Plötzlich ist sie in aller Munde: die Frau. Viele Schachspieler kannten sie bislang nur vom Hörensagen. Und manche Wirtschaftsbosse auch. Zum Beispiel der Aufsichtsrat vom FC Bayern München. Dort gibt es 9 Männer und 0 Frauen. Nicht auszudenken, wenn dort demnächst 3 Frauen säßen. Das Abstiegsgespenst würde sich die Hände reiben. Aber solange die Bayern nicht in die DAX-Liga aufsteigen, wird es nicht dazu kommen.
Die von der Bundesregierung geplante Frauenquote ist wie eine vermeintliche Drohung im Schachspiel. Eigentlich nur ein Bluff, aber die Machos bekommen das große Zittern. Diese Sorgen möchten wir Schachspieler haben. Wir schätzen die Frauen und freuen uns über jede, die am Schachbrett sitzt, solange sie nicht gegen uns gewinnt. – Nun macht Frau derzeit nicht nur im Bundestag von sich reden, sondern auch in unserer Männerdomäne. Das erste Deutsche Masterturnier für Frauen, das gerade in Dresden beendet wurde, war ein Medienhit. Oder ein Hitchen? Laut Renate Künast soll es sich bei der Frauenquote auch nur um ein Quötchen handeln. „Haste mal ‚ne Frau?“, könnte zum geflügelten Wort werden. Dass das Schielen auf die Quote zu falschen Schlüssen führen kann, zeigt der Bericht über das DSAM-Turnier, das vorige Woche in Magdeburg ausgetragen wurde.
„Mit 9 Prozent teilnehmenden Damen lag das Turnier deutlich über dem (dünnen) Frauen-Anteil des DSB, aber auf diesem Weg muss noch weit gegangen werden, bis das Ziel erreicht sein wird – wenn auch die ersten Schritte getan sind!„, sagte die Turnierdirektorin Ingrid Schulz in einem Interview mit Ralf Mulde (DSB-Seite vom 23.11.2014). Als ich den Artikel las, habe ich mich nicht nur über die Überschrift (knorriges Kampfschach) amüsiert, sondern vor allem über den „dünnen Frauen-Anteil“. Für „Anteil dünner Frauen“ hätte es einen Satz heiße Ohren gegeben. Wer kaudert*, muss sich auf eine Watschen gefasst machen.
*Verbschöpfung zu Ehren von Volker, dem Frauenversteher. Meine kreative Antwort auf das bislang unbekannte Verb „direktorieren“ im zitierten Artikel.
Dann habe ich mir die Zahlen genauer angesehen. Sie sollten ja deutlich über dem Frauenanteil im DSB liegen. Nach letzten mir bekannten Zählungen gibt es im DSB 83.985 männliche Mitglieder inklusive Kinder und Jugendliche sowie 6.691 weibliche Mitglieder. Das ist ein Frauenanteil von 7,4 %. Trennt man jedoch die Kinder und Jugendlichen von den Erwachsenen ergibt sich ein anderes Bild: von 21.366 Kindern und Jugendlichen sind 3.471 weiblich. Das ist ein Anteil von 16,3 % und damit ein dickes Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Bei den volljährigen Frauen beträgt der Anteil so gesehen nur 5,1 %. Das ist wirklich dünn. – In Magdeburg waren insgesamt 331 Schachspielerinnen und Schachspieler am Start. Davon waren 30 Frauen bzw. weibliche Kinder und Jugendliche. Wenn man bedenkt, dass von denen über die Hälfte in der niedrigsten Ratinggruppe F gespielt hat, kann man davon ausgehen, dass die meisten noch Kinder oder Jugendliche sind. Somit relativiert sich der Anteil weiblicher Teilnehmer. Unter den volljährigen Frauen war er allenfalls so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Mit dieser Klarstellung will ich nicht die Euphorie dämpfen, gleichwohl müssen die nächsten Schritte folgen. Dazu eignen sich die Analysen zweier Kenner.
