„Spasski wird in die Schachgeschichte eingehen als ein Schachspieler von hoher und sehr origineller Begabung mit weitem strategischem und taktischem Gesichtskreis. Seine strategische Verwegenheit bereicherte in Verbindung mit feiner psychologischer Berechnung die Annalen schachlichen Schaffens. Als besonders gefährlich erwies sich sein Stil für strenge Rationalisten, die zu evolutionärem Denken neigen, aber mitunter vergessen, dass zuweilen ein Tempo Gold wert ist.“ (Zitat aus „Strategie der Schachweltmeister“ von A. Suetin).
Das Buch wurde 1983 im Sportverlag Berlin veröffentlicht. Es kostete 13,50 Mark. Die Mark gibt’s nicht mehr. Den Verlag gibt’s nicht mehr. Die DDR gibt’s nicht mehr. Die UdSSR gibt’s nicht mehr. Aber Boris Spasski lebt noch. Das freut mich. Heute wird er 80 Jahre alt. Über Spasski gibt es viele aufschlussreiche Artikel; vor allem auf ChessBase: aktuell guckt ihr hier:
http://de.chessbase.com/post/zum-80sten-geburtstag-von-boris-spassky
Ich möchte an das Ereignis erinnern, das zwei Jahre vor dem spektakulärsten Schachmatch aller Zeiten stattfand: an die Schacholympiade 1970 in Siegen. Einige Schachfreunde aus unserem Verein hatten sich auf den Weg ins Sauerland Siegerland gemacht und wurden dort Zeuge von Spasskis Sieg über Robert Fischer. Über die Schacholympiade in Siegen hat ChessBase im Jahr 2005 einen lesenswerten Artikel verfasst. Den könnt ihr euch hier ansehen:
https://de.chessbase.com/post/siegen-1970
Von mir gibt’s noch ein exklusives Foto von Spasski aus dem Spielsaal. Das Porträt oben links hat übrigens ein Künstler gefertigt, den Robert Neuhoff kannte. Ich bekam es Ende der siebziger Jahre geschenkt. Eine Weile hing es im Schaufenster des Raschplatz-Pavillons. Ja, damals hatten wir mitten in der Stadt ein Spiellokal mit einem großen Schaufenster!
Als Bonbon habe ich noch den letzten Zug aus der Partie Spasski-Fischer zu bieten, den ich live miterleben durfte:
Boris Spasski (UdSSR) – Robert Fischer (USA)
Schacholympiade 1970 in Siegen
Weiß am Zug
Ich durfte Boris Spasski sogar mal live als Schiedsrichter erleben. Vor einigen Jahren tauchte er mit der zweiten Mannschaft der Solinger SG (oder war es Porz?) im ostwestfälischen Enger auf. Dort spielte er am ersten Brett der 2. Bundesliga West.
Zu Spasski fällt mir eine Geschichte ein, die sich 1979 bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft in München ereignet hat. Mit von der Partie war der Berliner Harald Lieb. Lieb gewann die Partie überraschend, weil Spasski im 9. Zug (Sxh2?) eine Figur eingestellt hatte. Im 24. Zug gab Spasski auf und tröstete sich anschließend mit einer Flasche Cognac.
http://www.365chess.com/view_game.php?g=2496403
Über diese Partie berichtete der TAGESSPIEGEL in seinem Nachruf über Harald Lieb. Das Berliner Schach-Urgestein starb am 8. Februar 2015.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/harald-lieb-geb-1934/11679504.html
Gegen Harald Lieb habe ich einmal gespielt. Es war in der 2. Bundesliga 1990/91. Die Partie endete unspektakulär mit einem Remis. Guckt ihr hier:
http://www.365chess.com/view_game.php?g=1993918
Zu der Partie Lieb-Spasski fällt mir noch etwas ein. Meines Wissens wurden beim Münchner Turnier bei einigen Spielern medizinische Messungen durchgeführt. Als Spasski die Figur einstellte, soll Liebs Pulsschlag durch die Decke gegangen sein.
Sag mal, Jörg, kann es sein, dass du Spasski mit einer anderen Schachlegende verwechselst? Meines Wissens hat Boris Spasski zuletzt 1990 für die SG Solingen in der 1. Bundesliga gespielt.
Auf WDR 2 gab es am 30. Januar in der Rubrik „Stichtag“ einen Beitrag über Spasski anlässlich seines 80. Geburtstags. Der dauert 4:32 Minuten. Wer ihn hören möchte, muss den Ton einschalten:
http://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr2/wdr2-stichtag/audio-boris-spasski-schachweltmeister-geburtstag–100.html
Die Partie habe ich gefunden, Spassky (2560) vs. Zlatilov (2365), BL2-W 9091. Findet man in den einschlägigen Online-Datenbanken. Leider finde ich so spontan keine Statistiken zu den Ligen.
