Die Wurst hat besser abgeschnitten. Sonst hätte das holländische Duo „The Common Linnets“ den ESC 2014 gewonnen. Der Titel passt zu unserem derzeitigen Gemütszustand. Der Sturm hat sich gelegt. Der Wahnsinn ist vorbei. Wir Hannoveraner sind wieder unter uns. Alle sind fort: die wissbegierigen und feierfreudigen deutschen Bürger und Bürgerinnen sowie der schachspielende Nachwuchs. Um den Nachwuchs ist es gut bestellt, ist mein Eindruck. Ansonsten löst eine Null die andere ab, Göttingen erhält einen onanierenden Kragenbären als Denkmal, und was machen wir Schachspieler? Wir üben Selbstzweifel. Das muss nicht sein.
Der Herbst ist eine ehrliche Haut. Er zeigt uns seine Emotionen, ohne sie zu beschönigen. Er kann so traurig sein, dass Himmel und Erde zu einem Grau verschmelzen, er kann zürnen und stürmen, dass uns Angst und Bange wird, aber er kann auch die Sonne rauslassen, als würde er sich wie ein Honigkuchenpferd freuen. Solch einen Tag hatten wir vorgestern. Ich wollte ihn in aller Stille genießen. Dazu eignet sich vorzüglich der Georgengarten. Obwohl er riesengroß ist, war er fast menschenleer. Walker, Jogger, Studenten, Rentner, Hausfrauen und Pfandflaschensammler hatten offenbar Pause. – Unser Überleben sichern wir durch Weisheiten. Diese haben wir zwar verinnerlicht, müssen sie aber stets aufs Neue aktivieren: „In der Ruhe liegt die Kraft“, und „Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.“ Die nächsten Stürme toben in unserer Nähe: in Laatzen, in Isernhagen, in Neustadt und in Berenbostel. Darauf muss der rasende Verstand mental vorbereitet sein. Damit das gelingt, habe ich euch ein paar Fotos mitgebracht. Sie sollen euch die Ruhe vermitteln und die Selbstzweifel nehmen. Dann haben die angesprochenen Vorstadtschachspieler gegen uns keine Chance.
Wahnsinn! Vor 25 Jahren war dieses Wort in aller Munde. Selbst der besonnene Joachim Just benutzte es, als er mir am 02.01.1990 einen Brief aus Leipzig schrieb: „Am 22./23. war ich anläßlich der Eröffnung des Brandenburger Tores bei einem Studienkollegen in Berlin. Das häufig gebrauchte Wort „Wahnsinn“ traf auch hier zu.“ Was gestern in Hannover abging, hat es verdient, dass dieses eigentlich abgedroschene Wort wiederbelebt wird. Für diesen einen Tag zumindest. Das Vorspiel am Donnerstag war verhalten. Den ganzen Tag über ließ sich die Sonne nicht einmal blicken. Ab Mittag strömten zwar die Besucher, aber es war angesichts des Werktags nicht überwältigend, und die wenigsten gelangten dorthin, wo Schachspielen angesagt war.
Am Feiertag muss jemand den Schalter umgelegt haben. Die Sonne schien von der ersten bis zur letzten Minute, nicht eine einzige Wolke verirrte sich am Himmel, es herrschte T-Shirt-Wetter, und die Menschen strömten und strömten. 500.000 sollen es laut Polizeiangaben gewesen sein. Bei nicht politisch motivierten Veranstaltungen hängt die Polizei gern eine Null hinten dran. Diese Zahl entspricht indes meinen eigenen Schätzungen. Bevor ich über den „Tag der Deutschen Einheit“ und die Feier im Allgemeinen ein paar Worte verliere, möchte ich mich der real praktizierten Öffentlichkeitsarbeit unserer Schachorganisationen widmen.
Es gehört viel Idealismus dazu, sich mit ein paar Utensilien auf einen öffentlichen Platz zu stellen und fürs Schachspiel zu werben. So ähnlich müssen sich die Zeugen Jehovas fühlen, wenn sie mit dem Wachtturm in der Hand auf dem Trottoir stehen. Kein Mensch interessiert sich dafür bis auf die wenigen Anhänger, die meist unter sich bleiben. Bis Freitagmittag war das wohl auch so in der Spielmeile. Dann schwappte der Besucherstrom über, und der Nachwuchs sorgte für Stimmung. Die Mädchen und Jungen, die von der Deutschen Ländermeisterschaft herübergekommen waren, bereicherten nicht nur quantitativ die Szene, sondern sorgten mit „Kondischach“ für Action, das viele Zuschauer in ihren Bann zog.
Simulationsschach konnte ich nicht entdecken. Auch fand die angekündigte Live-Übertragung von Partien der Ländermeisterschaft nicht statt. Doch dafür hätte sich sowieso keiner interessiert. Aus meiner Sicht ist die Öffentlichkeitsarbeit gelungen. Deshalb sollten wir denen danken, die sich dafür eingesetzt haben. Einen aktuellen Bericht gibt es auf der Webseite des NSV. Ich lasse meine Fotos sprechen:
Dass der Tag der Deutschen Einheit durchaus kritisch gesehen werden kann, möchte ich nicht verschweigen. Die Medaille hat eine Kehrseite, und die sieht nicht nach Schlaraffenland aus. Am Donnerstagabend gab es auf dem Opernplatz eine Gegenveranstaltung, bei der die Berliner Pop-Punk-Band namens „The toten Crackhuren im Kofferraum“ auftrat. Das muss eine Gesellschaft aushalten, wenn sie sich zugleich die „Wildecker Herzbuben“ leistet. Wer den berechtigten Weltschmerz zum Anlass nimmt, nicht fröhlich zu sein, macht etwas verkehrt. Von einem übertriebenen Nationalstolz ist die Mehrheit der Deutschen zum Glück weit entfernt.
Insofern war es richtig zu feiern. Wir Hannoveraner kennen solche Veranstaltungen. Schorsenbummel, Autofreier Sonntag und Entdeckertag sind ähnlich strukturiert. Nur diesmal war alles viel, viel größer. Dass der Wettergott mit einem Kaisertag seinen Beitrag geleistet hat, ist eben dieser „Wahnsinn“. Nicht auszudenken, wenn es gestürmt und geschüttet hätte. Und so konnte sich unser Volk, das sich die Vielfalt auf die Fahnen geheftet hat, so vielfältig wie möglich präsentieren. Für diejenigen, die nicht dabei waren, habe ich in meiner Bildergalerie einige Motive zusammengefasst.
Einen Minuspunkt bekommen die Veranstalter der Einheitsfeier dennoch von mir. Die Schlussfeier mit der Lasershow und dem Feuerwerk wurde dadurch gestört, dass der Mond mittendrin unbeirrt weiterleuchtete. Konnte den Mond niemand solange abdecken? Mit einem Handtuch oder so?
In einer Woche geht’s in Hannover zur Sache. Die Deutsche Einheit wird gefeiert. Da dürfen wir Schachspieler nicht fehlen. Bekanntlich sind wir die Feierbiester schlechthin. Der Schachbezirk Hannover wird zusammen mit der Deutschen Schachjugend ein Programm auf die Beine stellen. Es geht am Donnerstag, dem 2. Oktober, gegen Mittag los und wird am Tag der Deutschen Einheit in den Abendstunden enden. Austragungsort ist die Sportmeile. Die befindet sich zwischen der HDI-Arena und dem Maschsee. Im offiziellen Programm ist von „Schach für jedermann“ und „Simulationsschach“ die Rede. Gemeint ist vermutlich „Simultanschach“, aber ich will nicht kleinlich sein.
Ganz in der Nähe, und zwar in der Jugendherberge Hannover (Ferdinand-Wilhelm-Fricke-Weg 1), beginnt am Freitagmorgen die Deutsche Ländermeisterschaft der Schachjugend. Das gleiche haben wir Senioren gerade in Bergen hinter uns gebracht. Die Veranstaltung endet nach 7 Runden am 7. Oktober. Geplant ist, bestimmte Partien der 1. Runde live zu übertragen und am Nachmittag unter den Teilnehmern der Ländermeisterschaft eine „Kondiblitzmeisterschaft“ auszutragen.
