Germany: Zero Player

Die Mannschaftssaison 2017/2018 wirft ihre Schatten voraus. Die Ranglisten der oberen Ligen sind nun veröffentlicht. Jeder kann sich seine Gedanken darüber machen. Unser Aufruf: „We want you!“, hat keine Früchte getragen. „Unverkrampfter Schachspaß“ allein lockt keinen Spitzenspieler ans Schachbrett. Ohne ein bisschen Spielgeld fehlt der Anreiz. Dafür habe ich Verständnis – jedenfalls dann, wenn dieses Geld ein wichtiger Bestandteil des Lebensunterhalts ist. Nationalitäten sind dabei kein Hindernis. Das begrüße ich ausdrücklich, denn für mich zählt der Mensch, nicht der Ort seiner Geburt. Wenn sich aus dieser Liaison ein Mehrwert für die betroffenen Schachvereine ergibt, kann das nur gut sein. Wenn daraus allerdings eine Verdrängung von Einheimischen entsteht, sind Zweifel erlaubt.

Es fällt z.B. auf, dass der SV Lingen mit GM Lev Gutman nur einen einzigen Deutschen für die Startaufstellung (Top 8) in der Oberliga Nord West gemeldet hat. In der 2. Bundesliga Nord hat der SV Glückauf Rüdersdorf 13 Polen an den ersten 13 Brettern gemeldet. In der 1. Bundesliga sieht der Anteil von Deutschen im Kader der Vereine wie folgt aus:

Auflistung nach Eloschnitt der Top 8 (in Klammern), dahinter: Deutsche unter Top 8, Deutsche in der gesamten Rangliste:

OSG Baden-Baden (2766) => 0/8 – 3/18
SK Schwäbisch Hall (2681) => 0/8 – 3/16
SV Hockenheim (2677) => 0/8 – 7/18
SG Solingen (2676) => 0/8 – 4/18
SF Deizisau (2642) => 3/8 – 7/16
Werder Bremen (2632) => 0/8 – 7/18
DJK Aachen (2626) => 1/8 – 6/18
USV TU Dresden (2624) => 3/8 – 11/18
Hamburger SK (2607) => 2/8 – 10/18
SF Berlin (2586) => 2/8 – 10/18
SV Mülheim Nord (2559) => 4/8 – 9/18
SG Speyer-Schwegenheim (2510) => 1/8 – 9/18
SV Hofheim (2497) => 4/8 – 13/18
FC Bayern München (2466) => 3/8 – 11/17
MSA Zugzwang München (2434) => 7/8 – 13/16
SK Norderstedt (2420) => 2/8 – 10/16

Prozentual ergibt sich daraus folgender Anteil deutscher Schachspieler in der ersten deutschen Schachliga:

Top 4 Vereine => 0 Deutsche von 32 der Top 8 = 0 %
Top 8 Vereine => 7 Deutsche von 64 der Top 8 = 10,9 %
Alle 16 Vereine = 32 Deutsche von 128 der Top 8 = 25 %
Alle 16 Vereine => 133 Deutsche von 279 der gesamten Rangliste = 47,7 %

Mit dieser Feststellung möchte ich keine Deutschtümelei betreiben. Das liegt mir völlig fern. Ich bin für ein Höchstmaß an Freizügigkeit. Dann aber bitte in allen Klassen. Wer z.B. einem Schachverein im Schaumburger Land angehört, darf nicht für einen Verein im benachbarten Ostwestfalen starten. Gleichwohl könnte ein dortiger Verein z.B. mehrere Schachspieler einsetzen, die über den DSB hinaus in anderen Ligen Europas spielen.

10 Gedanken zu „Germany: Zero Player“

  1. Nun ja, in der ersten BL gibt es das Phänomen ja schon lange. Zu Zeiten der Ausländerquote konnten sich nur die Spitzenvereine die guten deutschen Spieler leisten. Das war auch in der Zeit vor Glasnost, die insbesondere Osteuropäern bis dato ungeahnte Möglichkeiten bot – und m.W. einen Preisverfall nach sich zog. Fakt ist jedenfalls, dass in der 1. deutschen Bundesliga auf dem Niveau der Weltspitze agiert wird. ELO 2766 entspricht im Schnitt Platz 14 der Weltrangliste. Mit Blick auf ebendiese Weltrangliste haben die Deutschen nur einen TOP 100 Spieler zu bieten. Wären sich die acht besten Deutschen einig und würden als Mannschaft durchspielen, dann reicht es statistisch für Platz 6-7 im gehobenen Mittelfeld.

    In Zeiten, wo deutsche Schachvereine in der belgischen Liga antreten (wollen) oder niederländische Eishockeyklubs in der deutschen Regionalliga Nord spielen, muss man sich über Kuriositäten nicht sorgen. Schon seit Jahrzehnten sorgen zudem unterklassige Klubs dafür, dass der Sponsor preisgünstig mit sieben Ausländern im Team spielen darf – AUFSTIEG soll her!!! Meist kommen und gehen die Sponsoren wieder. Hier und da überleben das die Vereine – um deren Wohl und Ruhm es ja eigentlich gegangen sein sollte – sogar. In dieser Oberligasaison spielt sich so einiges an der holländischen Grenzregion ab – Hannover scheint nicht nah genug in Ost (oder West) zu liegen.

