HP steht nicht etwa für einen führenden Druckerhersteller, sondern für Heidelberg-Paderborn. Bekanntlich hängt auf unserer Mutter Erde alles irgendwie zusammen. Räumlich, zeitlich und sonst wie. Hätte sich der Homo heidelbergensis einen anderen Wohnort gesucht, hätte es am Neckar im Jahr 1979 kein Jubiläumsschachturnier gegeben, und der SC Paderborn wäre jetzt nicht in die 1. Fußballbundesliga aufgestiegen. Aber der Reihe nach.
Die beginnt mit Rugby. Genauer gesagt mit der Deutschen U 14 Meisterschaft, die am vergangenen Wochenende in Heidelberg ausgetragen wurde. Uwe war dort mit seinem Sohn. Ein vierter Platz sprang dabei heraus. Immerhin vor dem Lokalrivalen Germania List. Alle Achtung! Als mir Uwe davon erzählte, hat es bei mir Klick gemacht. Heidelberg?! Da war doch was!? Ja, vor 35 Jahren wurde der Heidelberger Schachklub 100 Jahre alt. Es gab ein hochdotiertes, internationales Open über 9 Runden mit normaler Bedenkzeit. Ich war dabei. Und beeindruckt. Der Heidelberger SK gehörte damals zu den renommiertesten und stärksten Schachklubs in Deutschland. Alle waren voll des Lobes angesichts dessen traditionsreicher Geschichte: Reinhold Zundel, der Oberbürgermeister, Alfred Kinzel, der Präsident des Deutschen Schachverbands, Alfred Weber, der 1. Vorsitzende des Badischen Schachverbands und Prof. Dr. Till Kirsten, der 1. Vorsitzende des Heidelberger SK. Dieser Till Kirsten hat „ein persönliches Wort“ verfasst. Es hebt sich ab von den zu solchen Anlässen üblichen Floskeln:
Habt ihr auch das Gedicht gelesen? Ihr kennt es bereits. Ich habe in meinem Kommentar vom 30. Mai danach gefragt. Noch immer streiten Experten darüber, ob sich hinter Sigurd Kalbfisch nicht Prof. Till versteckt; und was uns der Künstler mit dem Gedicht sagen will. Deutungen jedweder Art sind auch nach 35 Jahren willkommen.
Für Touristen ist Heidelberg ein Muss. Das liegt vor allem an Deutschlands berühmtester Ruine: dem Heidelberger Schloss. Das Schloss liegt am Nordhang 80 m über der Stadt. Es ist gigantisch. Wer das komplette Panorama genießen möchte, sollte am gegenüber-liegenden Berghang spazieren gehen. Das tat ich auch. Seitdem nennt man die 2 km lange Strecke „Philosophenweg“. – „Was hat das mit Paderborn zu tun?“, werdet ihr fragen. Die Antwort lautet: Mich hatte es damals beruflich nach Paderborn verschlagen. Ich war an der Realisierung der Stadthalle (Paderhalle) beteiligt.
Der Rohbau der Stadthalle ähnelte irgendwie der Schlossruine, nur, dass die Ausmaße der Ruine viel größer sind. Dennoch war mein Bauwerk in Paderborn nicht von Pappe. Rechtwinklige Wände waren eine Seltenheit, gleiche Wandhöhen auch. Im Keller mussten wir eine Quelle einfangen und diese dauerhaft sprudeln lassen.
Ich gehörte damals zum dreiköpfigen Bauleitungsteam. Unser Chef war der Berliner Architekt Prof. Hardt-Waltherr Hämer, Spitzname: Gustav. Vor zwei Jahren ist er im Alter von 90 Jahren verstorben. Für seine Ideale wusste Gustav zu kämpfen. Das hat ihm einen Ehrenplatz in der „Bundeszentrale für politische Bildung“ eingebracht. Wer Interesse hat, möge sich das Interview mit ihm anhören, das er im hohen Alter gegeben hat. Es ist von aktueller Bedeutung. Stichwort: Gentrifizierung.