Um dieses Programm und das Equipment kümmern sich die Funktionäre. Es fehlt allerdings an Helfern. Der 1. Vorsitzende des Schachbezirks Hannover, Horst Schilling, bittet daher um Unterstützung beim Auf- und Abbauen. Wer Zeit und Lust hat, möge sich bis zum 29. September bei ihm melden. Seine Anschrift und seine Telefonnummern findet ihr auf der Seite des Schachbezirks 1.
Mit einem hohen Besucheraufkommen wird gerechnet. Dafür sind Betreuer gefragt. Freiwillige vor! Wer Glück hat, kann Angie Merkel bei einer Blitzpartie über den Tisch ziehen. Ob mit oder ohne Politprominenz sollten wir Schachspieler uns nicht lumpen lassen und eindrucksvoll demonstrieren, dass Schachspielen eine staatstragende Beschäftigung ist.
Zur Einstimmung zeige ich euch beispielhaft zwei Fotos vom Entdeckertag der Region Hannover, die ich am 14. September 2014 in der Georgstraße aufgenommen habe. Das Schachzentrum Bemerode war dort federführend tätig. Am Tag der Deutschen Einheit wird alles selbstredend viel größer und richtig aufregend.
*******************************************************************************Ergänzung am 30.09.2014
Ich komme gerade von meinem Kontrollgang zurück. Auf dem Festareal stehen bereits Zelte soweit das Auge reicht. Überall wird gewerkelt. Der Aufwand ist gigantisch. Lediglich dort, wo wir Schachspieler unsere Kunst feilbieten sollen, ist noch tote Hose. Womöglich müssen wir Schachspieler mit Simulationszelten vorliebnehmen. Haltet vorsichtshalber eure Tapeziertische und Klappstühle bereit. Ich halte euch auf dem Laufenden.
Ergänzung am 01.10.2014
Hannover. Walter-Rodekamp-Platz. High Noon. Melde: Eine Schar junger Männer hat mit dem Aufbau der Zelte begonnen. Der rechtzeitigen Inbetriebnahme für Zwecke der Schachsimulation steht nichts im Wege. – Eure Butterbrote könnt ihr zuhause lassen. Zu Essen und zu Trinken gibt es satt. Vaterlandsliebe geht bekanntlich durch den Magen. Für Bürger, die z.B. Brandenburg in der Ländermeile aufsuchen, heißt das: Spreewaldgurken und Kaninchenspezialitäten aus Beelitz. Schleswig-Holstein wird demnächst in Goschland umbenannt, jedenfalls gewinnt man den Eindruck, wenn man dessen Präsentation sieht. Die Fischkette „Nordsee“ nimmt sich nebenan bei den Bremern dagegen bescheiden aus. Klotzen werden auch die McPommer mit ihrem Klippengriller. „Little Captain Smoker“ heißt das Ding und sieht etwa so aus wie der Dieselmotor eines Ozeanriesen. Zur festen Nahrung gehören für einen echten Deutschen natürlich Bier und Wein. Das Angebot ist riesig. Deutschland, einig Schlaraffenland.
Ergänzung am 02.10.2014
Um 13:00 Uhr war der Ansturm auf unsere Schachwelt überschaubar:
Wie opulent mein Abschlussbericht ausfällt, weiß ich noch nicht. Das hängt von meinen subjektiven Eindrücken ab. Der Besucherstrom ist auf der Einheitsfeier im Laufe des Nachmittags kräftig angeschwollen. Aber es verlieren sich nur wenige Menschen dorthin, wo Schach gespielt wird.
Für mich war an diesem Wochenende die spannende Frage, wie wir uns als Neuling in der Bezirksliga schlagen würden.
Auf dem Papier ist die Liga recht ausgeglichen -mit Lehrte 2 gibt es eigentlich nur einen klaren Favoriten- ansonsten sollten wir aber einigermaßen mithalten können.
Vor dem 1.Spieltag mussten wir einige Federn lassen, dies deutete sich aber schon vor der Saison an und war deswegen keine große Überraschung. Alleine die Kurzfristigkeit der notwendigen Ersatzstellungen bereitete zusätzlichen Stress. Olaf verweilt noch im Urlaub, Willi und Bernd rückten am Ende in die 2te Mannschaft auf. Durch Ulis Einsatz und mit Unterstützung durch die 4te Mannschaft gelang es am Ende aber dennoch eine gut besetzte Truppe ans Brett zu bringen.
Nach diesem Sondereinsatz am Samstag konnte sich Ulrich am Sonntag eine unfreiwillige Auszeit nehmen. Sein Gegner blieb zu Hause und wir führten folglich um 11 Uhr schon mit 1:0.
Fredrik erhöhte nach einem sehenswerten Mattangriff an Brett 1 auf 2:0, leider bekomme ich die Stellung nicht mehr ganz zusammen. Für eine kleine Vorentscheidung sorgte dann Marc. Er hatte aus der Eröffnung heraus eine deutliche Druckstellung. Zwischenzeitlich fürchtete ich schon dass die Partie noch kippen würde, doch insgesamt ging es am Ende auch in dieser Partie gut für uns aus.
Als Heiko später das Brett verließ, ahnte ich schon dass das der nächste Brettpunkt für uns war. Ich hatte von ihm eigentlich die gewohnte hochgradige Zeitnot erwartet. Diesmal konnte er aber frühzeitig die Weichen in Richtung Sieg stellen.
Ob nun das 4,5 : 0,5 von mir oder Andre erzielt wurde kann ich gar nicht sagen. In beiden Partien hatten wir jeweils einen Mehrbauern, Andres Gegner „schummelte“ sich mit einer Remisschaukel ins Ziel. Mein Gegner hingegen entwickelte einen Angriff der mir in Zeitnot nicht ganz geheuer war. Am Ende war ich trotz Mehrbauer ganz zufrieden mit dem halben Punkt.
Damit führten wir komfortabel mit 5:1. Erfreulich dabei war, dass es wirklich so gut lief wie es sich bei dem Spielstand anhört. Den letzten vollen Punkt steuerte Hermann bei. In der letzten Saison schockte er den ein oder anderen Gegner noch mit einer bedrohlich aussehenden Augenklappe, in dieser Saison ist auch ohne Augenklappe zumindest noch seine Partieanlage gewohnt bedrohlich. Peter einigte sich am Ende mit seinem Gegner auf Remis, zumindest „gefühlt“ hatte er zwischenzeitlich einen kleinen Vorteil. 6,5:1,5 ich denke mehr kann man am 1.Spieltag nicht verlangen. Da allerdings Hämelerwald auch im letzten Jahr nur knapp dem Abstieg entkommen ist, sollte man das Ergebnis sicherlich nicht überbewerten. 2 Punkte und einen Sack voll Brettpunkte auf der Plus-Seite zu haben ist für den Anfang aber schon mal sehr beruhigend 😉
Diese Schlagzeile ging bereits im Frühjahr durch die Presse. Gemeint ist hier aber nicht 96 – die spielen heuer auch im Schach in einer anderen Liga – nein, es hat uns Schachfreunde erwischt.