    Wir spielen Amateurschach! Mal einen Profi als Gegenüber zu haben, ist da ganz nett – aber in Niedersachsen eher die Ausnahme. Ist so – bleibt auch so.

  2. Ich bin eigentlich ganz froh darüber. Würden wir in einer, sagen wir mal, zu 90% mit deutschen Staatsbürgern besetzten Bundesliga spielen, könnten dort sogar blutige Amateure wie z.B. Ich dort mitspielen.

    1. „Lieber ein blutiger Amateur aus der Region als ein blutleerer Profi in der Legion.“ Oder um es mit Sepp Herberger zu sagen: „Acht Freunde müsst ihr sein.“

  3. Lässt man sich die DWZ-Liste mal auf der Zunge zergehen…

    108 Mitglieder
    30 Profis vorneweg
    20 Spieler hintendrein ohne DWZ
    15 passive Mitglieder in der Mitte

    Macht am Ende einen ganz normalen Verbandsligaklub von gut 40 Aktiven. Dass der Vorstand einen gewissen Abstand zum Hochleistungssport der ersten Liga hat, gibt es hier und da in anderen Vereinen auch. Manchmal klappt die Koexistenz, manchmal nicht. Hier stehen die Zeichen eher auf Abtrennung.

    1. Heiß geliebt! Eiskalt erwischt!

      Der erste Teil meiner Überschrift gehört zu einer Anzeige des Magazins, das der SK Schwäbisch Hall für die Saison 2016/17 herausgegeben hat. Ein Exemplar habe ich von der Vereinskonferenz aus Berlin mitgebracht. „Heiß geliebt“ bezieht sich auf den Aufenthalt in den Haller Salzgrotten. Wahlweise gemischt oder getrennt; originelle Aufguss-Rituale und Peelings an allen Tagen inklusive! – Dieses Magazin ist derart professionell gemacht und mit vielen Anzeigen namhafter Unternehmen bestückt, dass ein Außenstehender nicht auf die Idee käme, etwas sei faul in diesem Schachverein.

      „Ein Novum bei der fulminanten Entwicklung des Schachklub Schwäbisch Hall ist auch die Tatsache, dass zeitgleich neben dem Schach-Bundesligateam auch eine Damenmannschaft für die Damen-Bundesliga gemeldet werden konnte, die nur knapp die Deutsche Meisterschaft verpasst hat“, weiß Hermann-Josef Pelgrim, OB der Stadt Schwäbisch Hall, in seinem Grußwort zu schätzen. Und dann wünscht er dem SK Schwäbisch Hall noch die „richtige Strategie“. Was nützt die beste Strategie, wenn Zwietracht im Vorstand herrscht? Womit wir beim zweiten Teil meiner Überschrift wären. „Fulminante Entwicklung“ kann ein Strohfeuer sein. Ich wünsche den Schwaben, dass sich diejenigen durchsetzen, die Feuer unterm Hintern* haben.
      *vital, kraftvoll und schwungvoll

      1. This page is temporarily not available

        Wer sich die Webseite des SK Schwäbisch Hall (Link siehe oben) angucken will, erhält diese Nachricht. Anscheinend brodelt es weiterhin im Ländle. Gestartet ist die Nummer Zwei der Setzliste dennoch gegen den Seriensieger der Bundesliga, die OSG Baden-Baden. Bekanntlich gab es eine 2,5 : 5,5 Niederlage für den Verein ohne Webseite.

        Einen sehenswerten Kurzfilm (1:54 Min.) über diesen Mannschaftskampf könnt ihr hier gucken: https://www.youtube.com/channel/UCXNez1ecWFEYSVEydJnJhfw

      2. Glückauf!

        Die erste Doppelrunde in der Bundesliga ist am letzten Wochenende gelaufen. Bezogen auf meinen Beitrag vom 6. August ergibt sich ein bemerkenswertes Bild. Danach saßen in den 256 Partien 129 Mal Deutsche am Brett. Das entspricht einer Quote von 50,4 %. Martin Kind (Hannover 96) würde sagen, das sei die 50+1-Regel. Noch bemerkenswerter finde ich, dass kaum mehr als die Hälfte der unter den ersten 8 gemeldeten Spieler überhaupt eingesetzt wurde. Von den 130 Spielern, die zum Einsatz kamen, gehörten lediglich 67 = 51,5 % der gemeldeten Stammbesetzung an. Und das zum Auftakt einer mit Spannung erwarteten neuen Saison! Dass da etwas nicht stimmt (Stichwort: Söldner), ist offensichtlich.

        Die einzige Mannschaft, die keinen Deutschen aufgeboten hatte, war der Meister aus Baden-Baden. Dessen Zweigniederlassung aus Deizisau bildete indes das Gegenstück. Die hatte mit GM Peter Leko (Ungarn) am 1. Brett nur einen Ausländer eingesetzt. Zur Veranschaulichung habe ich nachfolgend die Mannschaften nach dem derzeitigen Tabellenstand aufgelistet. Die ersten Zahlen spiegeln die Partien mit deutscher Beteiligung wider; die Zahlen in Klammern zeigen, wie viele Spieler der Top 8 zum Einsatz kamen.

