Ganz dünnes Eis

Michael S. Langer hat recht behalten. Nach einem Anlauf von dreieinhalb Jahren gab es heute beim NSV-Kongress kein Reförmchen. Es gab auch keine Reform. Es bleibt alles beim Alten. „Verkrustete Strukturen, enorme Beharrungskräfte, keine Sponsorenakquise in großem Maßstab und Schach-Macher mit Scheuklappen, die auf ihren Inseln isoliert vor sich hinwurschteln, lassen Dynamik erst gar nicht entstehen.“ Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Conrad Schormann in den Perlen vom Bodensee. Meine Erwartungshaltung ist bekannt. Insofern ist dieser Ausgang für mich keine Überraschung.

Das Alte war allerdings perfekt inszeniert. Das ist ein Kompliment an alle, die sich für Ämter zur Verfügung gestellt haben. Die meisten Funktionäre machen weiter, die freien Plätze wurden ohne Gegenstimmen neu besetzt. Zwei davon werden von Lukas Hoffmann und Max Wall (beide HSK Lister Turm) wahrgenommen. Von beiden ist frischer Wind zu erwarten. Ich traue ihnen das zu und wünsche ihnen viel Erfolg. Nennenswerte Diskussionen gab es nicht. Michael S. Langer war als Chef im Ring souverän. Niedersachsens Schachspielerinnen und Schachspieler haben ihm viel zu verdanken. Trotz ausbleibender Reformen. Dass die ausbleiben, liegt nicht an ihm. Wir müssen nur auf unsere Bundesregierung gucken. Die Welt steht am Abgrund, und unsere Entscheidungsträger beschließen lächerliche Maßnahmen.

Ganz dünnes Eis / Fridays-for-Future-Demo am 20.09.2019 in Hannover

Meine Teilnahme als Gast beim NSV-Kongress habe ich nicht bereut. Am Rande konnte ich mit mehreren Schachfreunden inhaltsreiche Gespräche führen. Zum Glück hängt die Zukunft der Menschheit nicht vom Schachspielen ab.

GRANDPA FOR FUTURE / Fridays-for-Future-Demo am 20.09.2019 in Hannover
Fridays-for-Future-Demo am 20.09.2019 in Hannover
27.09.2019 Drachenfest am Kronsberg
Schach-Bundesliga 1983/84 mit dem Braunschweiger SC
Der große Wurf am Rosenmontag 2020 in Mainz

INEOS – Das teuerste Radteam der Welt

Gestern wurde in Hannover die Deutschland-Tour 2019 der Radprofis gestartet. Da mir am Vorabend so viele Schachspieler bei der Nacht von Hannover begegnet sind, möchte ich denjenigen und allen interessierten Sportsfreunden ein paar Bilder vom Team INEOS zeigen, die ich vor dem Start aufgenommen habe. Das Team kommt aus Großbritannien und hieß bis zum Beginn dieser Saison „Sky“. Das Team stellt seit 2015 ununterbrochen den Tour-de-France-Sieger, und zwar 2015 bis 2017 durch Chris Froome, 2018 durch Geraint Thomas und in diesem Jahr durch Egan Bernal (Kolumbien). Zum Team gehören insgesamt 28 Radprofis. Bei der Deutschland-Tour sind 6 Rennfahrer pro Team startberechtigt. Fünf davon seht ihr auf diesem Gruppenfoto. Der Sechste, Geraint Thomas, gab gerade ein Interview auf seiner Rennmaschine.

Von links nach rechts: Michal Kwiatkowski (Polen) Straßenweltmeister 2014, Narváez Prado, Jhonatan Manuel (Ecuador), Pavel Sivakov (Russland), Ben Swift (Großbritannien) und Luke Rowe (Großbritannien)

Ben Swift trägt ein weißes Trikot mit Flaggenzeichen, weil er der amtierende Britische Straßenmeister ist. Sogar seine Rennmaschine wurde entsprechend lackiert. Ansonsten möchte ich nicht viele Worte verlieren, sondern die Bilder sprechen lassen.