Gleich am ersten Spieltag war ein Duell zweier Oberliga-Absteiger angesetzt. Weder Braunschweig noch wir konnten auf alles Personal zugreifen. Wir spielten sogar einen „Grand ohne drei“. Spannung in einem ausgeglichenen Wettkampf. Dieser sah nach einer Stunde ziemlich gut für uns aus, schließlich bekam jeder seine Wohlfühlstellung – nur Arthur musste um Ausgleich kämpfen. Leider ging es hier nicht für alle in Richtung Sieg weiter. Nach dreieinhalb Stunden standen wir eher auf 2:6…
Im Einzelnen: Die beiden hinteren Bretter (Martin, bereits mit Mehrqualität und Günther) verloren den Faden und überließen das Mittelspiel ihrem Gegner, die das beide zum Gewinn nutzten. Arthurs Gegner entwurschtelte sich sehr geschickt und konnte im Endspiel noch einen zweiten Bauern gewinnen, Shakehands auch hier. Dem entgegen stand das Remis der beiden Altmeister Gerd Streich und Michael Cichy, erzielt in einem klassischen Damengambit mit Perspektive „dröges Endspiel ohne Angriffsmarken“. Die aufgerückten Spitzenbretter Tom und Uwe spielten muntere und dynamische Partien. Tom stellte die Weichen mit vorgerückten Bauern vor der Zeitkontrolle auf Sieg (der dauerte dann aber noch zwei weitere Stunden) – schöne Leistung! Uwe verpasste die Gelegenheiten des Zuschlagens leider – Angst vor gegnerischen Drohungen, so dass er sich ins Remis fügte. Beeindruckend war die Partieführung von Fernschachgroßmeister Manfred Nimtz, der unserem Bernd Nullkommanull Chancen einräumte, was immer Bernd auch kreativ versuchte. Auch in dieser Partie setzte sich die Partei mit Initiative durch – zwei Türme gegen zwei Damen wären zu verteidigen gewesen. Schließlich gelang in der Partie der beiden Youngster Dennie ein Geduldsieg. Nach schöner Stellung mit Bauerngewinn im Mittelspiel gelang dem Braunschweiger die Abwicklung in ein sehr remises Turmendspiel. Dies wurde jedoch mit knapper Zeit und vielen Zügen doch noch zum Stolperstein – Sieg für uns! Alles in allem können wir uns zwar beklagen, haben aber eine muntere Partie gespielt – was will man mehr?
http://www.nsv-online.de/ligen/nsv-1415/?r=&staffel=784
Die Lage der Liga… Am ersten Spieltag hat auch der dritte Absteiger Hameln eine Niederlage eingefahren. Die Landesliga zeigt in dieser Saison ein gutes Niveau! Die Aufstiegsfrage ist nicht prognostizierbar.
„Stell dir vor, dein Vereinskamerad wird Deutscher Meister und keiner kommt auf die Idee, die Homepage damit zu schmücken.“
Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man sich die Webseiten der jeweiligen Vereine anguckt. Das sind die Schachfreunde, die vor 10 Tagen „Deutscher Seniorenmannschaftsmeister“ geworden sind:
Christian ClemensSC Braunschweig Gliesmarode v. 1869 (Bezirk Braunschweig)
Juri LjubarskijSchachabteilung von Hannover 96 (Bezirk Hannover)
Eine rühmliche Ausnahme bildet der Hamelner SV mit „Oldies but Goldies“ und der Meldung über das ausgezeichnete Ergebnis von Gerhard Kaiser. Wobei Gerhard mit mir in der zweiten Mannschaft gespielt hat und damit nicht Deutscher Meister geworden ist. Die Enthaltsamkeit wundert umso mehr, weil auf diesen Webseiten extra Rubriken für „Aktuelles“ oder „News“ vorgesehen sind. Aktualität ist im Internet-Zeitalter das A und O. Einige Schachvereine bewegen sich allerdings im Schneckentempo oder sind einfach ignorant gegenüber den Erfolgen ihrer Vereinskameraden oder haben die falsche Person an den Schalthebeln ihrer Homepage oder sind einfach nicht im Bilde.
Sozusagen als Ersatzvornahme möchte ich die vier Deutschen Meister noch einmal ins rechte Bild rücken. Es war deren einzige (unglückliche) Niederlage gegen Hessen 1:
Ein spezieller Gruß geht an die Schachvereinigung Salzgitter, die ansonsten eine lebendige Webseite betreibt. Statt einer ehrenden Erwähnung von Matias Jolowicz finden wir dort auf der ersten Seite eine Torte aus der Mottenkiste. – Besser eine Fachsimpelei über Elektrofahrräder als eine Niederlage im Schachspiel, sagte sich Matias‘ Gegner in der letzten Runde. Matias und seiner Mannschaft war’s recht. Viermal Remis und der Titel war perfekt.
Ein Fuhrwerk mit 11 Pferden und 68 Männer waren erforderlich, um das 35 Zentner schwere Gipfelkreuz im Jahr 1886 auf den Hochfelln zu befördern. Am Sockel finden wir den 1. Vers eines schwülstigen Gedichts, das König Ludwig I geschrieben hat. Ludwig I ist der Großvater vom Märchenkönig, Ludwig Nr. 2. Beide bemühten sich als Herrscher und Dichter. In Bayern ist das bis heute so üblich.
Auch mir warst du des Trostesmächt’ges Zeichen, Auf dich geheftet weilten meine Blicke, Dass sich mein Herz am Glauben fromm erquicke Und freudig fühlte ich mich Selbst dein eigen.
So viel Aufwand für so wenig Kunst, sage ich mir. Das geht heute leichter. Erhellendes liest man nicht mehr auf Berggipfeln, sondern ganz bequem online. Zum Beispiel in diesem Blog.
Seit gestern wissen wir, dass die Theorie der Schottischen Partie nicht umgeschrieben wird, und schottische Whiskybrenner keine Durststrecke befürchten müssen. – Eine Meldung aus dieser Woche hat mich indessen aufgeschreckt: Flaschenverbot bei Nordderby. Was heißt das für unser Auswärtsspiel morgen in Braunschweig? Dürfen wir nur mit einem Rumpfteam antreten? Dann las ich im Kleingedruckten, dass mal wieder die prolligen Fußballfans von Hannover 96 gemeint sind, wenn deren 2. Mannschaft am kommenden Dienstag gegen die zweite von Eintracht Braunschweig spielen wird. Wir Schachfreunde müssen niemand zuhause lassen. Wir werden mit einer schlagkräftigen Truppe antreten!
Woran erkennt man, dass eine Schachpartie von einem Senioren gespielt wurde? Am Vornamen! Hans und Franz hießen meine Gegner. Wer so gerufen wird, muss verdammt alt sein, aber keinesfalls aussortiert. Ich werde euch im Anschluss vier meiner sieben Partien zeigen, die einen Eindruck über die nicht versiegende Spielstärke im Alter zeigen. Mit meinen 65 Jahren gehörte ich zu den Jungsenioren unter den Aktiven. Das ist kein Bonus, wenn es darum geht, einem Achtzigjährigen gegenüber zu sitzen. Die meisten von denen, die in Bergen aktiv waren, verfügen über eine aktuelle Spielpraxis, gegen die ich ein Waisenknabe bin.
Mit der Qualität meiner Partien bin ich zufrieden. Rumpelschach war selten dabei. Nur einmal stand ich schlecht (gegen Hans Werchan, Jahrgang 1933). Nur eine einzige Partie habe ich verloren (gegen Rainer Albrecht, Jahrgang 1952). In dieser Partie habe ich mich selbst umgebracht in einem Moment, als ich mich auf der Siegerstraße wähnte. Sechs von sieben Partien endeten also mit einem Unentschieden. Das ist kein Grund zur Euphorie, aber auch kein Grund, den Kopf hängenzulassen. Immerhin habe ich die Erwartung in Bezug auf meine derzeitige ELO-Zahl erfüllt.
Bevor ich zum Thema komme, muss ich mein Déjà-vu-Erlebnis loswerden. Bayern ist nämlich ein gutes Pflaster für Senioren aus Niedersachsen. Im Jahr 1987 befand ich mich in der 4-köpfigen Seniorenmannschaft des Radsportverbands Niedersachsen. Wir haben dort an der Bayern-Rundfahrt teilgenommen, das war damals die inoffizielle Deutsche Mannschaftsmeisterschaft für Senioren. Es begann in Lenggries mit einem Einzelzeitfahren und endete in der Oberpfalz mit einem Straßenrennen. Wir gewannen die Mannschaftswertung und stellten mit Hansjoachim Schippel den Einzelsieger. – Wenige Jahre später wurde aus der Seniorenrundfahrt eine Profiveranstaltung. Es ist die einzige Landesrundfahrt in Deutschland, die überlebt hat. Alle anderen wurden wegen der Dopingmisere gecancelt.