        SV Hockenheim => 8/16 (3/8)
        OSG Baden Baden => 0/16 (5/8)
        SG Solingen => 2/16 (3/8)
        SF Berlin => 8/16 (5/8)
        DJK Aachen => 10/16 (3/8)
        USV Dresden => 10/16 (4/8)
        SV Werder Bremen => 2/16 (5/8)
        SK Schwäbisch Hall => 2/16 (5/8)
        SF Deizisau => 14/16 (4/8)
        SV Hofheim => 10/16 (5/8)
        Hamburger SK => 6/16 (4/8)
        MSA Zugzwang => 14/16 (6/8)
        FC Bayern München => 13/16 (3,5/8)
        SK Norderstedt => 8/16 (6/8)
        SV Mühlheim Nord =>10/16 (2/8)
        Speyer-Schwegenheim => 12/16 (3/8)

        Die Krönung ist für mich jedoch der SV Glückauf Rüdersdorf in der 2. Bundesliga Nord. Von den 13 gemeldeten Polen durften 10 in den ersten beiden Runden spielen. Deutsche = Fehlanzeige. – Um nicht missverstanden zu werden, möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich weder etwas gegen Ausländer noch gegen Schachprofis habe. Im Gegenteil. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass da etwas aus dem Ruder läuft.

  4. Angeblich unzulängliche Anti-Rassismus-Regelungen in Satzungen rügen, zugleich aber gegen den Einsatz von Ausländern wettern – das passt irgendwie nicht zusammen.

    1. Ich habe weder gegen den Einsatz von Ausländern gewettert noch haben meine Ausführungen irgendetwas mit Rassismus zu tun. Es geht um die Deutsche Schachbundesliga, nicht um die Polnische, Russische, Amerikanische oder sonstige Liga. In diesem Zusammenhang habe ich den Anteil deutscher Spieler in den Mannschaften analysiert. Das kann man für jedes beliebige Land machen und dann seine Schlüsse ziehen.

      Ich habe nichts dagegen, wenn eine Mannschaft zu 100 % aus Ausländern besteht, sofern diese im Kontext mit dem Verein stehen. Dieser Kontext kann unterschiedlich ausfallen; von kommerziell bis ideell. Wenn z.B. die 13 Rüdersdorfer Polen im Vereinsleben – wie auch immer – eine Rolle spielen, ist deren Einsatz völlig in Ordnung, wenn sie aber nur zu den Mannschaftskämpfen erscheinen, darf bezweifelt werden, ob das dem Nachwuchs in Rüdersdorf guttut. Da ich die Verhältnisse dort nicht kenne, erlaube ich mir keine Kritik.

      Vorbildlich ist für mich die OSG Baden-Baden. Der Verein und die ganze deutsche Schachszene können sich glücklich schätzen, mit der Firma Grenke einen Sponsor zu haben, der über einen langen Zeitraum die Verpflichtung von Weltklassespielern ermöglicht. Die Mannschaft ist nicht zusammengewürfelt, sondern kontinuierlich gewachsen. Es geht allein nach dem Leistungsprinzip; wenn die Bundesligamannschaft aus lauter Ausländern besteht, finde ich das super. Entscheidend ist der Unterbau, und der ist in Baden-Baden hervorragend. – Als ich im vergangenen November beim Helmut-Reefschläger-Gedächtnisturnier in Baden-Baden war, habe ich mich ausführlich mit dem 1. Vorsitzenden darüber unterhalten. Er hat mich überzeugt. Der Erfolg beruht auf der Trennung zwischen dem Profi- und dem Amateurbereich.

      Die anderen Bundesligavereine sind mit Geld nicht so gesegnet, was schnell zu Unmut und Wettbewerbsverzerrungen führt; d.h. es gibt in der Schachbundesliga Vollprofis, Halbprofis und Amateure. Das gilt sowohl für die Schachspieler selbst als auch für die Vereine, für die sie spielen. Das können reine Amateurvereine oder Kapitalgesellschaften sein. Diese Mischung stimmt weder bei den Schachspielern noch bei den Vereinen. Deshalb kommt es seit Jahren immer wieder zu schiefen Aufstellungen sowie zum Rückzug oder zum Aufstiegsverzicht renommierter Schachvereine. Wenn am Ende einer Saison nur zwei statt vier Vereine absteigen, ist die Auf- und Abstiegsregel eine Farce.

      Wie in anderen Sportarten auch gehört das Profitum unter Schachspielern in unsere Zeit. Damit umzugehen ist die hohe Kunst der Anpassung. Eine Reform (z.B. Verkleinerung) der Bundesliga würde meines Erachtens dabei helfen. Nicht zu vergessen ist die Basis, denn der werden aufgrund überholter Strukturen noch immer Daumenschrauben angelegt.

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