Heute vor 69 Jahren

… wurde der Verein „Schachfreunde Badenstedt“ gegründet. Dokumentiert in der notariell beglaubigten Satzung aus dem April 1988:

„Schachfreunde Hannover“ lautete bereits seit 1978 unser neuer Name, da waren wir allerdings noch kein eingetragener Verein. Diesen formalen Schritt mussten wir Ende der Achtzigerjahre gehen, sonst wären wir vom Spielbetrieb ausgeschlossen worden. Dass wir die Ortsangabe „Hannover“ tragen durften, war nicht selbstverständlich. Die Bedenken einer Beamtin mussten zuvor ausgeräumt werden. „Schachfreunde Hannover“ heißen die „Schachfreunde Hannover“ noch immer. Durch die Fusion mit der Schachvereinigung um die Jahrtausendwende wurde das Gründungsjahr indes um 31 Jahre vorverlegt. 1919 statt 1950 bzw. 100 statt 69 Jahre lautet das aktuelle Alter. Ich mag die Zahl 69. Man weiß nie, ob sie gerade auf den Füßen oder auf dem Kopf steht. Ihr Wert bleibt stets gleich.

Im Jahr 1959 trat Rainer Zieseniß (Jahrgang 1939) den Schachfreunden Badenstedt bei. Gemessen an der Vereinszugehörigkeit ist er somit das älteste Mitglied. Sechzig Jahre hat er den Schachfreunden die Treue gehalten. Gemäß Verleihungsordnung des Niedersächsischen Schachverbands hat er dafür einen Ehrenbrief verdient.

 

1975 war der Verein 25 Jahre alt. Ehepartner, die es solange gemeinsam ausgehalten haben, feiern aus diesem Anlass ihre Silberhochzeit. Auf unserer ordentlichen Jahreshauptversammlung im März 1975 standen stattdessen zwei Ausflüge zur Wahl: Entweder eine Eintagesfahrt in unsere nähere Umgebung mit Abendessen und Tanz oder eine Zweitagesfahrt nach Berlin. Die Abstimmung endete mit einem Patt. Ein Fragebogen wurde zum Zünglein an der Waage. Die neigte sich in Richtung Berlin. Das Programm hatte Günter Fischer ausgearbeitet. Dazu gehörte ein Freundschaftstreffen mit dem Schachclub Kreuzberg. Der war gerade mit seinem spektakulären Neuzugang Ludek Pachmann in die Bundesliga aufgestiegen.

Die Zweitagesfahrt mit rund 25 Schachfreunden verlief harmonisch. Für die Abfahrt nach Berlin trafen wir uns am 23. August 1975 um Viertel vor Sechs am Verkehrsverein in der Luisenstraße. Unser 1. Vorsitzender Dr. Hans Wiehler hatte seinen Aufruf mit einem seiner obligatorischen Sprüche garniert: „Frühmorgens, wenn die Hähne krähn, ziehn wir zum Tor hinaus…“ Ob seine Rundfrage: „Wem gehört der VW mit Northeimer Nummer, der vor einer Woche am Ihme-Zentrum mit dem Aufdruck Reklame machte: SF Badenstedt-Niedersachsenmeister 1975, beantwortet wurde, ist mir nicht bekannt. Zeitzeugen mögen sich gern melden.

Unseren Programm-Direktor der Berlin-Fahrt, Günter Fischer, werden wohl nur noch wenige kennen. Günter war eine schillernde Persönlichkeit. Im Mai 1967 kam er aus dem Nichts, Anfang der Achtzigerjahre verschwand er auf Nimmerwiedersehen. Dazwischen haben wir einige Hundert Stunden gemeinsam verbracht. – Günter war Gastronom und kam aus Kiel. Dort war offenbar seine Bar abgebrannt. Die genaue Geschichte hat er mir nie erzählt. Vom Geld der Versicherung baute er sich in Hannover, genauer gesagt in Badenstedt, eine neue Existenz auf. Die bestand aus einem Lokal, das so schmal war wie ein Handtuch. Es war eine Mischung aus Bar und Imbiss. „Bei Renate“ hieß es bezeichnender Weise, denn hinter dem Tresen stand Renate, Günters Ehefrau. Renate war schätzungsweise 20 Jahre jünger als Günter, kontaktfreudig, charmant und hübsch. Sie schmiss den Laden, während sich Günter gern in unseren Kreisen aufhielt: Blitzschach oder Doppelkopf bis die Sonne aufging.

Günter war weder ein guter Schachspieler noch ein guter Doppelkopfspieler. Ich glaube, er hat in all den Jahren nicht eine einzige Schachpartie gegen mich gewonnen. Das hat er weggesteckt, obwohl er einen Hang zur Rechthaberei hatte. Günter war der gleiche Jahrgang wie meine Mutter (1924). Am 4. April 1974 feierten wir „Bei Renate“ seinen fünfzigsten Geburtstag. Ich schenkte ihm eine Langspielplatte von den „Singers Unlimited“. Auf die Hülle hatte ich mit Letraset die Zahl 50 gerubbelt. Günter hatte einen guten Musikgeschmack. In Sachen Jazz kannte er sich aus. So schwärmte er z.B. für Al Jarreau, der gerade am Anfang seiner Karriere stand. – Die Geburtstagsfeier dauerte bis zum nächsten Morgen.

Anfangs lief sein Lokal richtig gut. Ein Etablissement dieser Art war eine Marktlücke. Dank Günters Kontaktfreude und Renates Charme gehörten einige Profis von Hannover 96 zu den Stammgästen. Im Gegenzug waren wir häufig bei Bundesligaspielen im Niedersachsenstadion, bis die ehemaligen Leistungsträger wie Walter Rodekamp und Werner Gräber schwächelten. Ihr könnt mich heute mitten in der Nacht aus dem Schlaf holen. Die Namen aller 96-Profis, die 1964 den Aufstieg in die Bundesliga schafften, kann ich euch sofort lückenlos aufsagen. Aber fragt mich bitte nicht nach dem heutigen Kader. Drei bis vier Namen könnte ich ohne nachzuschauen nennen. Damals hatten Fußballprofis einen anderen Stellenwert. Heute sind die meisten eine beliebige Handelsware geworden.

Günters Hang zur Rechthaberei habe ich bereits erwähnt. Einmal hat er einen seiner Gäste verklagt, weil dieser vom mündlich zugesagten Kauf seines Kakadus zurückgetreten war. Geschäftstüchtig war er halt. Wer bei ihm die Fußball-WM 1974 im Farbfernsehen gucken wollte, musste extra 5 DM bezahlen. Renate hatte es nicht leicht mit ihm. Seine aufgeweckte Tochter, die sich an der Schwelle zum Teenager befand, auch nicht. Allein sein Deutscher Schäferhund namens „Rex“ war stets auf seiner Seite. Irgendwann ging es mit dem Lokal bergab. Günter brauchte eine neue Einnahmequelle. Er wurde Versicherungsvertreter. Seine Klientel: die Gastronomie. Wenn Günter einmal den Fuß in der Tür hatte, war es um den Wirt geschehen. Früher oder später machten die Wirte sowieso pleite. Auf eine Versicherung mehr oder weniger kam es dabei nicht an.

Von dem in wenigen Jahren in der Versicherungsbranche verdienten Geld kaufte sich Günter in Spanien eine Eigentumswohnung. Dorthin verschwand er grußlos aus unserem Schachverein und aus meinem Leben. Horst-Peter hat ihn in Spanien einmal besucht und rasch Reißaus genommen. Günter ist vor vielen Jahren verstorben. Gerüchteweise in Ungarn. Renate soll früh an einer heimtückischen Krankheit qualvoll gestorben sein.

Warum erzähle ich das? Weil solche Geschichten zur Tradition eines Vereins gehören. Und zur Identität.

Ich habe nur ein einziges Foto, auf dem Günter Fischer zu sehen ist. Das habe ich euch bereits in einem anderen Zusammenhang gezeigt. Hier ist es noch einmal. Günter steht in der Mitte zwischen Achim Bauer und Manfred Rockel. Er ist der kleine Mann mit der dunklen Turnhose.

Dornröschen und die Schachfreunde Hannover

Wie lange schlief Dornröschen? Wie lange gibt es die Schachfreunde Hannover? Richtig: jeweils 100 Jahre. Wo wurde folgerichtig gefeiert? Im Dornröschen!

Archivbild Pfingsten 2018

Dornenreich waren die 100 Jahre allemal. 1919 wurde der Arbeiter-Schachklub Hannover gegründet. Das genaue Datum ist nicht bekannt, aber es soll im März 1919 gewesen sein, als sich 15 Schachfreunde mit viel Idealismus und Opferbereitschaft zusammentaten:

Der Erste Weltkrieg war gerade vorüber. Die Schwere der Zeit lastete auf den Menschen. Der Daseinskampf war hart. In dieser entbehrungsreichen Zeit faßten einige Schachfreunde den Mut, einen Schachklub zu gründen. (Auszug aus der Chronik)

50 Jahre später gab es dieses Grußwort der Landeshauptstadt Hannover:

Im Namen des hannoverschen Rates und der Verwaltung gratulieren wir der Schachvereinigung Hannover gegr. 1919 zu ihrem 50-jährigem Jubiläum herzlich. Im Auf und Ab nach den beiden Weltkriegen hat die Schachvereinigung Hannover, die sich aus einem Arbeiter-Schachverein entwickelte, vieles gemeinsam mit der Stadt Hannover: treu der Heimat verwurzelt, hat sie ihre Aufgaben ernst genommen und ihren Teil zum kulturellen Leben der Stadt beigetragen. – Wir wünschen der Schachvereinigung einen erfolgreichen Verlauf ihres Jubiläums und ihren Gästen einige schöne Tage in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Holweg                                        Neuffer
Oberbürgermeister                   Oberstadtdirektor

Weitere 50 Jahre später kamen wiederum 15 treue Schachfreunde (darunter drei weibliche) zusammen. Das Dornröschen war am vergangenen Samstagabend der passende Ort. 50 Jahre zuvor fand die Jubiläumsfeier in den Brauerei-Gaststätten-Herrenhausen statt. Zutritt hatten nur geladene Gäste.

Was bringen uns die nächsten 50 bis 100 Jahre? Keine Ahnung. Womöglich hat die dreizehnte Fee wieder zugeschlagen. Ihr wisst schon: Tiefschlaf bis der Prinz kommt. Tradition hin oder her. „Genieße den Augenblick“, war das Motto eines gelungenen Abends, der mit einem Blitzturnier endete. Ihr ahnt es: später als es die Wirtin erlaubt, aber früh genug, bevor das Tor des Biergartens geschlossen wurde.

Besonders erfreut war ich über die Anwesenheit von Manfred Heilemann. Er ist mittlerweile 85 Jahre alt. Seine außergewöhnliche Spielstärke ist nach wie vor spürbar. Obwohl er seit vielen Jahren inaktiv ist, führt er mit einer Elo-Zahl von 2294 die Rangliste der Schachfreunde Hannover an. Manfred ist in Niedersachsen (10x Meister) die sprichwörtlich „lebende Legende“. Möge er mindestens so alt werden wie der Arbeiter-Schachklub-Hannover von 1919 heuer geworden ist.

Ein toller Tag in Berlin

Vor zwei Jahren hatte ich euch über Drei tolle Tage in Berlin  berichtet. Heute gibt’s von mir ein paar Eindrücke von einem tollen Tag, den ich gestern in Berlin erlebt habe. In zehn Sportarten wurden dort an diesem Wochenende die Deutschen Meisterschaften ausgetragen. Schach war nicht dabei, wenngleich es als Randsportart am Rande doch eine Rolle spielte. Dazu später mehr. Der Olympische Gedanke schwebte über allem, und das war gut so.

Berlin ist zweifelsohne wunderbar, obschon der Berliner wegen seiner sprichwörtlichen Schnauze an sich gewöhnungsbedürftig ist.

Gestern zeigten sich die Berlinerinnen und Berliner indes von ihrer besten Seite. Während Hannoveraner den Athleten meist dröge zuschauen, geizen die Berlinerinnen und Berliner nicht mit Applaus.

Am lautesten war es beim Frauenboxen im Kuppelsaal. Aber auch Triathleten, Leichtathleten, Moderne Fünfkämpfer und Bogenschützen wurden im Olympiapark angefeuert.

Besonders beeindruckt war ich von dem, was parallel zu den Finals im Sportpark geboten wurde. Der Landessportbund präsentierte sich mit einem Familiensportfest der Extraklasse. So etwas hatte ich in diesem Ausmaß zuvor noch nie erlebt. Schach durfte dabei natürlich nicht fehlen. Wer angesichts dieser Stellung nicht ins Grübeln kam, konnte sich anderweitig inspirieren lassen.