So war der Verlauf meiner Partien am 2. Brett der 2. Mannschaft:
1. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Berlin 1 (6./3.) Ergebnis 1:3
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Thormann, Wolfgang FM 2256 2. Runde
Schleswig-Holstein 2 (26./22.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 2:2
Felser, Franz 2044 ½ – ½ Streich, Gerhard 2124 3. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Hamburg 2 (10./18.) Ergebnis 2:2
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Liersch, Andreas 2257 4.Runde
Berlin 2 (18./20.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 2:2
Albrecht, Rainer 2109 1 – 0 Streich, Gerhard 2124 5. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Sachsen-Anhalt 1 (16./4.) Ergebnis 1,5:2,5
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Werchan, Hans 2141 6. Runde
Hessen 2 (22./23.) – Niedersachsen 2 (19./15.) Ergebnis 0,5:3,5
Falk, Thomas 2080 ½ – ½ Streich, Gerhard 2124 7. Runde
Niedersachsen 2 (19./15.) – Bayern 2 (12./14.) Ergebnis 2:2
Streich, Gerhard 2124 ½ – ½ Dr. Röder, Frank FM 2197
In Klammern hinter den Landesnamen stehen die Platzierungen in der Ratingliste und das tatsächliche Endergebnis.
Meine erste Partie gegen FM Wolfgang Thormann (Berlin 1) endete mit einem unspektakulären Remis. In der zweiten Partie gegen Franz Felser (Schleswig-Holstein 2) war ich erwartungsfroh, versäumte es indes, zum entscheidenden Schlag auszuholen.
Felser, Franz (2040) Schleswig-Holstein 2 – Streich, Gerhard (2124) [B07]
DSMM (2), 02.09.2014
1.e4 d6 Pirc. Ein Experiment. 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Lg5 An dieser Stelle kann man fast alles spielen. Am energischsten ist 4.f4. 4… Lg7 5.e5 Der frühe Bauernvorstoß bereitet Schwarz keine Probleme. 5…Sfd7 6.exd6 [6.f4 Sb6 7.Sf3 0-0 8.Le2] 6…cxd6 7.Sf3 h6 8.Le3 Sf6 9.Le2 0-0 10.0-0 Sbd7 11.h3 Sb6 12.Sd2 Le6 13.Sce4 Sxe4 Aus der Eröffnung bin ich gut herausgekommen. Bis zum Ende der Partie habe ich ständig einen leichten Stellungsvorteil. Allein, mir fehlt eine zündende Idee. [13…Sfd5 14.c4 Sxe3 15.fxe3 f5 16.Sc3 Tc8=+] 14.Sxe4 Tc8 15.Dd2 Kh7 16.c3 Sc4 17.Lxc4 Lxc4 18.Tfe1
18… Ld5 [Das wäre eine gute Idee gewesen: 18…f5 19.Sg3 e5 20.dxe5 dxe5 21.Dxd8 Tfxd8 22.Lxa7 Td2 und Schwarz ist am Drücker.] 19.f3 Da5 20.Sf2 Tfe8 21.Sd3 Lc4 22.Lf2 Df5 23.Sc1 La6 24.Se2 b6 25.Tad1 d5 26.Lg3 g5 27.Sc1 e6 28.Sd3 Lxd3 [28…h5!?] 29.Dxd3 Dxd3 30.Txd3 Tc6 31.f4 Kg6 32.Tf3 f5 33.fxg5 hxg5 34.Le5 Lxe5 35.Txe5 Th8 36.Tfe3 Kf6 37.Kf2 b5 38.a3 Th4 39.Tf3 Te4 40.Te3 Solch ein Tête-à-Tête dreier Türme hat man auch nicht alle Tage auf dem Brett.
40…Txe5 41.Txe5 a5 42.g4 fxg4 43.hxg4 b4 44.axb4 axb4 45.Te3 Weiß gibt sich keine Blöße. Das Turmendspiel ist Remis. 45… bxc3 46.bxc3 Ta6 47.Tf3+ Kg7 48.Te3 Kf6 ½-½
Nachdem ich in der 3. Runde ein Remisangebot des Hamburgers Dr. Andreas Liersch angenommen hatte, hieß mein nächster Gegner Rainer Albrecht (Berlin 2). Er überraschte mich vor der Partie, als er mir sagte, dass wir bereits 1976 in einem Länderkampf zwischen Berlin und Niedersachsen gespielt hätten. Die Partie sei mit der Tarrasch-Variante in der Französischen Verteidigung eröffnet worden. Sie endete mit einem Remis. Boah! Es dauerte eine Weile, bis die Erinnerung zurückkam. – Nach spannendem Verlauf musste ich meine einzige Niederlage einstecken.
Albrecht, Rainer (2109) Berlin 2 – Gerhard, Streich (2124) [E70]
DSMM (4), 04.09.2014
1.d4 Sf6 2.c4 d6 3.Sc3 g6 4.e4 Lg7 5.Sge2 Der Textzug gehört zu den seltenen Varianten in der Königsindischen Verteidigung. Furchterregend ist er nicht. 5…0-0 6.Sg3 c6 7.Le2 Sbd7 8.Lg5 h6 9.Le3 Te8?! [Besser 9…e5] 10.Dd2 Kh7 11.h4 h5 12.0-0-0 Da5 13.Kb1 a6 14.f3 [14.f4 b5 15.e5 b4 16.Sce4 Sxe4 17.Se4 Sb6 18.Sg5+ Kg8=] 14…b5 15.Sd5 Gegen den Damentausch habe ich nichts einzuwenden.
15…Dxd2 16.Sxf6+ Lxf6 17.Txd2 Sb6 18.cxb5 axb5 19.b3 Die kritische Stellung. Wohin soll der Lc8 entwickelt werden?
19…La6?! Ursprünglich hatte ich 19… Ld7 geplant, damit der Bauer b5 nach d4-d5, c6-c5 gedeckt bleibt. Doch dann befand ich es für besser, das Feld d7 für den Springer freizuhalten. Dazu kam es allerdings nicht. 20.Tc1 Tec8 21.Tdc2 Lb7 Der Läufer wird vorübergehend zurückbeordert. Den Tempoverlust hätte ich mir schenken können. 22.d5 c5 23.Lxb5 Ta5 [Vorsichtiger war der sofortige Rückgewinn des Bauern. 23…Lxh4 24.Se2 Lf6=] 24.a4?! Tca8 Droht Txb5 nebst Ta1# 25.Ta2 La6! Zurück nach a6. Der Zug ist bärenstark. Jetzt muss Weiß auf der Hut sein.
26…T5xa6 27.Sf1 c4 28.bxc4 Sxa4 29.Kc2 Sc3?! An dieser Stelle hätte ich mir die Zeit für Lxh4 nehmen sollen. 30.Txa6 Txa6 31.g3 Ta2+??
Ein schrecklicher Fehler. Als Antwort hatte ich nur Kd3 gesehen und wollte dann mit Ta3 fortsetzen. Die Partie hätte sich im Gleichgewicht befunden. 32.Kb3 Te2 Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass der Springer verloren ist. Der Rest ist nur noch Agonie. 33.Ld2 Tf2 34.Lxc3 Txf3 35.Sd2 Txg3 36.Kb4 Lxh4 37.Tf1 f6 38.Sf3 Tg4 39.Sxh4 Txh4 40.e5 f5 41.e6 Tg4 42.Lf6 exf6 43.Te1 1-0
5. Runde. Ende letzten Jahres wurde Dr. Hans Werchan 80 Jahre alt. Welchen Stellenwert der Magdeburger in seiner Heimat genießt, erfahrt ihr, wenn ihr folgende Seite anklickt:
Hans Werchan ist drei Wochen älter als der zehnfache Niedersachsenmeister Manfred Heilemann. Dass Manfreds Lebenswerk von keinem niedersächsischen Funktionär anlässlich seines 80. Geburtstags gewürdigt wurde, ist mir noch immer ein Rätsel.
