Was ihr schon immer über Ricklingen wissen wolltet, aber bisher nicht zu fragen wagtet, hat nun ein Ende. Das Stadtteilzentrum Ricklingen hat gemeinsam mit dem Historischen Museum ein Projekt verwirklicht, das die persönlichen Sichtweisen einiger Stadtteilbewohner in Form von Zeichnungen und Fotos widerspiegelt. Morgen findet die Ausstellungseröffnung um 17:00 Uhr neben dem Stadtteilzentrum statt. Wer will, kann sich die Einladung auf Hannover.de anschauen und natürlich vor Ort dabei sein.
Da ich eine persönliche Einladung erhalten habe, werde ich an der Eröffnung teilnehmen. Einige von euch wissen, dass ich beim Projekt „Was ist Linden?“ mitgemacht hatte. Im vergangenen Jahr wurden die Arbeiten im „Von-Alten-Garten“ ausgestellt. Mein Thema waren meine regelmäßigen Besuche bei einem Kartoffelhändler auf dem Lindener Markt. Dazu gab es Fotos und eine Geschichte. Wenn ich das richtig sehe, wird diesmal auf Worte verzichtet.
Ein Blog lebt von Worten. Gleichwohl verzichte ich vorerst darauf, meinen Blick auf Ricklingen und – womöglich – dessen Schachklub in selbige zu fassen. „Erblicken Sie Ricklingen in einer großen Open-Air-Ausstellung mit ganz neuen Augen!“, lautet der Aufruf der Veranstalter. Da will ich nicht vorgreifen. Für alle, die nicht wissen, dass die Sonne im Winter in den Ricklinger Kiesteichen versinkt, habe ich indes dieses Foto herausgesucht. – Im Sommer geht die Sonne aus gutem Grund am Ende der Limmerstraße unter.
Wusstet ihr, dass Bad Wildungen den größten Kurpark Europas hat? Und den längsten!? Die Hälfte der 7,5 km langen Strecke bin ich am Mittwoch rauf und runter gelaufen. Warum erzähle ich das? Weil Bad Wildungen neuerdings zum Mekka für Amateurschachspieler*innen und Senior*innen wird. Henning Geibel rührt derzeit die Werbetrommel für die mehr oder minder Betagten. Vom 17. bis 25. Juli werden dort die 35. Deutschen Seniorenmeisterschaften ausgetragen. Ich möchte an dieser Stelle im Sinne von Sarah Connor für die Schönheit der Kleinstadt werben, die etwa halb so groß ist wie Hannover-Linden: „Weißt du denn gar nicht, wie schön du bist?“
Über allem thront das Schloss Friedrichstein:
Gegenüber vom Spiellokal, dem Maritim-Hotel, befindet sich diese Konzertmuschel:
Blick auf den Kurpark von der Kurparktreppe Richtung Stadtmitte:
Auch die Altstadt ist schön. Marktbrunnen mit Blick auf die Brunnenstraße.
Mal ehrlich. Eigentlich habe ich Bad Wildungen aufgesucht, weil dort meine Zugfahrt endete. Mein Ziel war der Edersee. Mit dem Bus kann man den in etwa 30 Minuten erreichen. Also nichts wie hin nach Beendigung eurer Schachpartien. Derzeit ist der Anblick erfreulich. So viel Wasser gab’s schon lange nicht mehr.
Die Sperrmauer von hinten ist immer ein Hingucker:
Auch in Richtung Kassel gibt es ein lohnendes Ausflugsziel. In einer halben Stunde erreicht man mit dem Bus oder mit der Hessenbahn die Domstadt Fritzlar. Die Altstadt ist wirklich sehenswert:
Am 21. März 2023 ist unser langjähriges Mitglied und einer der besten niedersächsischen Schachspieler, FM Michael Geveke, nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von nur 59 Jahren verstorben. In den Jahren 1981 und 1982 wurde er Landesmeister in der A-Jugend, 1982 wurde er Deutscher Einzelmeister der A-Jugend. In der Saison 90/91 und 91/92 spielte er für den Bielefelder SK in der 1. Schachbundesliga.