Ilja & Ilja haben sich mit den Vorurteilen beschäftigt, die so zahlreich sein sollen wie die Machos an deutschen Stammtischen. In seiner Funktion als ZEIT-Blogger hat Ilja Schneider im Mai dieses Jahres zwei Beiträge geschrieben, die hohe Wellen schlugen:
Schachspieler sind gut, Spielerinnen sind schön / 38 Kommentare
http://blog.zeit.de/schach/maedchenschach-benachteiligung/
Männer haben mehr Sitzfleisch / 108 Kommentare
http://blog.zeit.de/schach/elisabeth-paehtz-interview-geschlechterunterschiede-schach/
Lesenswert ist auch das, was der andere Ilja mit ähnlicher Herkunft, nämlich der Großmeister Zaragatski (SF Katernberg), zuvor auf Chess24 geschrieben hatte:
Männer, Frauen und Spielstärke im Schach – Die ganze Wahrheit
https://chess24.com/de/lesen/news/maenner-frauen-und-spielstaerke-im-schach-die-ganze-wahrheit-1
Ilja Zaragatski hat übrigens bei der Live-Übertragung vom WM-Match Carlsen-Anand auf ZEIT-Online eine sehr gute Figur gemacht.
Dass sich nicht nur Schachspieler über die mangelnde Frauen-Integration Gedanken machen, zeigt ein Querverweis auf den Radsport. Unter Radsportlern ist der Frauenanteil zwar größer als unter Schachspielern, in meinem Verein liegt er jedoch bei Nullkommanull. Das veranlasste mich im November 2011 zu folgendem Aufruf in unserem Forum:
„Unser Vorstand hat die Absicht, eine Prämienwerbung auszuloben. Jedem, dem es gelingt, ein weibliches Wesen an unseren Verein zu binden, erhält als Prämie einen Fahrradschlauch, Marke „Schwalbe unplattbar“. Für drei Frauen gibt’s fünf Schläuche und für 10 Frauen ein Schlauchboot.“
Mein Beitrag hat zwar Heiterkeit ausgelöst, unserer Frauenquote hat’s jedoch nicht genützt. Sie liegt noch immer bei Nullkommanull. Es ist also ein steiniger Weg, Frauen für unsere Sportarten zu gewinnen. Es mag sein, dass es bundesweit einen positiven Trend gibt. Aber vielerorts ist der Alltag in Schachvereinen derart altbacken, dass junge Frauen gleich an der Eingangstür abgeschreckt werden. Weg mit den alten Zöpfen! Das Lächeln einer Frau ist euch gewiss.
Mein Gelabere hat dich zum Zählen animiert. Bingo! Für die anderen ist es Satire.
Unter den Favoriten meines Browsers gehört ein Ordner, der mit Schach-Webseiten gefüllt ist. Darunter befindet sich auch die von „Schach-Welt“. Dort gibt‘s laufend lesenswerte Beiträge. Einer der Autoren nennt sich Krennwurzn. Nach eigener Aussage ist er ein kritischer, ironischer, sarkastischer und trotzdem netter Österreicher. Ob er im realen Leben tatsächlich so ist, weiß ich nicht, aber seine Beiträge sind so verfasst, wie ich sie mag.
Dieser Krennwurzn hat am Neujahrstag auch so etwas wie eine Neujahrsansprache gehalten. Einziges Thema: Die Frau. Ich bin also nicht der einsame Rufer in der Schachwüste. Krennwurzns Beitrag endet mit folgendem Appell:
Männer – jeder von uns ist gefragt – wir müssen uns endlich öffnen und auch unsere Vereinstüren für Frauen öffnen und das Vereinsleben für diese attraktiver machen!
Dem habe ich nichts hinzuzufügen; außer diesen Link:
http://www.schach-welt.de/BLOG/blog/neujahrskonzert-2015-schach-ist-sport
Gerd, die Krennwurzn ist Christian „Chrilly“ Donninger, m.W. promoviert, ein Original, schon laaaange bekannt aus/in der Computerschachszene.
Wegen der Ereignisse in Paris habe ich mit meiner Antwort gewartet. „Licht aus – Spott an!“, ist ein Mittel, den Dumpfbacken und Fanatikern dieser Welt zu begegnen. Wir Schachspieler halten uns dezent im Hintergrund, wohlwissend, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Die Meinungsfreiheit ist für uns ein hohes Gut, sofern uns niemand auf den Schlips tritt. Da wir als Nonkonformisten alle Schlipsträger sind, fällt uns die Toleranz schwerer als wir wollen. Ein Blog wie dieses bietet Abhilfe.