Streich, Gerhard (2124) – Dr. Werchan, Hans (2154) Sachsen-Anhalt 1 [A34]
DSMM (5), 05.09.2014
1.Sf3 c5 2.c4 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.g3 d5 5.cxd5 Sxd5 6.Lg2 e5? [Offenbar hat Schwarz die Zugfolge vertauscht. Üblich und notwendig war 6… Sc7, bevor der Vorstoß e7-e5 erfolgt.6…Sc7 7.0-0 e5 8.d3 Le7] 7.d3? Leider versäume ich, einen gesunden Mehrbauern einzuheimsen: [7.Sxe5 Sxc3 8.Lxc6+ (8.Sxc6 Sxd1 9.Sxd8 Kxd8 10.Kxd1) 8…bxc6 9.dxc3 Dxd1+ 10.Kxd1 Ld6] 7…Sc7 8.0-0 Le7 9.Ld2?! Der Zug ist zu blass. Die Theorie empfiehlt 9.Sd2 oder 9.Le3!? In der Folge gerate ich in eine passive Stellung, die nicht der Sinn des Anzugsvorteils sein kann. 9…Le6 10.b3 Dd7 11.Te1 Tc8 12.Tc1 b6 13.Dc2 0-0 14.Db1 Tfd8 15.Se4 Es ist schwer, einen vernünftigen Plan für Weiß zu finden. Da ich meiner Zugpflicht nachgehen muss, stochere ich ein wenig mit meinen Springern im Zentrum herum. 15…h6 16.Lc3 f6 17.La1 Sb5 18.Sc3 Sbd4 19.Se4 f5 20.Sed2 Lf6 21.Lf1 Der e-Bauer soll beweglich werden. 21…g5 22.Sxd4 exd4 23.e3 dxe3 24.fxe3 Dg7 25.Lxf6 Dxf6 26.Sf3
26… Td6?! Erlaubt mir eine Verschnaufpause. Ein Großmeister hätte mich an dieser Stelle auseinandergenommen, z.B. [26…f4 27.exf4 (27.Da1 Dxa1 28.Txa1 fxg3 29.hxg3 Sb4 30.Tec1 Sxd3 31.Tc3 Lf5-+) 27…Ld5 28.Lg2 gxf4 29.Tf1] 27.Le2 Tcd8 28.Tf1 Se5 [28…g4 29.Sd2 De5 30.e4 Sd4 31.Ld1 h5 32.exf5 Sxf5-+] 29.Se1 Sg6 30.Da1 Dxa1 31.Txa1 Se5 32.Tc1 Kg7 33.Tc3 Kg6 34.Sf3 Sxf3+ [34…Sxd3?? 35.Lxd3 Txd3 36.Txd3 Txd3 37.Se5+ und Weiß gewinnt.] 35.Txf3 Ld5 36.Tf2 Te8 37.d4 Endlich bekomme ich Gegenspiel. 37…cxd4 38.exd4 Le4 39.Tc7 a5 40.Lc4 Ted8
41.g4!! Allein wegen dieses Zuges hat sich die Reise nach Bergen gelohnt. Dabei ist 41.d4-d5 womöglich stärker. Aber die psychologische Wirkung von g4 ist entscheidend. [41.d5 Lxd5 42.Lxd5 Txd5 43.Te2 Trotz Minusbauern sollte das Endspiel remis enden.] 41…Txd4 [41…fxg4? 42.Lf7+ Kg7 43.Ld5+ T6d7 44.Txd7+ Txd7 45.Lxe4 Txd4 46.Lc2+-; 41…f4 42.Te7 Txd4 43.Te2 b5 (43…Ld5?? 44.Lxd5 T4xd5 45.T2e6#) 44.Lxb5 Ld5] 42.gxf5+ Lxf5 43.Lf7+ Kf6 44.Lh5!
Ein sensationeller Rundlauf des Läufers: von e2, c4, f7 nach h5. Damit deckt der Läufer das Feld d1 und stellt weitere Drohungen auf, z.B. Tf7+ 44…T4d7 Wenn Schwarz gewinnen will, muss er stattdessen 44… Ke6 versuchen. Angesichts der gefährdeten Königsstellung und der knappen Bedenkzeit hätte der Schuss auch hinten losgehen können. 45.Tc6+ Td6 46.Tc7 T8d7 47.Tc8 ½-½
In der 6. Runde wollte ich gegen den Schachfreund Thomas Falk (Hessen 2) endlich einen Sieg einfahren. Sein Remisangebot im 16. Zug konnte ich aus mannschaftstaktischen Gründen indes nicht ablehnen. Die letzte Runde bescherte mir FM Dr. Gerd Röder (Bayern 2) als Gegner. In der Eröffnung ging es gleich richtig zur Sache. Nach ungenauem Spiel meines Gegners hätte ich meinen Stellungsvorteil in einen Bauerngewinn ummünzen können. Ich gab einem doppelten Qualitätsopfer den Vorzug und musste mich wieder mit einem Remis begnügen.
Streich, Gerhard (2124) – FM Dr. Röder, Gerd (2197) Bayern 2 [D11]
DSMM (7), 07.09.2014
1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.c4 c6 4.e3 Lg4 5.Sbd2 e6 Die Stellung wurde in der Praxis schon einige Male angewandt. Mein folgender Zug ist sozusagen eine Neuerung. 6.a3 a5 7.h3 Lh5 8.g4 Lg6 9.Se5 Sfd7 Besser war 9… Sbd7 10.Sxg6 hxg6 11.Lg2 Le7 12.De2 a4?! Den Zug habe ich nicht verstanden. Vielleicht wollte Schwarz das Feld a5 für seine Dame freimachen. Die Vollendung der Entwicklung mit 12… Sf6 war allemal vorziehen. Jetzt kann ich im Zentrum aktiv werden. 13.e4 dxe4 14.Sxe4 Sf6 15.d5!
Die Antwort kostete Schwarz 45 Minuten seiner Bedenkzeit. [15.Sxf6+ gxf6 16.Le3 Da5+ 17.Ld2 Db6 18.d5!?] 15…exd5 [15…Sxe4 16.Dxe4 exd5 17.cxd5 0-0 18.0-0] 16.Sxf6+ gxf6 17.cxd5 0-0 [17…cxd5 18.0-0 Sc6 19.Td1 d4 20.Le3 Db6 21.Lxc6+ Dxc6 22.Tac1 Da6 23.Dxa6 bxa6 24.Txd4 Txh3 25.Txa4+=] 18.0-0 Te8 19.Td1 Ld6 20.Dd3c5 21.Ld2 [21.Db5 Ta5 22.Dxb7?? Te7-+] 21…Sd7 [21…Sc6!? 22.dxc6?! Lh2+ 23.Kxh2 Dxd3 24.Lc3 Db5 25.cxb7 Tab8 26.Lxf6 wäre sogar spielbar für Weiß.] 22.Lc3 Dc7 Wohin mit der weißen Dame? Auf den Königsflügel oder auf den Damenflügel? 23.Df3 [23.Db5 war womöglich stärker.] 23…Le5? [23…b5! 24.Lxf6 Sxf6 25.Dxf6 Ta6 26.Dc3 Le5 und Schwarz hat Gegenspiel für den Bauern.]
24.d6! Der Zug lag auf der Hand. Meine folgende Vision weniger. 24…Lxd6 25.Txd6!? Ein doppeltes Qualitätsopfer ist nichts für schwache Nerven. Mir war klar, dass Schwarz nicht sofort matt wird, weil der König über f8 fliehen kann. Dass mir ein Unentschieden durch Zugwiederholung so gut wie sicher war, habe ich indes gesehen. Darüber hinaus wollte ich in meiner letzten Partie für die Galerie spielen, wobei die folgende Variante mit Bauerngewinn objektiv besser war: [25.Dxb7 Dxb7 26.Lxb7 Ta7 27.Lc6 Te6 28.Ld5 Te7 29.Lxf7+ Kxf7 30.Txd6+=] 25…Dxd6 26.Td1 De6 27.Txd7 Dxd7 28.Dxf6 Dd1+ 29.Kh2 Kf8 30.Lxb7 Tad8 31.Dg7+ Ke7 32.Df6+ Kf8
[Wenn Schwarz versucht, über d7 zu fliehen, verliert er die Partie: 32…Kd7? 33.Lc6+ Kc7 34.La5+ Kc8 35.Lxe8+-] (33…Kc8 34.Lxe8 Txe8? 35.Dc6+ Kd8 36.Lf6+ Te7 37.Db6+ Ke8 38.Dxc5 und Weiß gewinnt, weil der Turm wegen Matt nicht ziehen kann; siehe Analysediagramm)
Die Hinfahrt war grauenhaft. Es schüttete wie aus Kübeln. Erst nachdem Christine Harderthauer zwei Tage später zurückgetreten war, besserte sich das Wetter schlagartig. Zum Vorschein kam eine Landschaft, wie sie lieblicher kaum sein kann. Bevor ich mit meinem Bericht fortfahre, zeige ich euch einen Blick auf den Ort Bergen aus der Seilbahngondel, die mich auf den 1.674 m hohen Hochfelln gehievt hat. Hinten links ist der Chiemsee zu sehen. Bislang hatte ich Seniorenschach eher skeptisch betrachtet. Nach diesem Turnier bin ich voll des Lobes. Es gibt auf Landes- und Bundesebene einige engagierte und fähige Funktionäre, die solche Turniere zu einem Erlebnis machen. Auch die Berichterstattung im Internet ist vorbildlich, sodass ich auf die Wiedergabe der nackten Daten verzichten kann. Stattdessen möchte ich euch meine persönlichen Eindrücke vermitteln.