Dazu zeige ich euch in der Bildergalerie drei Möglichkeiten, die dem Nachwuchs geboten wurden: Fußball (Marco Reus aufs Hertha-Tor), Basketball (Dirk Nowitzki in spe mit Nachhilfe) und Weltraumtraining (à la Alexander Gerst). – Nichts geht jedoch über Frauenpower. Von den Finals bei den Leichtathletinnen seht ihr drei Schnappschüsse: 3.000 m Hindernislauf, Kugelstoßen und 400 m Lauf mit der Siegerin Luna Bulmahn, die aus Hannover kommt. 60 m vor dem Ziel lagen die Läuferinnen noch fast gleichauf.

Wenn das Volk glücklich ist, gibt’s im Kanzleramt keinen Grund zur Panik. Und so durfte die Abendsonne einen tollen Tag in Berlin stilvoll abrunden.

Schatzmeister fordert Haarwuchsmittel!

Den Aufmacher habe ich mir nicht ausgedacht. Das erkennt ihr an folgendem Untertitel:

(große Fettdruckschlagzeile wie in einer 10-Pfennig-Zeitung), darunter Foto des Schödeldaches = Glatze von oben mit eingezeichneten Jahresringen, die deutlich zeigen, wie in den letzten 3 Jahren die Haare immer schneller schwinden, und dann in normaler Schriftgröße der Text, der mit bewegten Worten schildert, wie der arme Schatzmeister sich ständig die Haare rauft, weil seine Geldlieferanten – die Vereine, Kreise oder Bezirke – ihn nach dem glanzvollen Osterkongreß schmählich mit ihren Beiträgen aufsitzen lassen.

Yeah! Es handelt sich um das Rundschreiben Nr. 3 des Niedersächsischen Schachverbands mit Datum vom 15. August 1963. Das war 6 Jahre vor der ersten Mondlandung und ein Jahr bevor ich zahlendes Mitglied im Deutschen Schachbund wurde. Die 10-Pfennig-Zeitung gibt es noch immer, wenngleich in neuer Währung. Mit der Zahlungsmoral unter Schachspielern ist es wie eh und je bestellt, nur etwas hat sich geändert: der Humor unter Schachfunktionären. Oder könnt ihr euch vorstellen, dass ein zeitgenössischer Schatzmeister einen solchen Aufruf (leicht gekürzt) verfassen würde?

Wenn mein Rundschreiben-Beitrag so oder ähnlich mit Schlagzeilen und Bildern aufgemacht würde, fände er vielleicht die Leser, die ihn jetzt, bes. in einem umfangreichen Rundschreiben einfach überspringen, weil sie mit Recht darin keine großen Erfolgsmeldungen, sondern nur die üblichen und lästigen Klagen über die gesunkene Zahlungsmoral vermuten.

Spaß beiseite, es ist mir leider wieder tierisch Ernst mit meiner Mahnung! […] Sollte ich die „Einzahlungspflichtigen“ öfter mahnen?, und zwar einzeln? – Das sollte ich vielleicht tun, und die unterlassenen Einzelmahnungen könnte man mir mit Recht zu Last legen! Aber was würden Sie an meiner Stelle tun, wenn Sie in der knappen Freizeit, die Ihnen Ihr Beruf lässt,
1. Ein Haus bauen wollen (was viel Zeit kostet und viel Aufregungen mit sich bringt)
2. Einen großen Garten beim Dienstgrundstück in Ordnung zu halten haben, und
3. Ihrem Hobby zuliebe ein Ehrenamt übernommen haben, das nicht nur einige zeitraubende Arbeit verlangt, sondern auch Ärger macht und Ihnen oft genug nicht gedankt wird, durch Versagung der Mitarbeit.

Ich bin überzeugt, daß Sie fast einhellig antworten werden: Kein Haus bauen, für den Garten, den Sie nicht sich durch Verpachtung sich vom Halse schaffen können, einen ständigen Gartenpfleger einstellen und im übrigen die ganze Freizeit dem Ehrenamt widmen!! Glücklicherweise habe ich auch einige treue „Kunden“, die anderer Ansicht sind, die der Organisation das pünktlich geben, was der Organisation ist. Diese liebenswerten Schachfreunde haben mich bisher am Leben gehalten, aber leider schrumpft auch ihre Zahl fast in dem Tempo meines Haarschmuckes. […]

Vom 19.7. bis 16.8. bin ich zur Kur in Bad Mergentheim, um meinen gallenlosen Bauch aufmöbeln zu lassen. Gelder kann ich von da aus zwar verschicken, aber ich wäre maßlos überrascht und auch sehr erfreut, über kurze Postkartengrüße, auf denen unten vermerkt ist, „Wir haben den Verbandsbeitrag überwiesen!“

Im übrigen bin ich nichtsdestotrotz mit freundlichen Schachgrüßen Ihr Ihnen sehr zugetaner, leider manchmal auch recht geplagter Schatzmeister
W. Gerhard

Mit dem Haarausfall ist es wie mit den Reiskörnern auf dem Schachbrett. Nur umgekehrt. Dabei könnten Schachfunktionäre heutzutage mit Pilzköpfen wie einst die Beatles herumlaufen, wenn sie sich von den „Alten Zöpfen“ trennen würden.

