Sind wir wirklich vor dem Abstieg aus der Oberliga gerettet? Nein! Was ist, wenn Punkt 2.10.2 der Turnierordnung zum Tragen kommt? Dann werden uns nämlich zwei redlich verdiente Mannschaftspunkte abgezogen. Den letzten Mannschaftskampf bestreiten wir in Lingen. Lingen liegt bekanntlich an der holländischen Grenze. Auf der Anfahrt dorthin kann viel passieren. Kommen wir eine halbe Stunde zu spät an, gehen nicht nur dieser Mannschaftskampf mit 0:8 verloren – wogegen nichts einzuwenden ist –, sondern zwei weitere Punkte. Wir hätten dann in der Endsumme nicht 7:11 Punkte, sondern 5:13 Punkte. Ob das reicht?
Das Szenario gilt für alle Mannschaften, die vom Abstieg bedroht waren oder sind. Was ist zum Beispiel, wenn die Hamelner nicht rechtzeitig im Bremer Weserstadion ankommen? Wobei auch der Aufstieg betroffen sein kann. Ist z.B. das Spiellokal der Lingener nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt verfügbar, was uns in einem vergleichbaren Fall schon passiert ist (der Hausmeister hatte verpennt), verlieren die Lingener mit 0:8 Punkten und zwei zuvor erworbene Mannschaftspunkte. Die Konsequenz: Der HSK Lister Turm belegt den ersten Platz in der Tabelle und steigt in die 2. Bundesliga auf.
Diese Fälle sind zwar rein theoretisch, aber auszuschließen sind sie nicht. Der sportliche Wert einer ganzen Saison wäre damit auf den Kopf gestellt. Ob „Höhere Gewalt“ davor schützt, die allein im Ermessen des Turnierleiters liegt, darf bezweifelt werden.
Eine weitere Regel in der Turnierordnung halte ich aus sportlichen Gesichtspunkten für unangebracht:
2.1.3 Es kann nur jeweils eine Mannschaft eines Vereines in der Oberliga Nord spielen.
Diese Regel führt nun dazu, dass die 3. Mannschaft des SV Werder Bremen absteigen muss. Nicht, weil sie den Klassenerhalt nicht aus eigener Kraft schaffen könnte, sondern weil die 2. Mannschaft aus der 2. Bundesliga absteigt. Das heißt, die ganze Saison der 3. Mannschaft ist für die Katz‘. Sie hätte auch den zweiten Platz in der Endabrechnung belegen können; es hätte sie nicht vor dem Abstieg bewahrt. Dieses Damoklesschwert betrifft weitere Mannschaften im Norden: Hamburger SK, SF Berlin und SK König Tegel.
Dass zwei Mannschaften eines Vereins problemlos in einer Liga spielen können, zeigt aktuell die Verbandsliga Süd. Dort spielen die zweite und dritte Mannschaft des HSK Lister Turm. Deshalb erschließt sich mir nicht der Sinn der Ausschlussregel, die es leider auch auf Bundesebene in der 2. Bundesliga gibt (womöglich liegt es am selben Vater). Aus meiner Sicht darf diese Regel nur für die 1. Bundesliga gelten. Dort ist es in der Tat angebracht, dass Schachvereine nur mit einer Mannschaft spielberechtigt sind. Darunter sollten nur sportliche Aspekte ausschlaggebend sein. Warum sollte es einem Verein nicht erlaubt sein, z.B. mit drei Mannschaften in der Oberliga zu spielen? Auf diese Weise müsste nicht eine einzige Mannschaft in Deutschland zwangsabsteigen.
Darüber hinaus ist die Spielberechtigung reformbedürftig. Der aktuelle Fall im Mannschaftskampf zwischen dem Hamelner SV und dem SC Tempo Göttingen zeigt, wie fragwürdig und verklausuliert diese Regel auch auf Landesverbandsebene ist. Dort ging es um den Einsatz des Spielers Benjamin Lönhardt am 8. Brett der Göttinger. Er hatte am 11. März in der 8. Runde am 1. Brett der 2. Mannschaft in der Verbandsliga Ost gespielt. Durfte er eine Woche später in der 8. Runde der Oberliga eingesetzt werden? Um solche Diskussionen zu vermeiden, plädiere ich dafür: „Lasst die Leute spielen, wenn sie Zeit und Lust haben! Einzige Ausnahme: nicht simultan!“
Nicht alles, was in der Turnierordnung steht, ist schlecht. Gleichwohl gibt es an einigen Stellen Reformbedarf. Dass sich etwas ändert, ist indes unwahrscheinlicher als der Klassenerhalt des Hamburger SV in der Fußballbundesliga. Der Grund: niemand traut sich, die Turnierordnung anzutasten, die uns zu jeder Saison per „copy and paste“ aufs Neue präsentiert wird.
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