In meinem langen Berufsleben habe ich an vielen Orten irgendetwas gebaut. Abgesehen von der Schaffensfreude habe ich mich stets gefragt, ob mit dem errichteten Bauwerk ein positiver Einfluss auf die Gesellschaft einhergeht. Im Falle von Paderborn bin ich mir ganz sicher. Der kulturelle Einfluss durch die vielfältigen Veranstaltungen in der Paderhalle hat im Laufe der drei Jahrzehnte dazu geführt, dass die Bürger Paderborns weltoffen geworden sind. Kirchgang hin oder her, wenn der schnöde Mammon schon sein muss, ist er im Profisport gut angelegt. Somit nahm der Aufstieg des SC Paderborn seinen Lauf. Nun gehört er zum Nonplusultra der bundesdeutschen Unterhaltungsbranche: der 1. Fußballbundesliga.
Den Heidelberger SK gibt’s indessen nicht mehr; jedenfalls nicht mehr in der Fassung von 1979. Wenn die 100-Jährigen in die Jahre kommen, wird’s kritisch; siehe HSK und SVgH. Offenbar gab’s eine Fusion mit den Handschuhsheimern, die zumindest sportlich für einen Höhenflug sorgte. In der Saison 2008/09 holte sich die 1. Mannschaft den Sieg in der 2. Bundesliga Süd. Eine Saison später bedeutete der 14. Platz den Abstieg aus der 1. Bundesliga. Danach ging’s bergab in die Niederungen des Badischen Schachverbands. Brauchbare, aktuelle Informationen über den SK 1879 HD-Handschuhsheim (die Domain könnt ihr kaufen) habe ich leider nicht gefunden.
Zurück zum Jubiläums-Open. Wer Turniersieger wurde, weiß ich nicht mehr, aber ich habe eine hübsche Partie gewonnen, die ich euch zeigen möchte. Mein Gegner war Dirk Paulsen (Lasker Steglitz). Er war 20, ich 30 Jahre alt. Dirk war damals einer der aufstrebenden Schachspieler Deutschlands. Anfang der 80er Jahre spielte er für die SG Bochum in der 1. Bundesliga. Mit 23 Punkten aus 30 Partien machte er die beste Ausbeute aller Bundesligaspieler. In der Partie gegen mich war er zu ungestüm. Seinen Angriff am Königsflügel konnte ich im Zentrum kontern. Wer Spaß an komplizierten Stellungen hat, möge sich die nach dem 32. Zug … Dxd4 anschauen, und zwar mit dem Folgezug 33. Sdf3!. Am besten macht ihr das ohne euren Rechner. Einige Varianten zeige ich euch. Am Brett hätte diese auch ein Super-Großmeister nicht alle sehen können. Die komplette Partie findet ihr in meinem Kommentar.