Was aus dem Schachfreund W. Gerhard geworden ist, weiß ich nicht. Gleichwohl hat er den richtigen Anstoß gegeben. Radrennfahrer haben das längst erkannt und lassen sich vorsorglich behandeln. Zum Beispiel am 1. Mai 2019 in Frankfurt am Main:

Doping für die Haare!
Niedersächsische Landesmeisterschaft 1977 in Wolfenbüttel

 

Stippvisite in Magdeburg

Mein heutiger Ausflug nach Magdeburg kam mehr oder weniger spontan zustande. Der Deutsche Schachgipfel hatte mich neugierig gemacht. Den Ausflug habe ich nicht bereut. Das letzte Mal war ich vor über 20 Jahren in Magdeburg, und seitdem hat sich dort eine Menge getan. Obwohl das Wetter suboptimal war, verspürte ich bereichsweise den Charme von Köln.

Ich will mich kurz fassen. Noch laufen einige Partien der 2. Runde. Das Ambiente in der Festung Mark gefällt mir außerordentlich gut. Vielleicht ist es ein bisschen zu eng, und vielleicht sind die Lichtverhältnisse an einigen Stellen unzureichend, aber man kann nicht alles haben. Besonders erfreut war ich, einen sympathischen Hamelner, nämlich Wilfried Bode anzutreffen. Wilfried ist als Betreuer des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten-Schachbunds tätig. Wir begegnen uns häufig auf Entdeckertagen, Radrennen und manchmal auch, wenn Schach gespielt wird. Im Anschluss findet ihr einige Schnappschüsse vom Auftakt der 2. Runde um 16:00 Uhr. Auf einem der Fotos ist Christian Polster (HSK Lister Turm) zu sehen. Er vertritt die Farben Niedersachsens.

Ich wünsch‘ mir noch ’n geiles Leben – ohne Schach

Als ich vor 6 Jahren mit meinem Rennrad ungebremst auf die Heckscheibe eines VW-Polo geprallt bin, habe ich danach eine Weile gespürt, was es heißt, tot zu sein. Da ist nichts. Nullkommanichts. Glaubt keiner Religion, die euch etwas anderes verspricht. Der Orbitaboden unter meinem rechten Auge war zertrümmert, aber er hat mir mein Leben gerettet. Anders erging es dem Seniorchef eines großen Möbelhauses: Robert Hesse. Er starb im Dezember letzten Jahres im Alter von 82 Jahren, als er mit seinem Auto auf eine Landmaschine prallte. Sein Tod hat mich betroffen gemacht. Im Jahr 2011 hatte ich die Ehre, Robert Hesse persönlich kennenzulernen. Er hat mir bei der Gelegenheit ein Buch über sein Leben und die Geschichte seines Unternehmens geschenkt. Es heißt: HESSE. Visionen für Menschen. Das Buch ist ausgezeichnet gemacht. Es ist gespickt mit persönlichen Erlebnissen des Seniorchefs und der Realisierung seiner Visionen. „Die Zukunft gestalten“, ist ein Stichwort. Wir können die Zukunft nur gestalten, solange wir leben. Das Leben kann von jetzt auf gleich vorbei sein. Gestern früh war ich mit der Bahn auf dem Weg nach Flensburg. Plötzlich kam die Meldung, dass die Strecke gesperrt sei, weil es in der Nähe von Rendsburg einen schweren Unfall gegeben habe. Ihr habt sicher davon gehört: Eine Regionalbahn war auf einen mit einer Baumaschine beladenen LKW geprallt, der auf einem Bahnübergang stehengeblieben war. Das hätte auch meinem Zug widerfahren können. Was dann?