Verdamp lang her! Dass du so lange Schiedsrichter bist, hätte ich nicht gedacht, Jörg. – Offenbar hat Spasski in seiner letzten Saison bei der SG Solingen ein einziges Mal in der 2. Bundesliga gespielt. Und du warst dabei. So etwas nennt man historisch. In derselben Saison gaben wir unser Gastspiel in der 2. Bundesliga Nord. Zur gleichen Zeit habe ich also gegen Harald Lieb in Berlin gespielt.
Auf den Artikel im TAGESSPIEGEL über Harald Lieb möchte ich kurz zurückkommen. Ich bin fasziniert von dem großartigen Schreibstil. Besser kann man einen Nachruf nicht schreiben. Jeder Satz ist ein Volltreffer. Auch der letzte: „Und spielte weiter, bis zum Schluss.“
Verfasst wurde der Artikel von einer Redakteurin, die zugleich die Stabsstelle Kommunikation der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) leitet. Sie heißt Candida Splett. Den Namen werde ich mir merken: https://www.swp-berlin.org/wissenschaftler-detail/candida-splett/
>>Einige Schachfreunde aus unserem Verein hatten sich auf den Weg ins SAUERLAND gemacht und wurden dort Zeuge von Spasskis Sieg über Robert Fischer.<<
Sauerland? Da muss ich als SIEGERLÄNDER aber ganz entschieden protestieren! 😉
Gebongt!
Beim Tagesspiegel gibt es oft sehr interessante Nachrufe (immer eine ganze Seite in der gedruckten Ausgabe freitags). Gestern gab es einen über Fernschach-GM Hans Berliner – der ist derzeit (noch) nicht online verfügbar.
Aber z.B. dieser hier über einen wesentlich unbekannteren Schachfreund:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachruf-auf-michael-keit-geb-1936-das-einmannuniversum/7188858.html
Auf ChessBase ist jetzt der Nachruf aus dem Tagesspiegel über Hans Berliner verlinkt:
http://de.chessbase.com/post/ueber-hans-berliner-im-tagesspiegel
Der Nachruf törnt mich nicht so an wie der aus der Feder von Candida Splett, aber lesenswert ist er allemal. Johannes Laubmeier heißt der Autor:
http://www.laubmeier.net/Leben
NRW – Unbekanntes Land
Siegen gehört ins Siegerland und nicht ins Sauerland. Das habe ich dank eines aufmerksamen Lesers gelernt. Wohin gehört Münster? Ins Münsterland. Logisch!? Nein. Die HAZ verlegt Münster heute kurzerhand nach Ostwestfalen:
„Dass Münster gewonnen hat, ist keine Überraschung – die Ostwestfalen siegen seit Jahren bei so ziemlich jedem Fahrradtest.“
Dieser Fauxpas gehört zum Artikel: Radfahrstädte: Hannover auf Platz fünf.
Geographie: HAZ Note fünf.
Der geneigte Leser verzeiht. Ein bisschen.
Münster gehört nicht nur zu den Vorzeigestädten, wenn’s ums Fahrradfahren, sondern auch wenn’s um Schachvereine geht. Der Schachklub Münster 1932 e.V. ist ein Vorzeigeklub. Auf der Bundesvereinskonferenz referierte dessen Vorsitzender, Thomas Schlagheck. Der SK 32 sei ein stolzer Verein, der seit über 50 Jahren durchgehend 110 bis 150 Mitglieder habe, davon stets 20 bis 50 Jugendliche. Für den Erfolg gebe es eine Formel. Diese Formel beinhalte additive und multiplikative Einflussgrößen:
• Multiplikative Größen sind chancenreich, aber auch gefährlich
• Eine Multiplikation mit „Null“ macht alles zunichte
• Additive Größen helfen bei der Zielerreichung – aber notfalls geht es auch ohne sie. Ihr Ausfall kann sich gegenseitig kompensieren.
• Jeder Wert wird zwischen 0 und 1 skaliert; das Erfolgspotential liegt demnach zwischen 0 und 5
1. Vereinsgröße 0,8*
2. Finanzmittel +0,3* (additiv)
3. Größe der Gemeinde +0,4*
4. Sozialstruktur der Gemeinde +0,6*
5. Eigenständige Jugend +0,6*
6. Gute Vereinsräume +0,7*
7. Anzahl Mitglieder +0,7*
8. Hauptamtliche Unterstützung/FSJ +0,3*
9. Förderung durch Gemeinde +0,3*
10. Skills der Mitarbeiter +0,6*
11. Vernetzung +0,3*
12. Vereinsfrieden (multiplikativ)
13. Freiräume für Mitarbeiter (multiplikativ)
Alles klar? Nach eigener Berechnung kommt der SK Münster 32 auf ein Gesamtpotential von 3,47 (von max. 5,0). Die Erfolgsformel habe ich verkürzt dargestellt. In den einzelnen Größen steckt der Teufel, äh das Detail. Das Ganze nennen die Münsteraner augenzwinkernd eine Spielerei. Wohl wahr. Aber wehe, ihr müsst mehrmals mit einer „Null“ multiplizieren, wenn es um euren Verein geht. Dann droht der Exitus.