Michael wurde 1980 Mitglied bei den Schachfreunden, war zwischenzeitlich 2. Vorsitzender und blieb uns bis zum Jahr 2019 treu. Sein letztes Ligaspiel absolvierte er in der Saison 2006/2007. Danach widmete sich Michael seinen anderen Interessen: dem Reisen. Eine Expeditionskreuzfahrt in die Antarktis, Flora und Fauna im Pantanal in Brasilien, Orcas und Eisbären in Alaska und Löwen in Afrika sind hier nur ein Auszug. Er hatte viel Freude daran Tiere in freier Wildbahn zu sehen und zu fotografieren. Seine Leidenschaft im Fußball galt Bayern München, aber auch für Hannover 96 hatte er Sympathien.
Seiner Reiselust fröhnte er auch schon als aktiver Schachspieler. Er nahm mehrfach am Wein-Open im Medoc in Naujac sur Mer teil, in St. Vincent im Aosta-Tal landete er vor einem gewissen Magnus Carlsen.
Während der Zeit bei der Sportförderkompanie der Bundeswehr lernte er den späteren Großmeister Gerald Hertneck kennen. Gerald erinnerte sich wie folgt an Michael:
„Ich war 1984/85 mit Michael Geveke auf der Bundeswehrsportschule in der Schachgruppe. Ich erinnere mich, dass er für die Bundeswehr viel zu lange Haare hatte, und das war natürlich auch Anlass zu einigen Späßchen. Was aber wichtiger ist: er hat damals schon Französisch gespielt, und Michael und unser Trainer Reefschläger waren letztlich die Auslöser dafür, dass ich zum Französisch Spezialisten wurde.“
Michaels Schwarzsieg mit Französisch vom Queenstown Open 2006 gegen Ian Rogers könnt Ihr hier nachspielen. Die Schlußstellung:
Michael wird uns als liebenswürdiger und sympathischer Mensch in Erinnerung bleiben.
Ich möchte mich bei seinen Freunden Tom und Bernd, bei Gerhard und Gerald für die beigesteuerten Gedanken bedanken.
Niedersachsens Schachpräsident hat gesprochen: auf ChessBase und in den Perlen. Seine Wut konnte er verbergen. Er schaut nach vorn. – Dass Ullrich Krause nicht zur Wiederwahl als Präsident antreten wird, hat sich herumgesprochen. Seine diesbezügliche Erklärung ist ein Beleg dafür, dass er für den Posten ungeeignet war. Bemerkenswert ist dieser Satz:
„Die Ursache für diese bedauerliche Entwicklung war ein Versagen entsprechender Kontrollmechanismen und die Hauptverantwortung dafür liegt bei mir.“
Nicht er hat versagt, sondern die Kontrollmechanismen! Selbstkritik sieht anders aus.
Vor 4 Jahren habe ich in diesem Blog zu Ullrich Krause folgendes geschrieben:
„In Kürze steht die Neuwahl des DSB-Präsidenten an. Ich hoffe, dass Uwe Pfenning gewählt wird. Auch ihm wird es nicht gelingen, die Strukturen umzukrempeln, aber die Rückkehr zu mehr Menschlichkeit unter uns Schachspielern traue ich ihm zu. Der amtierende Präsident Ullrich Krause hat mich enttäuscht. Seine Ideen fördern nicht die Schachkultur. Außerdem hat er auf die falschen Leute gesetzt, wodurch das Hauen und Stechen unter den Schachfunktionären zugenommen hat.“
In den Folgejahren ist es nicht besser geworden. Skandale und Rücktritte gehörten zum Alltag. Es ist ein Treppenwitz der DSB-Geschichte, dass dieselben Leute, die in den Hosentaschen von Jörg Schulz gewühlt haben, blindlings einem Blender gefolgt sind.
Wen juckt’s?