1964 wurde ich Mitglied der Schachfreunde Badenstedt. Ich war 15 Jahre alt. Damit war ich der Jüngste im Verein, und ein Vorstandsmitglied hatte tatsächlich angesichts meines Alters Bedenken. Wer heutzutage mit 15 Jahren nicht den Großmeistertitel erworben hat, gilt in der Schachszene bereits als Loser. Die ersten Jahre im Schachverein waren prägend für mein Leben. Der Homo ludens unterscheidet sich halt vom Homo mercatorius. Danach gab es unterschiedliche Phasen. Unvergessen sind die Siebzigerjahre (meine Zwanziger). Bezirks- und Landesmeisterschaften waren sportliche Höhepunkte. Mindestens genauso prickelnd waren die Doppelkopfabende mit Schöngeistern wie Helmut Reefschläger. Mein 30. Geburtstag war eine Zäsur. Zu meiner Geburtstagsfeier hatte ich ausschließlich Schachfreunde eingeladen. Ein Schachfreund brachte mir das beste Geschenk aller Zeiten mit: Brigitte. Noch im selben Jahr haben wir geheiratet. Seitdem habe ich einen guten Grund, meine Geburtstage doppelt zu feiern. Vor wenigen Tagen waren es die runden Zahlen 70 und 40.

In der Folge geriet Schach immer mehr in den Hintergrund. Das lag nicht nur an meinem Beruf, meinem Eheleben und der Geburt meiner Tochter, sondern vor allem an der Erfüllung eines Jugendtraums: Radrennfahrer zu werden. Den Traum konnte ich trotz meines späten Einstiegs wahrwerden lassen. Mehrere Titel konnte ich einheimsen. Dafür waren Disziplin und hartes Training erforderlich. Der Radsport hat mir viel Freude bereitet; und zwar in der Regel mehr als Schach in seinen besten Momenten. Wer Körper und Geist in Schuss hält, hat gute Aussichten, das Rentenalter nicht nur zu erreichen, sondern dies ohne größere Einschränkungen zu genießen.

Das Rentenalter habe ich vor 5 Jahren erreicht. Nun plane ich eine weitere Zäsur. Schach steht dabei nicht auf der Agenda. Nicht, weil ich etwa verbittert wäre, keineswegs, ich habe nur einfach keine Lust mehr. Im Grunde geht es mir so wie Vladimir Kramnik allerdings mit dem Unterschied, dass ich bereits seit 55 Jahren Turnierschach spiele, von denen ich nur wenige Jahre ausgelassen habe. Nun könnte ich mich ja – wie es viele andere Schachfreunde in der gleichen Situation tun – für Organisationszwecke zur Verfügung stellen, wären da nicht die Strukturen, die

Konrad-Adenauer-Denkmal in Bonn

aus einer Zeit stammen, als Konrad Adenauer Bundeskanzler war. So alt kann ich gar nicht werden, dass sich daran etwas Entscheidendes ändert. Das liegt an der Mehrheit der Funktionäre, die konservativ und autoritär ausgerichtet ist. Es gibt auch die fortschrittlichen – dazu zähle ich unseren NSV-Präsidenten Michael S. Langer -, doch die sind ziemlich machtlos, weil sie seit jeher ausgebremst werden. Darüber hinaus beobachte ich eine zunehmende Selbstgerechtigkeit unter den Hardlinern, die durch die sozialen Medien befeuert wird. Das stößt mich ab. Eine Haltung, die z.B. der Geschäftsführer des DSB-Wirtschaftsdienstes verkörpert, ist nicht mit meinen Wertvorstellungen vereinbar.

In Kürze steht die Neuwahl des DSB-Präsidenten an. Ich hoffe, dass Uwe Pfenning gewählt wird. Auch ihm wird es nicht gelingen, die Strukturen umzukrempeln, aber die Rückkehr zu mehr Menschlichkeit unter uns Schachspielern traue ich ihm zu. Der amtierende Präsident Ullrich Krause hat mich enttäuscht. Seine Ideen fördern nicht die Schachkultur. Außerdem hat er auf die falschen Leute gesetzt, wodurch das Hauen und Stechen unter den Schachfunktionären zugenommen hat. Angesichts des Gezänks habe ich manchmal den Eindruck, Mitglied einer reaktionären Partei zu sein, die sich alternativ nennt.