Dank Uwe konnte ich eine weitere Bildungslücke schließen. Sogleich habe ich recherchiert und konstatiere, dass „Chrilly“ Donninger offenbar besser mit Worten als mit Schachklötzen umgehen kann. Das macht ihn noch sympathischer. Bei aller Liebe zum Schachspiel benötigen wir Gegner, gegen die wir gewinnen können.
Passend zum Thema „Frau“ erlaube ich mir einen „Altherrenschwenk“ zum Eckspringer. Seit den Gebrüdern Blattschuss wissen wir, dass es in Eckkneipen rund geht. Unter Eckspringern hat sich das anscheinend noch nicht herumgesprochen, denn die sind so selten sind wie „mattsetzen“ in Futur II. Dennoch haben wir uns des Themas angenommen; guckt ihr hier:
http://www.schachfreunde-hannover.de/bergen-ruft/
Somit können wir uns als Vorreiter (oder Vorspringer) wähnen, denn nun hat Chessbase nachgezogen:
http://de.chessbase.com/post/auf-der-suche-nach-dem-eckspringer
Bei dem unter dem Pseudonym „Krennwurzn“ tätigen Autoren und Foristen handelt es NICHT um Chrilly Donninger.
Männer haben mehr Sitzfleisch
Vor 10 Jahren war „die Frau“ schon einmal Thema; z.B. als Ilja Schneider für DIE ZEIT wunderschöne Artikel schrieb. Nun ist das Thema auch beim DSB angekommen. Dass die Schachszene nicht attraktiv für Frauen sei, wurde in Rosenheim heftig diskutiert. Die Schachfreunde Hannover waren ihrer Zeit schon immer voraus, auch wenn sie inzwischen das Zeitliche gesegnet haben. Insofern lohnt es sich, meinen Beitrag (siehe oben) aus dem November 2014 in Erinnerung zu rufen. Apropos Zeit. Iljas damaliger Schachblog ist nicht aus derselben gefallen, sondern noch immer aufrufbar! Guckt ihr das Interview mit Elisabeth Pähtz. Elisabeth hat jedenfalls Sitzfleisch bewiesen, obgleich sie inzwischen den Eindruck vermittelt, dass ihre Pobacken an Spannkraft verlieren.
Kleines Wortspiel
„Das Glücksmoment nach Siegen war bei mir schon immer geringer als der Schmerz nach Niederlagen“, lautete Elisabeths Fazit im Interview mit Ilja Schneider. Das ist starker Tobak für alle Schachspieler*innen, die das nicht wahrhaben wollen. Ich lasse das mal so stehen und komme gleich zum Wortspiel. Ihr ahnt es: Morgen spielt Elisabeth Pähtz zusammen mit Dinara Wagner simultan in Siegen. Wie wird es ihr „nach Siegen“ gehen? Siegener lieben Wortspiele; guckt ihr hier. – Sogar der DSB widmet sich dieser Veranstaltung mit einem Artikel (in der Hinsicht wird der DSB immer besser). Bemerkenswert ist Elisabeths derzeitige Einschätzung: „Ich bin in einem Alter, wo es mir relativ egal ist“, sagte sie zu ihren Niederlagen, „denn meine Karriere ist fast vorbei.“ Das erklärt den nicht despektierlich gemeinten Schlusssatz meines letzten Kommentars.
Die geplante Konzentrierung auf ihre Familie passt allerdings nicht zu ihrem in der Siegener Zeitung geäußerten Wunschtraum: „Mein Leben ist und bleibt das königliche Spiel. Ich werde nie aufgegeben, mir meinen schachlichen Traum zu erfüllen – eine Top-Ten-Platzierung in der Frauenweltrangliste.“ Angesichts ihres Karriere-Endes wird sie sich den wohl „abschminken“ müssen. Vorsichtshalber betone ich hiermit, dass auch dieses Synonym weder despektierlich noch frauenfeindlich gemeint ist. Die Redewendung stammt aus der Schauspielerei.