Henning Geibel hat im Schachticker die Antwort gegeben: „Niemand! Die ganz überwiegende Zahl der aktiven Schachspieler in Deutschland ist am Deutschen Schachbund so gut wie nicht interessiert.“
Gäbe es nicht die Schach-APO (außerparlamentarische Opposition) in Form der Perlen, des Schachtickers, des Schachfelds und dieses untoten Blogs, würde sich über das Geschäftsgebaren des DSB-Präsidiums niemand echauffieren. Die Schachvereine schweigen. Nicht einmal auf der Website des Lübecker Schachvereins von 1873, bei dem Ullrich Krause 2. Vorsitzender ist, gibt es eine Randnotiz über die skandalösen Vorgänge auf Bundesebene. Hauptsache die eigene DWZ geht nicht den Bach runter…
Es wird das letzte Weihnachtsfest unter der Flagge der Schachfreunde Hannover. Die Tage eines Schachvereins, der „anders“ sein wollte und meistens auch war, sind gezählt. Den formellen Abschied wird Jörg demnächst verkünden. Ob Mr. Blog dann für immer verstummt? Ich weiß es nicht. Freut euch über die schönen Momente im Leben. Zu Weihnachten wird das Wetter ungemütlich. Bilderbuchwetter konnte ich vor einer Woche im Harz genießen. Der Schnee ist inzwischen geschmolzen. Meine Erinnerungen an diesen herrlichen Tag werde ich mir für immer bewahren wie die an einen Verein, der nun klaglos dahinschmilzt.
„Lage, Lage, Lage“, ist eine alte Immobilienweisheit. Bei Wettkämpfen in der Schachbundesliga müssen wir ein Auge zudrücken. Da meine Suite in Doha durch einen Fußballfunktionär belegt ist, musste ich umdisponieren (kleiner Scherz). Schachbundesliga statt Fußball-WM. Ohne sorgfältige Vorbereitung hätte ich heute den Austragungsort nie gefunden, denn der befindet sich im Niemandsland hinter der Autobahn. Der Weg mit der Regionalbahn zum Bremer Hauptbahnhof war noch easy, danach wurde es tricky: Busfahrt bis zur Endstation Neue-Vahr-Nord. Danach 20 Minuten Fußmarsch über verschlungene Wege unter der Autobahn A27 hindurch bis in ein Gewerbegebiet, das im Entstehen begriffen ist. Nichts für schwache Nerven, vor allem wenn’s dunkel ist.
Es ist so, wie es ist, und soll keine Kritik am Veranstalter Werder Bremen sein. Das Spiellokal selbst ist für den Zweck ausgezeichnet und dankenswerter Weise von der Geschäftsführung der Reederei Harren & Partner zur Verfügung gestellt worden, allein es manövriert unsere Sportart noch mehr ins Abseits. Immerhin ist mit der OSG Baden-Baden der Seriensieger mit dem deutschen Ausnahmetalent Vincent Keymer angereist. In der ersten Stunde war ich womöglich der einzige zahlende (spendende) Zuschauer.
Nichtsdestotrotz war die Stimmung gut. Das unzertrennliche Duo Dr. Oliver Höpfner & Michael S. Langer durfte natürlich nicht fehlen. Für Werder Bremen zeichnet sich sportlich ein Desaster ab. Am Freitag gab es eine unerwartete Klatsche gegen den Aufsteiger aus der Nachbarschaft, dem SK Kirchweye. Heute war die OSG Baden-Baden wie erwartet eine Nummer zu groß. Morgen könnte gegen das Schlusslicht aus Schönaich indes die Wende gelingen. Die Ergebnisse der 3. Runde sind wie gewohnt auf der DSB-Seite zu finden.