Bei den Schachfreunden Hannover war die alternative Welt bislang in Ordnung. Gleichwohl sind auch wir vom Aderlass betroffen, mit dem die meisten Schachvereine zu kämpfen haben. Deshalb ist für die nächste Saison eine Spielgemeinschaft mit dem SK Ricklingen beschlossen worden. Ich halte nichts davon. Besser das ehrenvolles Ende einer Ära als das Abgleiten in die Beliebigkeit der Identität. Nichtsdestotrotz wünsche ich denen, die für die Spielgemeinschaft eintreten, viel Erfolg. Meine Vereinszugehörigkeit wird am 30. Juni 2019 enden. Ich blicke zurück auf 55 „feiste“ Jahre mit Höhen und Tiefen. Ohne die Tiefen hätte ich die Höhen nicht wahrgenommen.

Dem Schachspiel bleibe ich natürlich verbunden. Ich werde weiterhin Just for Fun Schachspielen und womöglich hier oder anderswo meine Sicht der Dinge kundtun. Unserem Blog habe ich 5 Jahre lang den Stempel aufgedrückt. Dabei hat es immer wieder gemenschelt. Das hat nicht jedem gefallen. Der Unterhaltungswert hat indes gestimmt. Deshalb möchte ich meinen Beitrag mit dem mir eigenen Humor beenden:

Als ich an meinem 70. Geburtstag vor dem Kölner Dom stand, entsandte der Himmel eine Botschaft in Gestalt zweier Möpse. Mir war sofort klar, was dieses Zeichen bedeuten sollte. Zu den geistreichsten Erkenntnissen unserer Epoche gehört Loriots Satz:

Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.

Für Schachspieler lautet der Umkehrschluss:

Ein Leben mit Schach ist sinnlos, aber möglich.

Amen.

Zwei Möpse für ein Halleluja!

 

Ilja Schneider Deutscher Blitzmeister 2018

Die Überschrift habe ich den Schachfreunden Berlin entnommen. Der „Hannoveraner“ IM Ilja Schneider heißt es auf der Webseite des Niedersächsischen Schachverbands. Ja. Wir Hannoveraner freuen uns mit ihm und wollen IM Dennes Abel nicht vergessen. Er belegte den 6. Platz und stammt ebenfalls aus Hannover. Von Ilja zeige ich euch ein Archiv-Foto. Es stammt vom Leine-Open 2017. Ilja nicht als Akteur, sondern als Kiebitz. Hochkonzentriert ist er trotzdem:


Wer sich die Kommentare im Schach-Ticker durchliest, wird auch kritische Töne vernehmen, was Iljas Leistung keinesfalls schmälert. Allerdings sollte sich der DSB fragen, ob die Attraktivität solcher Meisterschaften inkl. Öffentlichkeitsarbeit nicht verbesserungsfähig ist. Wie stark Wunschdenken und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigt die vermeintliche Zahl der Besucher. Der SC Bamberg spricht als Veranstalter von rund 50 anwesenden Zuschauern. Ein Teilnehmer (lukki) schreibt indes im Schach-Ticker:

„Das Zuschauerinteresse war leider fast geich null und kann nur schön geredet werden. Ich habe, weil ich es so erschreckend empfand, in ca Runde 25 gerade mal 6 Zuschauer gezählt. Leider.“

Achterbahnfahrt in der Verbandsliga

Erst 1:7, dann 5,5:2,5 und gestern 1,5:6,5 lauten unsere Ergebnisse in den ersten drei Runden der Verbandsliga Süd. Nachdem wir die 3. Mannschaft des SK Lehrte vor zwei Wochen souverän besiegen konnten, waren wir dessen 2. Mannschaft am Totensonntag nicht gewachsen. Ohnehin ersatzgeschwächt mussten wir ein Brett freilassen, weil ein Schachfreund im letzten Moment abgesagt hatte. Wir holten drei Remis, der Rest ging verloren. Auch meine Partie. Es war meine erste Niederlage in der Verbandsliga; die vergangene Saison mitgerechnet. Mein junger Gegner hat verdient gewonnen, wenngleich ich in ausgeglichener Stellung ein bisschen mithalf. Die entscheidenden Momente meiner Partie zeige ich euch im Anschluss. Ich hätte etwas eher aufgeben können, aber urplötzlich war der weiße König in Bedrängnis.

Wie geht es weiter? Klar! Mit Schwung nach oben. Unser nächster Gegner sind die Schachdrachen aus Isernhagen. Schnallt euch an!