Es gibt Momente im Leben, da passt alles zusammen. Reinhard Piehl hatte zwei Teams aufgestellt, in denen die Chemie stimmte. Das war die Voraussetzung für einen unvergleichlichen Lauf, der zum erstmaligen Gewinn der Deutschen Mannschafts-meisterschaft unserer 1. Mannschaft führte. Auch unsere zweite konnte sich gut verkaufen. Allen voran Gerhard Kaiser am 1. Brett. Er verlor nicht ein einziges Mal und konnte zweimal gewinnen. Lediglich zwei der sieben Mannschaftskämpfe gingen verloren. Bei den unentschiedenen Kämpfen standen wir zweimal auf Gewinn. Dazu und zu meinem Abschneiden komme ich im Laufe meines Beitrags zurück.
Das Dream Team
Für mich war das Turnier wie eine Zeitreise. Ich habe Schachfreunde wieder getroffen, die ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Bis zurück in meine Kindheit gingen meine Erinnerungen. Es ist 60 Jahre her, als dieses Foto aufgenommen wurde:
Der kleine Junge bin ich. Es war 1954 mein erster richtiger Urlaub, und zwar in Inzell, das liegt einen Katzensprung von Bergen entfernt.
Etwas älter als ich auf dem Foto war Stephan Buchal (Bremens 1. Brett), als ich ihm das erste und einzige Mal begegnet bin. Es war beim Jugendturnier des Osterkongresses 1967 in Hannover. Am 17.10.2013 habe ich euch darüber berichtet. Stephan konnte sich meiner vage erinnern. In den Jahren 1970 und 1971 wurde er Niedersächsischer Jugendmeister. Seinen jugendlichen Charme hat sich Stephan bis heute bewahrt.
In der 2. Mannschaft von Sachsen-Anhalt spielte Joachim Just aus Leipzig. Wir hatten uns seit 1991 nicht mehr gesehen. Vor und nach der Wende haben wir uns bei Freundschaftskämpfen kennen und schätzen gelernt. Ich habe bei ihm in Leipzig übernachtet, er bei mir in Hannover. Joachim ist pensionierter Lehrer. Seine Familie ist „schachverrückt“. Seine Frau Dr. Gabriele, seine Tochter Dr. Anita und sein Sohn Wolfgang sind ebenfalls aktiv. Und das nicht schlecht…!
Einen Schachspieler hatte ich noch nie gesehen. Dafür war sein Name in meinem Hinterkopf gespeichert: Dr. Peter Kopp. Er war bei Hessen 2 am 3. Brett aufgestellt. Gegen Peter Kopp habe ich 1967/68 eine Fernschachpartie gespielt. Damals war er Mathematik-Student im 3. Semester an der UNI Darmstadt. Auf diese Partie habe ich ihn im Turniersaal angesprochen. Er konnte sich kaum erinnern und stellte die naheliegende Frage: „Wie ist die Partie denn ausgegangen?“ Die Antwort kann ich mit seiner letzten Postkarte nachliefern. Es war seine Aufgabe, die er in nette Worte gefasst hatte:
Ich habe mir die Partie noch einmal angesehen. Es war ein heißes Match. Sie hat nichts von ihrem Feuer verloren, deshalb könnt ihr sie in meinem Kommentar gern nachspielen.
Das Niveau der 110 aktiven Senioren und Seniorinnen (Anzahl 3) war ausgesprochen hoch. Drei Internationale Meister und sieben FIDE-Meister waren darunter. Ich hatte nicht einen Gegner <ELO 2000. Der ELO-Durchschnitt unserer jeweiligen Gegner stellte sich wie folgt dar:
1. Mannschaft
1. Brett FM Prof. Dr. Christian Clemens ELO 2235 Ø 2242 5,0 Punkte
2. Brett Juri Ljubarskij ELO 2258 Ø 2238 4,5 Punkte
3. Brett Dr. Matias Jolowicz ELO 2175 Ø 2165 4,5 Punkte
4. Brett Dieter Jentsch ELO 2138 Ø 2170 4,5 Punkte
2. Mannschaft
1. Brett Gerhard Kaiser ELO 2120 Ø 2120 4,5 Punkte
2. Brett Gerhard Streich ELO 2124 Ø 2155 3,0 Punkte
3. Brett Alexander Schneider ELO 2061 Ø 2087 3,5 Punkte
4. Brett Mihail Davydov ELO 2061 Ø 2118 3,0 Punkte
Mit 81 Jahren war Juri Ljubarskij der älteste Niedersachse. Was er trotz seines hohen Alters aufs Brett zaubert, ist bewundernswert. Hier eine Kostprobe aus der 2. Runde gegen FM Berthold Bartsch (2243) Bayern 1:
Der letzte schwarze Zug 19… Lc5-b4 war ein schlimmer Fehler. Richtig war 19… Lc5-e7 und Schwarz kann sich vorerst halten. Juris Zug war eine Granate: 20.Td7!! Schwarz gab auf. Auf ähnliche Weise hätte 20.Sf6+ gewonnen: z.B. 20… Kh8 21.De4 g6 22.Se8+
Das war die einzige Niederlage von FM Berthold Bartsch. Er holte trotz dieses KO-Schlags mit 5,5 Punkten das beste Ergebnis aller Teilnehmer am 2. Brett.
Mihail Davydov
Aber es gab auch Reinfälle. Mihail Davydov versäumte in der 2. Runde gegen eine Dame aus Schleswig-Holstein seinen 40. Zug (er hatte Schwarz) rechtzeitig auszuführen. Er drückte die Uhr eine Sekunde zu spät. Dabei stand er total auf Gewinn. Das kostete uns den Sieg gegen Schleswig-Holstein. Mihails Missgeschick glich sich allerdings wieder aus, als sein Gegner aus Hessen in der 6. Runde eine klar gewonnene Stellung verdaddelte.
Einen unglaublichen Schreckmoment erlebte Dieter Jentsch im Kampf gegen Michail Bogorad (ELO 2195) aus Nordrhein-Westfalen. Dieter hatte folgende Stellung auf dem Brett:
Bogorad-Jentsch
Dieter war am Zug. Zuvor hatte er mit seinem Läufer den Turm auf f1 geschlagen. Statt aufzugeben, hatte sein Gegner Bauer d6-d7 gezogen und auf ein Wunder gehofft. Das wäre beinahe eingetreten. Dieter war ein bisschen in Zeitnot. Zwei Minuten standen noch auf seiner Uhr, und für jeden weiteren Zug gab’s 30 Sekunden Aufschlag. Also kein Grund zur Panik. Doch Dieter war so nervös, dass er nach d6-d7 nicht innehielt und dann d2-d1D zog, sondern sich sofort seinen Läufer schnappte und diesen auf dem Feld a6 absetzen wollte. Dann sah er das Malheur: der Läufer hatte die falsche Diagonale im Visier. Die Damenumwandlung der weißen Partei war nicht mehr zu verhindern. Zum Glück hatte Dieter den Läufer nicht losgelassen. Etwa eine Minute lang ließ Dieter den Läufer in verständlicher Erregung über dem Brett kreisen, bis er die Rettung Ld3 fand. Nach d7-d8D und d2-d1D+ ließ Dieter nichts mehr anbrennen und gewann die Partie in wenigen Zügen. Ohne diesen wichtigen Brettpunkt wäre aus der Deutschen Meisterschaft voraussichtlich nichts geworden.