Das Kontrastprogramm gab’s in der Bremer Innenstadt. Ich habe gar nicht gewusst, dass Bremen so viele Menschen beherbergt. Offenbar waren die alle auf den Bremer Weihnachtsmärkten unterwegs. Meine Absicht, vor der Abreise noch einen Glühwein zu trinken, habe ich aufgegeben. Bei den Warteschlangen hätte ich den Nachtzug nehmen müssen:
Unsere Brüder und Schwestern vom SK Ricklingen sind stolz darauf, dass ein Kicker aus ihrem Stadtteil an der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar teilnimmt: Niclas Füllkrug. Laut HAZ stammt er aus einer „schrecklich netten Familie“. Das macht ihn sympathisch. Stell dir vor, er schießt Tore für Deutschland, und keiner guckt hin! Das Thema ist heikel. Ein Hingucker sind auf jeden Fall Schachaufgaben. Am 13. Juli 2014 habe ich euch diese gestellt:
Durch die extrem hohe Gravitation ist auf dem Schachbrett ein Schwarz-Weißes Loch in Form eines Fußballs entstanden. Ihr dürft die Luft rauslassen. Als Bedenkzeit hatte ich vier Jahre ausgelobt. Uwe benötigte nur eine halbe Stunde. Wisst ihr noch, was danach geschah? Die 113. Minute im Endspiel Deutschland – Argentinien bleibt unvergessen: „Mach ihn! Mach ihn! Er macht ihn! Mario Götze!“, machte Tom Bartels den Herbert Zimmermann anno 1954.
Acht Jahre später wird erstmal in den Keller geguckt, bevor ein Tor zählt. Gestern gab es den Fall bereits in der 3. Minute nach einem sehenswerten Tor von Enner Valencia für Ecuador. Der Videoassistent schaltete sich nach einer Weile ein, weil er mit seiner Supertechnik eine Fußspitze der Ecuadorianer im Abseits gesehen hatte. Welch ein Schwachsinn! Kalibrierte Linien im Abstand von hundertstel Sekunden entscheiden über den Ausgang von Wettkämpfen, die ihren Ursprung auf Bolzplätzen haben.
Für die Lösung meiner immergrünen Schachaufgabe benötigt ihr keine technischen Hilfsmittel. Eure Grauen Zellen sollten dafür ausreichen.
Wusstet ihr, dass Cheating schon vor 16 Jahren ein Thema war? Im Archiv des Schachvereins Weidenau/Geiswald habe ich einen verblüffenden Hinweis gefunden. Der Verein gehört zum Schachbezirk Siegerland und ist die Heimat von Heinz-Roland Send, dem Vorreiter des 1970-Olympiade-Rückblicks in Siegen. Im Jahr 2006 hat der Verein auf seiner Website die Kategorie Comics ins Leben gerufen und nach drei Beiträgen wieder eingestellt. Der erste Comic stammt vom Schachfreund Simon Mohr. Folgendes Diagramm sorgt für Aufregung:
Ist die Stellung legal? Der Bauer e7 ruft empört: „Cheater!“ Hat er recht? Nein! Mr. Inkognito klärt auf. „Ich finde den schwarzen Bauern echt fies, dem Weißen ist kein Vorwurf zu machen… (d3-sf6-d4-sg8-d5)“, lautet sein Kommentar. Seht ihr: Voreilige Anschuldigungen können echt fies sein. Wobei Mr. Inkognito nur die halbe Wahrheit ans Licht bringt. Es sind noch viel mehr Varianten möglich. Bis zu 200! Mehr Züge scheitern an der FIDE-Regel 9.3.2. Die Probe aufs Exempel: 50. d3 …, 100. d4 …, 150. d5 … und mit seinem 200. Zug muss Schwarz einen beliebigen Bauern ziehen, und die Partie kann weitergehen. Dazwischen können die Springer beiderlei Lager hin- und herspringen und lediglich darauf achten, dass sie nicht dreimal gemeinsam das Gleiche machen. – Hat eigentlich schon jemand ausgerechnet, wie viele Züge bei einer Schachpartie theoretisch möglich sind, bevor die FIDE-Regel 9.3.2 greift?
Die folgende Stellung ist auch legal. Nach spätestens 50 Zügen ist allerdings Schluss mit dem Springer-Hopping. „Wegen Regel“, würde Vlastimil Hort sagen.
Holt die Springer in den eigenen Stall zurück. Draußen ist es lausig kalt. Schönes Wochenende!