Paulsen, Dirk – Streich, Gerhard [D36]
Schwarz ist am Zug
32… Dxd4 [32…Txe1?? 33.Sf7+ Lxf7 34.Dxg7#] 33.Te4? Danach ist Weiß rettungslos verloren. Stattdessen wäre er mit 33.Sdf3! nicht chancenlos gewesen. Es ergeben sich einige abenteuerliche Varianten: [33.Sdf3!? Dxa4 (33…Df6?! 34.Txe7 Txe7 35.Dh2 Dh6 36.Sh4 Sxg5 37.Sg6+ Kh7 38.Sf8+ Kh8 39.Sg6+=) 34.Te4 (34.Sf7+ Txf7 35.Txe8 Tb7 36.Tb8 Te7 37.b4 Db3 38.Sh4 Sf4 39.Dg3 Dd5+ 40.Tg2 g5 41.fxg6 Sxg2 42.Sxg2 Sf6-+) 34…Db3 (34…Txe4?? 35.Sf7+ Lxf7 36.Dxg7#) 35.Sh4 Sf4 36.Txf4 Ld5 37.Sgf3 Tb7=+] 33…Txe4 34.Sgxe4 Se3 35.Df3 Ld5 36.f6 Sxf6 [36…Txe4! dazu gehört Mut oder einfach nur Rechenkunst. 37.fxg7+ Kg8 38.Sxe4 Lxe4 39.Lb3+ Sd5-+] 37.Tg3 Lxe4 [Noch schneller gewann 37…Txe4!, aber Dirk Paulsen hatte sowieso keinen Bock mehr, weiterzuspielen.] 38.Sxe4 Dxe4 0-1
Über den Verbleib von FM Dirk Paulsen (ELO 2289) habe ich mich auch sachkundig gemacht. In der Berliner Kaffeehausschachszene gehört er nach wie vor zu den Besten. Er hat sogar eine eigene Kolumne: http://www.fvschach.de/dp_kolumne.htm
Gerd,
da hast Du ja einen Finger in die Wunde gelegt… ich treibe zwar in Linden Sport (Schach wie Fitness), bin aber in der hannoverschen List zu Hause, von daher ist Clemens ein Germane. Germania List hatte es leider in der Vorrunde versäumt, das Engagement vom Sonntag aufzubieten. Nur damit hätte man sich ins Halbfinale (oder vielleicht auf Platz 2) beißen können. Während man in Egestorf absichtlich eine A- und eine B-Vorrunde spielte, kam es in Heidelberg durchs Los zu einer ähnlichen Konstellation. Unser Spieler Hagen Maus hat dem völlig überlegenen Deutschen Meister Frankfurt 1880 – der eine der besten Mannschaften ganz Europas ist! – per Straftritt die einzigen 3 Gegenpunkte beigebracht.
Ansonsten: Heidelberg ist wie geschildert eine touristische Reise wert, absolut und ohne Abstriche!!!
Bzgl. der dortigen Vereinskultur des 64Felder-Sports war mein Wissensstand auch eher der aus den frühen 90ern. Schade, denn eine Studentenstadt sollte auch eine Denkerstadt sein!!!
Stattdessen scheint man in der Umgegend (Walldorf, Hoffenheim, St.Leon-Rot, Hockenheim) eher kostspieligen Profisport zu bevorzugen.
Du bist sicher darüber informiert, Uwe, dass es bei den Lister Germanen mächtig Stunk gibt. Der komplette Abteilungsvorstand Rugby ist aus Prostet gegen den Klubchef zurückgetreten. Am 26. Juni soll eine außerordentliche Abteilungsversammlung über die Zukunft entscheiden. Da haben wir in unserem Schachverein ja paradiesische Zustände!
Ja. Dazu ranken sich wilde Verschwörungstheorien. Die Zahnarztlobby sei schuld am Aussterben des Homo heidelbergensis. Der hatte nämlich ein tadelloses Gebiss. Und das nach 600.000 Jahren! Hätten wir die heidelbergensischen Gene, wäre den Zahnärzten auf Dauer die Geschäftsgrundlage entfallen.
Zurück in die Zukunft!
Vor zwei Tagen habe ich euch über Dirk Paulsen berichtet, nun lese ich, dass er bei den Norddeutschen Blitz-Einzelmeisterschaften den 3. Platz belegt hat. Donnerwetter! Offenbar hat er sich von seiner Niederlage gegen mich gut erholt. Überlegener Sieger wurde IM Ilja Schneider. Glückwunsch! Der gilt auch für Torben. Er wurde Neunter. Durch seinen Sieg im Stichkampf hat er sich für die nächste Deutsche Blitz-Einzelmeisterschaft qualifiziert. Torben tritt damit in meine Fußstapfen. Just in dem Jahr 1979, über das ich berichtet habe, wurde ich Sechster bei den Norddeutschen Blitz-Einzelmeisterschaften und konnte mich dadurch für die Deutschen Blitz-Einzelmeisterschaften qualifizieren. Die wurden 1979 in Bad Neuenahr-Ahrweiler vom SK Bad Godesberg ausgetragen. Deutscher Blitzmeister wurde damals Potz-Blitz (Karl-Heinz Podzielny). Ich musste mich mit dem 32. Platz begnügen.