Über meine eigenen Partien werde ich euch in einem gesonderten Beitrag am Wochenende informieren. Wer mehr über die DSMM erfahren und weitere Fotos sehen möchte, die aus meiner Kamera stammen, sollte die Senioren-Webseite des NSV anklicken. Die ist bei Alfred Newerla in ausgezeichneten Händen:
Ohne das richtige Ambiente macht Schachspielen keinen Spaß. In Bergen stimmte alles: das Spiellokal, der Ort, die Umgebung und die freundlichen Menschen. Wer gut zu Fuß war, unternahm stundenlange Spaziergänge. Ein Muss ist die Fahrt mit der Seilbahn auf den Hochfelln. Der höchste Berg weit und breit ist sozusagen die Aussichtsterrasse des Chiemgaus. Wer oben ankommt, kann etwas für seine Bildung tun. Dass die Alpen in Wirklichkeit aufgetürmter Meeresboden sind, wissen wir natürlich. Aber wer kann auf Anhieb folgende Frage richtig beantworten, die am Gipfellehrpfad gestellt wird?
„Ein Felsbrocken, der auf der Erdoberfläche 1 Tonne wiegt, wiegt wieviel, wenn er sich im Erdmittelpunkt befindet?“ Antwort: „Nichts!“
Rund 50 Schachfreunde und Schachfreundinnen nahmen an einem Ausflug nach Salzburg teil. Ich auch. Wie sehenswert Salzburg ist, können die, die es noch nicht wissen, anhand meiner Bildergalerie nachvollziehen. Unser Busfahrer hieß Stefan Pletschacher. Der Name bürgt für Qualität. Schachspielen kann er nicht, verriet uns der sympathische Stefan, aber in einer anderen Disziplin ist er amtierender Deutscher Meister: im Eisspeedway. Die Sportart ist in Deutschland etwa so populär wie 4er Synchronschwimmen, nur viel erotischer.
Wer in Bergen übernachtet, muss pro Tag einen Euro Kurtaxe bezahlen. Das Geld habe ich gern gegeben, denn der Ort ist wunderschön. Das gilt auch für das Bergener Moos, einem Naturschutzgebiet, das sich in Richtung Westen erstreckt. All die Schönheiten habe ich auf vielen Fotos festgehalten. Achtzehn davon habe ich für die Bildergalerie ausgesucht.
Ihr seid nicht irrtümlich im Hamelner Blog gelandet. Peter Brunotte ist ein Eigengewächs unseres Schachvereins. In den Sechzigerjahren, als wir noch Schachfreunde Badenstedt hießen, wuchs Peter zu einer Lichtgestalt heran, die sowohl unseren Verein als auch mich wesentlich geprägt hat. Heute wird Peter 70 Jahre alt. Deshalb ist es mein herzliches Anliegen, ihm hiermit zum Geburtstag zu gratulieren.
Seit über vierzig Jahren bin ich Peter Brunotte nicht mehr begegnet. Das lag wohl vor allem daran, dass er sich für einige Jahrzehnte vom Schachspiel zurückgezogen hatte. Als Senior ist er inzwischen wieder aktiv. Insofern schließt sich der Kreis – auch in Bezug auf meine eigene Vita. Ich weiß noch, als er 1970 aus beruflichen Gründen in eine Gegend zog, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, ein Fertighaus auf sein Grundstück pflanzte, und wenn es nicht umgekippt ist, noch heute darin lebt.
In den Jahren 1962, 1963, 1964, 1968 und 1969 wurde Peter Brunotte insgesamt 5x Vereinsmeister. Ich hatte die Ehre, ihn mit einem Hattrick in den Jahren 1970-1972 abzulösen. Darum steht der Pokal für immer in meiner Vitrine. Darüber hinaus wurde Peter in den Jahren 1960, 1962 und 1963 dreimal Vereinsblitzmeister. Übrigens wurde der Pokal von Walter Frees gestiftet. Walter war ein Unikum. Am 28. August wäre er 100 Jahre alt geworden.
Aber auch auf Landesebene war Peter in jungen Jahren eine Größe. Das belegen die beiden Dokumente aus der damaligen Zeit:
Meine Geburtstagsgrüße möchte ich mit einer Partie abschließen, mit der Peter 1969 zuletzt Vereinsmeister wurde. Es handelt sich um seinen Original-Kommentar aus unserem Vereinsrundschreiben, das damals „Schachkurier“ hieß:
Bauer, Achim – Brunotte, Peter [B07]
Vereinsmeisterschaft Schachfreunde Badenstedt, 1969
[Original-Kommentar: Peter Brunotte]
1.e4 d6 Idee dieser Eröffnung: Schwarz wartet ab, wie sich Weiß aufbaut und sucht dann Angriffspunkte. Achim Bauer spielt „immer“ 2.f4 (außer auf 1… e5). 2.f4 g6 3.Sf3 Lg7 4.Lc4 Sf6 5.d3 Sc6 6.a3 0-0 7.c3 Üblich ist ein weißer Aufbau mit e4, d4, f4, Sc3, Lc2 oder Ld3. Was Weiß hier spielt, ist sicher nicht gut: zunächst aggressiv f4 und Lc4 und dann unscheinbare Bauernzüge. Schwarz kann schon jetzt die Initiative ergreifen. 7…d5! 8.e5? Erforderlich war 8.exd5. 8…dxc4 9.exf6 Lxf6 10.d4! Nach 10.dxc4 Dxd1 11.Kxd1 Sa5 nebst Le6 verliert Weiß den Bauern c4. 10.d4 ist besser, weil der Mehrbauer von Schwarz noch nicht viel wert ist und Weiß ein starkes Zentrum hat. Aber der Bauer c4 beherrscht 2 Punkte im feindlichen Lager und das kann Schwarz ausnutzen. Weiß ist in der Eröffnung leichtsinnig gewesen und theoretisch vielleicht schon verloren. 10…Sa5 11.0-0 Sb3 12.Ta2 Auf diesem beschaulichen Platz bleibt der Turm bis zum 26. Zug. Schwarz gönnt ihm die Ruhe von Herzen.
12…c5 Das weiße Zentrum muss angegriffen werden. 13.dxc5 Dc7? Hier dachte Schwarz 40 Minuten lang nach und verzichtete dann auf Dxd1, weil man nicht tauschen soll, wenn man besser steht. Aber hier wäre der Damentausch besser gewesen, weil Weiß ohne Dame keine Chancen auf Königsangriff hätte und sich auf die Verteidigung beschränken müsste. 14.Le3 Td8 15.De2 Sxc5 16.Sbd2 16.Dxc4? Le6 und Weiß verliert die Qualität. 16…b5 17.Sd4 a6 Die 1. Phase um die Verwertung des schwarzen Vorteils ist abgeschlossen. Schwarz hat einen „gesunden“ Mehrbauern; Weiß hat seine Entwicklung vollendet, einen starken Springer auf d4 und versucht jetzt einen Königsangriff. Der Schlüsselzug, der von Weiß durchgesetzt werden muss, ist f5. 18.Df3 Weiß opfert ein Tempo, weil er die Felder h3 und h4 für den Angriff braucht. Ta1 war besser, weil der schwarze Läufer sowieso nach b7 muss. 18…Lb7 19.Dg4 Lxd4 Nach Ta1-e1 hat Weiß gefährlichen Angriff. Schwarz entschließt sich deshalb zum Abtausch, muss jetzt aber aufpassen, dass nicht ein Endspiel entsteht, in dem der Mehrbauer nichts mehr wert ist. 20.cxd4 Nach 20.Lxd4 Se6 21.Le3 dringt Schwarz mit Td3 in die weiße Stellung ein; aber cxd4 schafft eine Schwäche auf d4. 20…f5 Notwendig, um f5 von Weiß zu verhindern. 21.Dh4 Se6 22.Sf3 22.d5 nebst Ta1-e1 war eine andere beachtliche Möglichkeit, den Angriff fortzuführen. 22…Lxf3 Der Springer darf nicht nach e5 oder g5. Wenn Weiß Gelegenheit hätte, die schwachen schwarzen Felder auszunutzen, wären 19…Lxd4 und 20…f5 Fehler gewesen. 23.Txf3 Sxd4 24.Th3 h5 25.Dg5 Kf7 Ein kritischer Punkt. Reicht das Turmopfer 26.Txh5 zum Remis?
26.Ta1 Der Herr bequemt sich zu spät zum Kampfplatz. Jetzt kann Schwarz die Stellung festigen und die nächstbeste Gelegenheit zum Übergang ins Endspiel suchen. [26.Txh5 gxh5 27.Dxh5+ Ke6 28.Dg6+ Kd5 29.Lxd4 Kxd4? (29…Dxf4 Daher muss sich Schwarz statt Kxd4 mit der Qualität begnügen und steht dann trotz der gefährdeten Königsstellung auf Gewinn.) 30.Ta1 und Schwarz verliert 30…Kc5 31.b4+! Trotzdem hätte Schwarz das Turmopfer versuchen sollen, denn Schwarz war in Zeitnot und hätte vielleicht nicht die stärksten Züge gefunden.] 26…Se6 27.Dg3 Td3 28.Df3 Tad8 29.Te1 Sd4 30.Df2 Dd6 31.Lxd4? Beschleunigt das Ende erheblich. Weiß musste den Übergang ins Endspiel so lange wie möglich verhindern, denn mit 2 Bauern weniger hat er im Endspiel keine Chance. 31…Dxd4 32.Dxd4 T8xd4 33.The3 Txe3 34.Txe3 Txf4 Bauer Nr. 3 fällt. 35.Te5 Td4 36.Tc5 Td1+ 37.Kf2 Td2+ 38.Kf3 Txb2 Bauer Nr. 4 fällt. 39.Tc6 Tb3+ 0-1
Den ersten Absatz meines Beitrags habe ich wegen des larmoyanten Inhalts gestrichen. Ich fange gleich mit dem zweiten an. Es geht um Seniorenschach. Vor einem Vierteljahr hat mich Reinhard Piehl, das ist der Seniorenreferent des Niedersächsischen Schachverbands, gefragt, ob ich an der Deutschen Seniorenmannschaftsmeisterschaft teilnehmen wolle. Nach kurzem Zögern habe ich zugesagt. Es ist eine Ehre für mich, denn normalerweise muss man sich dafür über die Landesmeisterschaften qualifizieren. Am kommenden Sonntag, dem 31. August, fahren wir los. Vom 1. bis 7. September werden 7 Runden gegen andere Landesverbände nach dem Schweizer System gespielt. Niedersachsen wird mit zwei 4er Mannschaften teilnehmen. Die endgültige Aufstellung wird vor Ort festgelegt.
Wir fahren nach Bergen. Für die zahlreichen ü60-Groupies, die dem Vernehmen nach kiebitzen werden, sei gesagt, dass es sich um den Kurort Bergen im Chiemgau handelt. Also bitte nicht „Bergen in der Lüneburger Heide“ oder „Bergen in Norwegen“ in euer Navi eingeben. Dieses Bergen liegt in Bayern. Das ist der Freistaat, in dem sich noch nicht herumgesprochen hat, dass absteigen zweckmäßig ist, wenn man ein totes Pferd reitet; siehe PKW-Maut.
Natürlich werde ich anschließend einen supergeilen Bericht abliefern. Seniorenschach macht sexy. Am 9. September 2014 gibt’s indes ein historisches Datum, das ich zuvor mit einem speziellen Beitrag würdigen möchte. Bis dahin werde ich keinen neuen Beitrag schreiben; allenfalls die Kommentarfunktion nutzen.
Beim Thema „Seniorenschach“ möchte ich an einen herausragenden niedersächsischen Schachspieler erinnern, gegen den ich ein einziges Mal gespielt habe. Das war 1981. Ich hatte meine Blütezeit (32 Lenze), er befand sich im fortgeschrittenen Alter: Dr. Heinz-Wilhelm Dünhaupt(* 7. Mai in Bückeburg 1912; † 19. April 1998 in Celle).
Ich erinnere mich insbesondere seiner, weil er ausgerechnet in dem Jahr, als ich geboren wurde (1949), in Goslar Niedersachsenmeister wurde. Den Titel konnte er dreimal erringen: 1939, 1949 und 1952. Darüber hinaus wurde er dreimal Zweiter: 1948, 1950 und 1962; in den beiden letztgenannten Jahren jeweils hinter Manfred Heilemann. Die vierten Plätze 1953, 1954 und 1959 sollen nicht unerwähnt bleiben. In den Fünfzigerjahren war er nicht nur einer der stärksten Spieler Niedersachsens, er gehörte auch zur 1. Mannschaft des Hannoverschen Schachklubs, die 1959 deutscher Mannschaftsmeister wurde. Eine Schachbundesliga gab’s noch nicht. Obwohl er als Oberstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Celle vermutlich genug um die Ohren hatte, gelang es ihm nebenbei, den Titel eines Fernschachgroßmeisters zu erwerben.
Als er die Partie in der Oberliga Niedersachsen/Bremen gegen mich spielte, war er 69 Jahre alt. Ob es am Alter lag, weiß ich nicht, jedenfalls agierte er derart zaghaft, dass der Sieg für mich das sprichwörtliche Kinderspiel war. Am Ende der Partie zeigte er seine wahre Größe, indem er mir die Hand gab, als die Partie materiell ausgeglichen war. Einen Schönheitspreis hat die Partie nicht verdient, aber einen Platz im Kuriositätenkabinett (siehe 1. Diagramm).
Dr. Dünhaupt, Heinz-Wilhelm – Streich, Gerhard [A05]
HSK-SFH Oberliga Niedersachsen/Bremen, 1981
1.Sf3 Sf6 2.g3 g6 3.Lg2 Lg7 4.0-0 0-0 5.d3 d6 6.e4 c5 7.Sbd2 Sc6 8.c3 Ld7 9.Se1 Dc8 10.f4 Lh3 11.De2 Lxg2 12.Dxg2 b5 Mit meiner Stellung bin ich hochzufrieden. Nach dem Tausch des Fianchetto-Läufers macht die weiße Stellung einen löchrigen Eindruck. Meinem Angriff auf dem Damenflügel hat Dr. Dünhaupt wenig entgegen-zusetzen. 13.Sc2 b4 14.c4 a5 15.Sf3 a4 16.Ld2 Sd7 17.Tab1 b3 18.axb3 axb3 19.Sa1? Ein kurioser Zug. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals einen Springerzug auf einem Eckfeld (a1/h1/a8/h8) gesehen zu haben, ohne dass dort eine Figur geschlagen wurde. Dass dort des Öfteren eine Qualität erobert wird, gehört zum Alltag, ansonsten gibt es wohl äußerst selten einen Grund, einen Springer in die Ecke zu stellen.
19…Ta2!? Damit entlasse ich zwar den Springer aus seinem Verließ, aber freies Figurenspiel war mir lieber. Infrage kam auch: 19… Db7 20. Lc3 und Weiß kann den starken Läufer auf g7 tauschen. 20.Sxb3 Db7 21.Sc1 Txb2 22.Txb2 Dxb2 23.Le3 Tb8 24.Dh3 Die einzige Hoffnung für Weiß besteht in einem Gegenangriff auf dem Königsflügel. 24…Sf8 25.f5 Sd4 26.Sg5 f6 27.fxg6 Das Figurenopfer auf h7 würde im Sande verlaufen: [27.Sxh7 Sxh7 28.fxg6 Sf8 29.Dh5 e6 30.Tf2 Dc3-+] 27…hxg6 28.Sf3 Se2+ 29.Kh1 Sxc1 30.Lxc1 Dc2
Weiß gab auf. Keinesfalls zu früh, denn seine weißfeldrigen Bauern fallen jetzt wie reife Früchte.