Bei meinem Ausflug nach Siegen bin ich Wolfgang Petri begegnet. Es sollte sich herausstellen, dass es ein Wiedersehen war. Irgendwie kamen wir auf Lugano zu sprechen. Wolfgang hat dort mehrmals an den Open teilgenommen. Ich einmal. Das war 1977 zusammen mit Horst-Peter Anhalt. In meinem Kommentar vom 28. Mai 2015 habe ich darüber berichtet. Ich habe mir inzwischen die Teilnehmerliste vom „2. Campionato open di Lugano im Palazzo dei Congressi“ angesehen. Wolfgang war dabei. Er war 6 Jahre jünger als ich. Der Abstand ist geblieben. Seitdem hat Wolfgang an zahlreichen Turnieren teilgenommen. Die 217 Auswertungen hinter seiner DWZ sind ein Beleg dafür.
Wolfgang ist Mitglied bei den Hellertaler Schachfreunden. Hellertal ist ein Vorort von Siegen. Beeindruckend ist seine Bilanz in der Hall of Fame. Zwischen 1973 und 2019 wurde er 12x Gemeindemeister und 5x Vereinsmeister. Wer so viel Schach spielt, kann schwermütig werden. Wolfgang ist der Gegenbeweis; jedenfalls hat er auf mich einen fröhlichen Eindruck gemacht.
Frohsinn ist das Stichwort. Am 17. Oktober 2015 meldete sich IM Detlef Heinbuch in unserem Blog und berichtete über gemeinsame Open mit Helmut Reefschläger, z.B. in Lugano, wo sie sich nach jeder Niederlage abends die „Kante“ gegeben haben. Der Schock folgte wenige Wochen nach Detlefs Blog-Eintrag. Helmut war gestorben.
Als ich 1977 mit Horst-Peter von Lugano im Zug nach Hannover zurückfuhr, kamen wir ins Philosophieren. Du fährst durch die Landschaft, durch Orte und Städte, siehst für einen Moment Menschen, die ihrem Tagwerk nachgehen und weißt genau, die wirst du nie wiedersehen. Ein gemeinsames Hobby knüpft Bande, die auch Jahrzehnte später nicht zerreißen. In Siegen habe ich solch ein Momentum erlebt.
Im Frühjahr 2017 hatte ich schlaflose Nächte. Was war passiert? In meinem Beitrag über Boris Spasski hatte ich die Stadt Siegen ins Sauerland verlegt! Das war ein unglaublicher Patzer. Zum Glück hat mich ein Siegerländer auf den Fehler aufmerksam gemacht.
Wir wissen: „Im Sauerland sind die Wälder düster und verwunschen, die Täler nass und tief, die Straßen im Winter unpassierbar“ (Die Zeit). Und die Menschen? Männer tragen blaue Maßanzüge. Beispiel:
Heuer ist die Zeit zur Wiedergutmachung. Siegen im Siegerland. Nomen est omen. Vor 52 Jahren war ich dort. Danach nie wieder. Das Siegerland passt viermal ins Saarland. Das musst du als Niedersachse auf der Landkarte erstmal finden. Dank ChessBase, Google-Maps und der Deutschen Bahn bin ich dort gestern angekommen und nach einem gelungenen Aufenthalt wieder abgereist. Die Bahnfahrt von Hamm nach Siegen ist etwas für Romantiker. Wunderschön! Wenn der IC südlich von Schwerte im Bummelbahntempo durch die Täler tuckert, fühlst du dich in eine Modellbahnanlage versetzt. Mancherorts kleben die Häuser wie Schwalbennester an den steilen Berghängen. Dass die Strecke auch durchs schöne Sauerland führt, sei lobend erwähnt.
Noch ein Wort zum Saarland. Im Sommer dieses Jahres habe ich dieses Bundesland erstmals in meinem Leben betreten. Ich war begeistert von Land und Leuten. In Saarbrücken nervt allerdings die Stadtautobahn. Ein Relikt aus Zeiten als man am Schachbrett noch rauchen durfte.
