Stattdessen geht es in Wirklichkeit um die schnöde DWZ!

Michael hat das ausgesprochen, was leider zu unserem Alltag geworden ist. Die DWZ macht schon von Kindesbeinen an süchtig, und wir kommen selbst im Alter 50+ nicht davon los. Die Werte des Schachspiels treten dadurch in den Hintergrund.

Auf diesen Umstand habe ich bereits mehrfach hingewiesen. Mein Vorschlag, die DWZ abzuschaffen, traf auf Unverständnis. Dass Wertungszahlen zum Leistungsschach gehören, ist kein Widerspruch. Vermutlich ist es indes einfacher, den Amerikanern das Tragen von Waffen zu verbieten und den Deutschen ein Tempolimit auf den Autobahnen zu verordnen, als Schachspielern die Droge DWZ wegzunehmen. Nichtsdestotrotz wiederhole ich hiermit meine Vision:

– Deutsche Wertungszahlen werden abgeschafft.
– Elo-Zahlen behalten ihre Gültigkeit und können von jedermann erworben werden.
– Mannschaftskämpfe werden ab der Oberliga ausgewertet.
– Turniere können auf Wunsch des Veranstalters ausgewertet werden.

Was haben wir davon? Wir können wieder unbeschwert „Just for Fun“ Schachspielen und müssen nicht bei jeder Turnierpartie um unsere soziale Rangordnung zittern.

Dieser Beitrag ist keineswegs eine Kritik an Michael S. Langer. Ich schätze ihn sehr. Dafür, dass er ein umtriebiger Schachfunktionär ist und dabei auf tausend Hochzeiten tanzt, hat er eine beachtliche Spielstärke. Mehr oder weniger ungewollt hat er das ausgesprochen, woran an das Deutsche Schach derzeit krankt: an der Droge DWZ.

Ihme-Cup als Talentschmiede

Vor 5 Jahren waren wir alle 5 Jahre jünger. Junge Schachspieler träumten von einer Karriere, alte Schachspieler träumten von alten Zeiten. Ein Foto in meinem Archiv liefert den Beweis, dass Träume in Erfüllung gehen können. Vorausgesetzt ihr glaubt an euch selbst. Dann spielt das Alter keine Rolle.

1. Runde Ihme-Cup 2014

Das Foto stammt vom Ihme-Cup 2014. Genauer gesagt vom 9. Mai. In der 1. Runde trafen Lukas Hoffmann und Lara Schulze (Vordergrund) sowie Daniel Phunhon Lopez und Torben Schulze (Hintergrund) aufeinander. Die jeweils älteren gewannen ihre Partien, aber das ist nebensächlich. Mein Augenmerk liegt auf der Paarung im Vordergrund; wobei Daniel und Torben meines Wissens in punkto Fortschritt ebenfalls eine Menge erreicht haben.

Lara Schulze hat seitdem eine steile Karriere hingelegt. Ihr 4. Platz bei der U18 Weltmeisterschaft der weiblichen Jugend in Mumbai ist der vorläufige Höhepunkt. Außerordentlich erfreulich ist dabei nicht nur ihr Schachverständnis, sondern ihr Talent, ihre Erlebnisse anschaulich zu präsentieren. Ihr Blog auf der Webseite des SK Lehrte ist stilistisch ausgezeichnet gelungen. – Derweil macht Lukas Hoffmann auf andere Weise Schlagzeilen. Ob er beim Schachspielen seinen Zenit erreicht hat, vermag ich nicht zu beurteilen, aber als Funktionär hat er inzwischen mehrere Stufen auf der Karriereleiter erklommen. Seit 2017 ist er 1. Vorsitzender des HSK-Lister Turm und neuerdings NSV-Referent für den Leistungssport. Er hat erfolgversprechende Pläne; siehe HSK-Webseite. Die Schachszene braucht engagierte Funktionäre, die mit Ideen und Tatkraft an die Sache herangehen.

Wer sich den Ihme-Cup 2014 ansonsten in Erinnerung rufen möchte, klickt hier.

1. Mai 2017 – Schlussrunde der Bundesliga in Berlin – OSG Baden-Baden gegen SV Mülheim-Nord