Das Ergebnis der 36. Norddeutschen Blitz-Einzelmeisterschaften findet ihr auf der Seite des DSB:
http://www.schachbund.de/news/ilja-schneider-ueberlegen-norddeutscher-blitzmeister.html
Übrigens habe ich im Netz tagelang vergeblich nach diesen Blitzmeisterschaften Ausschau gehalten. Ich habe auf sämtlichen Seiten der norddeutschen Landesverbände und auch sonst wo keinen Hinweis auf Barsinghausen gefunden. Offenbar mangelt es auf norddeutscher Ebene an der Öffentlichkeitsarbeit.
Hannover kann aufatmen. Das gute Omen, das ich in meinem Beitrag über den Karfreitag 1970 aufgezeigt habe, ist eingetreten. 96 bleibt erstklassig. Bravo! Die Mannen um Torben wird’s etwas trösten, da ihnen der Aufstieg in die 2. Schachbundesliga bekanntlich im letzten Moment entrissen wurde.
Mein Trost geht nach Paderborn und Hamburg. In beiden Städten hatte ich aus beruflichen Gründen vorübergehend eine Zweitwohnung. Wobei die Hamburger fast unsterblich sind. Ein Sieg in der Relegation ist ihnen zuzutrauen.
Ich melde mich ich an dieser Stelle wieder, weil ich mittlerweile die Endergebnisse vom Heidelberger Jubiläumsturnier aus dem Jahr 1979 gefunden habe. Gewonnen hat IM Michael-Viorel Ghinda aus Rumänien mit 7,5 Punkten aus 9 Partien. Dahinter folgen 7 Spieler mit 7 Punkten, die bekanntesten sind GM R. Dzindschichaschwili (Israel), GM Eric Lobron (Mainz) und GM V. Ciocaltea (Rumänien). Weitere Platzierungen: 21. IM Dr. Helmut Reefschläger (Porz), 22. Harald Behrens (Lehrte) mit je 6 Punkten, 36. Gerhard Streich vor 37. Dirk Paulsen (Berlin) mit je 5,5 Punkten. Von ursprünglich 171 Startern beendeten 163 Schachspieler das Turnier.
Meinen Beitrag aus dem vergangenen Jahr habe ich um ein Foto erweitert. Aus aktuellem Anlass ist es ein wehmütiger Blick auf die Stadt Paderborn. Ich habe damals kein Risiko gescheut und bin mit zittrigen Knien in den Turmdrehkran geklettert, um euch heute dieses Foto zu zeigen. Die schlechte Bildqualität bitte ich zu entschuldigen.
Das Heidelberger Turnier war zur damaligen Zeit eines der spielstärksten Open in Deutschland. Der ELO-Schnitt aller Teilnehmer lag bei 1985. Der Preisfond betrug 7.500 DM. Es gab auch einen Schönheitspreis. Die Partie zeige ich euch im Anschluss. Den Kommentar und die Varianten des Siegers (Schachfreund Schlenker aus Tübingen) habe ich bis auf die Frage- und Ausrufezeichen und bis auf seine Anmerkung im 31. Zug weggelassen. Die Partie ist wirklich sehenswert. Leider hat sein Gegner aus den USA zu spät aufgegeben.
Eine weitere Partie möchte ich euch zeigen. In der 8. Runde hatte Helmut Reefschläger leichtes Spiel. In einer harmlosen Stellung leistete sich sein Gegner einen kapitalen Bock.
Jetzt muss ich euch noch eine mysteriöse Analogie erzählen: Als ich 1979 in Paderborn an der Errichtung der Stadthalle beteiligt war, haben wir eine Exkursion nach Ingolstadt gemacht, weil mein Chef (Prof. Gustav) dort zuvor das Stadttheater erbaut hatte. Der FC Paderborn ist am Samstag aus der Fußballbundesliga abgestiegen. Den Platz nimmt nun der FC Ingolstadt ein.
Frau gibt erst recht nicht auf! In der Rugby-Frauenbundesliga hat der RFC München 11-mal eine Klatsche bekommen. Meist dreistellig, z.B. mit 0:135 gegen den RC Neuenheim. In 7 Begegnungen gab’s nicht einen einzigen Punkt! Das Punktekonto lag somit bei 19:928. Jetzt kommt’s: Am Pfingstsamstag haben die Münchener Damen zwar wieder verloren, aber diesmal mit 22:25 beim Stuttgarter RC. In dieser Partie gab’s mehr Punkte als in allen anderen zuvor. Wenn das kein Grund zum Jubeln ist!
Wenn ich den Spielbericht lese, muss ich unwillkürlich an dieses Berliner Volkslied denken: „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“; guckt ihr hier:
http://www.munich-rugby.de/Joomla/index.php/9-spielbericht/fraueni/700-2015-05-23-spieltag-12-fbl
„Janz köstlich amüsiert!“
Bevor hier Langeweile aufkommt, möchte ich euch etwas von der Dramatik zeigen, die damals beim Heidelberger Open herrschte. Hoher Favorit des Turniers war der Israelische GM Dschindschichaschwili. Mit einer ELO-Zahl von 2570 war er in Israel die Nummer 1 und in der Weltrangliste die Nummer 25. Zum Vergleich: heute muss man für einen entsprechenden Platz rund 150 ELO-Punkte mehr aufweisen.
Bis zur 6. Runde lief es für Dschindschi nach Plan. Er hatte alles gewonnen. Dann traf er in der 7. Runde auf Arndt Miltner. Miltner (Jahrgang 1957) spielte damals für den SC Eppingen am 1. Brett in der Bundesliga Südwest. Eine eingleisige 1. Bundesliga gab es noch nicht. Die wurde ein Jahr später in der Saison 1980/81 eingeführt. – Arndt Miltner wiederum hatte 5,5 Punkte auf dem Konto, als er auf den großen Favoriten traf. Zuvor hatte er gegen Eric Lobron eine sensationelle Partie gewonnen. Eric Lobron wurde in den Folgejahren Großmeister und Deutscher Nationalspieler. In seiner Partie gegen Miltner stand er bereits nach 11 Zügen auf Verlust, weil er in der Eröffnung seine Dame derart unglücklich platziert hatte, dass er sie gegen zwei Leichtfiguren geben musste, um nicht sofort mattgesetzt zu werden. In aussichtloser Stellung quälte er sich noch bis zum 34. Zug, bevor er aufgab.
In der Partie gegen Dschindschi wählte Miltner mit Schwarz eine zweischneidige Variante. Er geriet zwar unter Druck, verteidigte sich aber geschickt. Dschindschi konnte zwischendurch das Remis durch ewiges Schach erzwingen. Er wollte jedoch mehr. Das wurde ihm zum Verhängnis. Im 48. Zug verlor er durch Zeitüberschreitung in einer schwierigen Stellung, die bei korrekter Spielweise Remis enden sollte.
Außenseiter Arndt Miltner führte plötzlich mit 6,5:0,5 Punkten das Feld an. Für ihn war’s das leider. Die letzten beiden Partien gingen verloren, sodass am Ende nur der 10. Platz heraussprang. Ich zeige euch noch seine Niederlage in der 8. Runde gegen den Turniersieger Michel Ghinda aus Rumänien. Miltner spielte wie gegen Lobron mit Weiß die Rossolimo-Variante (3.Lb5) in der Sizilianischen Verteidigung. Sein Gegner war indes besser vorbereitet und erreichte schnell eine Gewinnstellung. Mit diesem Sieg übernahm IM Ghinda die Führung in der Tabelle und gab sie nicht mehr ab. Als einziger holte er 7,5:1,5 Punkte. – Bei Dschindschi war offenbar die Luft raus. Nach seiner unnötigen Niederlage gegen Miltner begnügte er sich in den letzten beiden Runden jeweils mit einem Remis. Damit wurde er mit 7,0:2,0 Punkten nach Wertung Dritter.
Die von mir erwähnten drei Partien Miltners haben auch nach 36 Jahren nichts von ihrem Reiz verloren. Seine Gefühle während des Turniers müssen zwischen „himmelhoch jauchzend und zu Tode getrübt“ gelegen haben. Guckt euch die Dramen an. Die Kommentare sind von mir (leider nicht mehr verfügbar).
Da ich gerade in alten Zeiten stochere, möchte ich auf ein Stichwort zurückgreifen, das mir der Giro d’Italia liefert. Der Giro hat gestern einen Abstecher in die Schweiz gemacht. Zielort war Lugano. Wer sich in Geographie auskennt, weiß, dass die Gegend zu den schönsten Destinationen der Welt gehört. Das war für Horst-Peter und mich Grund genug, Anfang 1977 an der 2. Offenen Internationalen Schachmeisterschaft von Lugano teilzunehmen. Das Turnier war für damalige Zeiten stark besetzt. Der Sieger bekam 2.000 Schweizer Franken, für den Zehnten gab’s noch 500 Franken, und selbst der Fünfunddreißigste ging mit 100 Franken nicht leer aus.
Mein Turnierverlauf war ein Auf und Ab. Ich begann mit zwei Niederlagen; eine gegen den Jugendweltmeister von 1971, Werner Hug (Schweiz). Dann gewann ich vier Partien hintereinander und fand mich plötzlich in der erweiterten Spitze wieder. Leider gab’s dann gegen den späteren Fünften R. Krzisnik (Jugoslawien) und in der letzten Runde gegen Ernö Gereben (Schweiz) eine Niederlage, sodass ich mich am Ende mit 4,5:4,5 Punkten begnügen musste. Die gleiche Punktzahl erreichte Horst-Peter.
Ernö Gereben war damals 69 Jahre alt. Die Jüngeren werden ihn nicht kennen, die Älteren werden sich daran erinnern, dass der gebürtige Ungar in der Schweiz eine Institution war. Gereben verstarb 1988 im Alter von 80 Jahren. Sein Schachklub, der SK Birseck, würdigt ihn im Internet auf bemerkenswerte Weise.
Auch eine andere Legende war unter den Teilnehmern: IM Rudolf Teschner. Nach dem 2. Weltkrieg gehörte Teschner zu den stärksten Deutschen Schachmeistern. Unvergessen sind vor allem seine schachschriftstellerischen Leistungen. Mein erstes Schachbuch über Eröffnungen „Der kleine Bilguer“ stammt aus seiner Feder. Ich habe es noch heute. Teschner verstarb im Jahr 2006. Eine Ehrung anlässlich seines 80. Geburtstags im Jahr 2002 gibt es auf der Webseite der Lasker Gesellschaft: http://www.lasker-gesellschaft.de/forum/hartmut-metz/teschner/teschner.html
Das 2. Lugano Open 1977 gewann Bela Toth (Italien) mit 7,5 Punkten aus 9 Partien. Zweiter wurde Dr. A. Dückstein (Österreich) vor J. Flesch (Ungarn) mit jeweils 7 Punkten.
Meinen Ausflug in die wunderbare Welt des Fußballs (à la Zeigler) kann ich für diese Saison abschließen. Paderborn ist abgestiegen, Ingolstadt ist aufgestiegen, Hannover 96 hat sich wie 1970 im letzten Spiel auf den 13. Platz gerettet, und der Hamburger SV ist unkaputtbar. Bleibt noch eine Kleinigkeit, die heute Abend geklärt wird. Steigt der TSV 1860 München wie 1970 ab? Diesmal wäre es allerdings ein Sturz in die 3. Liga. Die Kieler Störche haben es in der Hand – pardon – auf dem Fuß.
Wusstet ihr, dass der Karlsruher SC nur einen Platz hinter Hannover 96 liegt? Ich spreche von der ewigen Bundesligatabelle. 96 liegt mit 27 von 52 Jahren Zugehörigkeit an 16er Stelle. Der KSC gehörte 24 Jahre dem Oberhaus an. Das bedeutet Platz 17 von 53. Tja, der KSC. Erst hatte er kein Glück und dann kam noch Pech dazu. – Da ich nicht bereit bin, 5 Euro ins Phrasenschwein zu bezahlen, kommt mir bezüglich des HSV das Wort „Dino“ nicht über die Lippen. Die Liga lebt vom großen Kino. Hamburg gegen Sandhausen macht keine Kasse.
Womit wir beim Geld wären. Wusstet ihr, dass der VW-Konzern an vielen Bundesligavereinen finanziell beteiligt ist? Also nicht nur am VFL Wolfsburg. Der hat nun erstmals den Pokal gewonnen. Glückwunsch! Mannschaft und Trainer sind sympathisch. Gleichwohl wurde der Erfolg mit viel Geld erkauft. Nun heißt es doch: „Geld macht nicht glücklich!“ Trotzdem waren einige zehntausend Wolfsburger bei der Siegesfeier außer Rand und Band. Freude kann so rätselhaft sein. – Als ich so alt war wie Dieter Hecking heute, war ich als Bauleiter an der Errichtung der Autostadt Wolfsburg beteiligt. Damals habe ich den VW-Konzern näher kennengelernt. Nirgendwo habe ich das geflügelte Wort von der „Arroganz der Macht“ stärker gespürt als dort.
Genaueres über den „Fußballbeherrscher“ könnt ihr in der WIWO lesen (Link nicht mehr verfügbar).
Alles fließt
Bis auf den ehemals unkaputtbaren Hamburger SV hat sich in den vergangenen 10 Jahren wenig geändert; z.B. die „Arroganz der Macht“ in Wolfsburg. Weil alles fließt, hängt auch alles mit allem zusammen. In meinem letzten Kommentar habe ich Dieter Hecking erwähnt. Wie es der Zufall wollte, war ich am 5. November in Bochum, just an dem Tag, als er zum neuen Trainer beim Vfl Bochum berufen wurde. Das Ruhrstadion heißt jetzt „Vonovia“. Über dem Tor zur Ostkurve hängt ein großes Plakat mit der Aufschrift: „Du hast’n Pulsschlag aus Stahl“. Darunter in kleiner Schrift der Hinweis: zum Damen-WC geht’s die Treppe hinauf. – Herbert Grönemeyers Liedtexte sind ehrlich. Bochum sei das Himmelbett für Tauben. „Berlin, du kannst so hässlich sein“, tönt Peter Fox über seine Heimatstadt. Womit wir bei Hannover wären: „Langweilig, bieder, provinziell“, lautete eine Schlagzeile am 17. November in meiner Tageszeitung. Warum Hannover so ein mieses Image hat, erforschte die Historikerin Vanessa Erstmann, die auch Vorsitzende des Jazzclubs ist, und kam zum überraschenden Ergebnis, dass das Graue-Maus-Image historische Gründe hat und damit auf Vorurteilen beruht. Sag ich doch! – Hannover ist die einzige Stadt Deutschlands, in der ein verblichener Schachverein die Möglichkeit bietet, Erinnerungen aufzufrischen und diese mit aktuellen Erlebnissen zu verknüpfen. Schach ist dabei der Türöffner.