Die Ausstellung über die XIX. Schacholympiade 1970 hat mich nach Siegen gelockt: Wenn man so will ein bisschen persönliche Erinnerungskultur. Eine vereinsübergreifende Delegation aus Hannover hatte sich 1970 an dem Tag auf den Weg nach Siegen gemacht, als Boris Spasski gegen Robert Fischer spielte. Wir waren jung und wissbegierig und deshalb nah dran an den Brettern. Einer von uns konnte sogar ein Autogramm von Bobby Fischer ergattern. Gleichwohl ist das meine einzige, konkrete Erinnerung. Insofern tat die Auffrischung gut. Und von Siegen habe ich diesmal eine Menge sehen können. Die Stadt hat Charme und bietet Raum für
Leidenschaften. Das verspricht der neueste Imagefilm, der sich besonders an Studenten richtet. Peter Paul Rubens und Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg haben in Siegen ihre Wurzeln: Malerei und Pädagogik auf höchstem Niveau. Das spornt an!
Die Ausstellung über die Schacholympiade 1970 sollte eigentlich vor zwei Jahren zum fünfzigsten Jubiläum stattfinden. Pandemiebedingt wurde sie auf dieses Jahr verschoben. Zwei Schachfreunde haben großen Anteil am Zustandekommen: Wolfgang Petri (links) und Heinz-Roland Send (rechts). Schachfreund Send (Jahrgang 1952) gehörte bereits vor 52 Jahren zu den zahlreichen Helfern. Er war einer von denen, die an den Brettern die Partienotationen mitschrieben.
Beide haben mich herzlich empfangen und fachkundig durch die Ausstellung begleitet. Es gibt zwei sehenswerte Filme und viele Originaldokumente. Zum Beispiel ein Autogramm von Bobby Fischer:
Bemerkenswert ist auch die Weltkarte. Es fällt auf, dass China noch nicht zu den Schachnationen gehörte. Am besten guckt ihr euch die Ausstellung im KrönchenCenter selbst an. Bis Samstag, den 29. Oktober, habt ihr noch die Gelegenheit. Übrigens hat Heinz-Roland Send ein Schach-Lotto ausgelobt, das er zusammen mit dem Schachfreund Hans-Dieter Wunderlich komponiert hat. Es geht um die Frage, ob 30 Positionen aus der Anfangsstellung einer Schachpartie erreichbar sind oder nicht. Ganz schön knifflig. Samstagmittag gibt’s die Auflösung. – Diese Idee beruht auf einem Preisrätsel aus dem Jahr 1970. Eine Sammlung von 100 Schachproblemen auf realen Brettern hatte die Siegener Geschäftswelt in den Schaufenstern ausgestellt. Der 1. Preis war ein VW-Käfer.
Wer sich für die Ergebnisse der XIX. Schacholympiade interessiert, kann sich z.B. auf Wikipedia informieren. Auf der Website des Schachclubs Hilchenbach (liegt in der Nachbarschaft) findet ihr auch einen lesenswerten Beitrag.
Fotos und Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit, die lange zurückliegt, machen nachdenklich. Der Vergleich zwischen früher und heute drängt sich auf. Früher war auch in der Schachwelt nicht alles besser. Beileibe nicht. Aber sie entfernt sich mehr und mehr von ihrem Motto: „Wir sind eine Familie“. Das Schachspiel hat seine Unschuld verloren. Die Ursachen sind vielfältig. Einst wurden die Schachgrößen mit Ehrfurcht betrachtet. Derzeit überwiegt das Misstrauen. Und der Spott! Der Auftritt von Elisabeth Paehtz in der NDR-Talkrunde am vergangenen Freitag ist ein Beleg dafür. Demnächst ist vor jeder Turnierpartie eine Darmspiegelung fällig inkl. Video-Analyse im „Kölner Keller“. „Wolle mer se reinlasse?“„Nö!“
Ausflüge in die Vergangenheit sind Balsam für die Schachspielerseele. Mein herzliches Dankeschön geht an die Siegerländer Schachfreunde von damals und an die Protagonisten von heute: