Ich bin drin (7)

Im Kommentar zu Arthurs Glanzpartie bei der australischen Jugendmeisterschaft habe ich den Hinweis gegeben, dass es durchaus Vorteile hat, wenn man sich beschwingt ans Schachbrett setzt. Wobei beschwingt keinesfalls mit beschwipst verwechselt werden darf. Solch einen beschwingten Auftritt hatte ich anlässlich des Stadtpokals für 8er-Mannschaften, der Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre in den Sommermonaten ausgetragen wurde. Ich weiß es noch wie heute. Es war Freitagabend. Wir spielten in unserem damaligen Vereinslokal, dem Raschplatz-Pavillon. Gegner war der Schachverein Linden. Ich spielte gegen Schachfreund Henze (vielleicht weiß jemand, was aus ihm geworden ist). Das Springeropfer im 15. Zug auf f2 war eine Entscheidung binnen weniger Sekunden. Das ist halt so, wenn man sich beschwingt fühlt. Beschwingt ging es weiter, bis Weiß den Druck nicht mehr aushalten konnte. Es wurde eine sehenswerte Partie mit echten Opfern. Dem Schach-Guru Manfred Mädler gefiel sie so gut, dass er sie im STERN veröffentlichte.

Stern
Es war die STERN-Ausgabe Nr. 16 vom 9. April 1981. Das Heft hatte 322 Seiten und kostete 3,00 Mark. Heute kostet ein Heft 3,70 Euro. Soviel zum Thema Geld. Nee, angesichts des Aufmachers „Ist die Bundesliga am Ende?“ muss ich ein wenig hüsteln. Die Bundesliga und die 2. Liga standen mit 74 Millionen Mark in der Kreide. Dafür kaufen sich die Bayern heutzutage einen einzigen Spieler. Karl-Heinz Rummenigge hatte 1980/81 ein Gehalt von 450.000 Mark. Im Jahr wohlgemerkt. Franck Ribéry erhält derzeit 10 Mio. Euro im Jahr. Das sind rund 27.000 € pro Tag. Dafür muss ein Schachprofi lange grübeln. Damit will ich keine Neiddebatte eröffnen, aber ich wette, dass z.B. Schachfreund Ilja Schneider deutlich weniger verdient, wenn er für Wulkaprodersdorf in der österreichischen Bundesliga spielt.

Hier ist die Partie aus dem Original-Stern.

Stern2

9 Gedanken zu „Ich bin drin (7)“

  1. Die Partie mit Dir, Gerhard, war etwas ganz Besonderes, auch wenn ich natürlich lieber gewonnen hätte. Nach meiner Promotion 1981 habe ich mich hauptsächlich der Mathematik gewidmet. Löse pro Woche jedoch immer noch zwei Schach-Rätsel. Für intensivere Beschäftigung mit dem königlichen Spiel habe ich momentan noch nicht die Zeit, aber die Pensionierung rückt näher!

    1. Mensch Norbert, die faszinierende Welt des Zufalls hat zugeschlagen! Vor 33 Jahren haben wir diese Partie gespielt, und jetzt hören wir wieder von einander mittels eines Blogs, von dem wir noch nicht einmal wissen, ob er/es männlich oder sächlich ist. Professor der Mathematik zu werden ist für viele, die hier lesen, ein Traumberuf; sozusagen der Großmeistertitel unter lauter Patzern. Die Stochastik ist offenbar dein Kernthema. Vielleicht hast du folgende Frage bereits untersucht, die ich vor drei Jahren in meinem Radsportforum gestellt habe:

      „Wie wahrscheinlich ist es, dass sich am Ende einer Saison in der 1. Fußballbundesliga sämtliche Vereine punkt- und torgleich auf dem ersten Platz befinden?“

      Gibt es dafür eine mathematische Formel und wenn ja, spielen „weiche Faktoren“, z.B. Bestechlichkeit von Schiedsrichtern, eine Rolle?
      http://www.rcgehrden.de/forum/viewtopic.php?f=3&t=152&start=105#p3204

      Über einen tatsächlichen Fall in punkto Stochastik habe ich an dieser Stelle gegrübelt:
      http://www.rcgehrden.de/forum/viewtopic.php?f=2&t=149&start=30#p3161
      … und mich dabei folgender Formel bedient: P(A und B) = P(A)•P(B)

      Viele Grüße nach Karlsruhe
      Gerhard

      1. Ja, Gerhard, Meister Zufall schlägt oft unerwartet zu (was natürlich auch meine völlig zufällige Kenntnisnahme von Eurem Blog betrifft!). Wenn Wahrscheinlichkeiten berechnet werden sollen, git es jedoch das grundsätzlich Problem, dass
        die Stochastik genaue Voraussetzungen benötigt (Mathematiker können immer nur aus iregendwelchen Annahmen etwas schließen). Nimmt man etwa beim Bundesliga-Problem (höchst unsinnerweise) an, dass jede Partie dem gleichen stochastischen Gesetz über mögliche Ausgänge folgt und die Ausgänge aller Spiele voneinander stochastisch unabhängig sind (s.u.), so ist das von Dir thematisierte Ereignis A: „Am Ende sind alle Mannschaften punkt- und torgleich“ möglich, aber extrem unwahrscheinlich. Ist etwa p die Wahrscheinlichkeit für ein 1:1, so gehen mit der Wahrscheinlichkeit „p hoch 306“ alle Spiele 1:1 aus, was zum Ereignis A führt. Natürlich tritt A allgemeiner ein, wenn jedes Spiel gleich ausgeht, da es ja Hin- und Rückspiel gibt.

        Was die unerwartetete Begegnung betrifft, gibt es eine mathematische Theorie von Koinzidenzen. Legt man etwa die Karten eines Skatspiels in einer Reihe aus, mischt ein zweites Spiel und legt die Karten jeweils untereinander in Paaren, so können gleiche Kartenwerte auftreten oder auch nicht. Hier ergibt sich (fast unabhängig von der Anzahl der ausgelegten Karten) eine Wahrscheinlichkeit von ca. 63,2 Prozent für mindestens eine Übereinstimmung (die dann gemeinhin als seltenes Ereignis interpretiert wird). Ich hatte übrigens als Student im zweiten Semester (vor meiner ersten Stochastikvorlesung) in einem Spielcasino am Steintor ein prägendes Erlebnis mit dem Zufall. Mit 50 2DM-Chips ging ich an einen Roulette-Tisch und setzte – nachdem 6 mal rot in Folge gekommen war – 2DM auf schwarz. Es kam jedoch wieder rot, worauf ich verdoppelte und 4DM auf schwarz setzte. Nachdem wieder rot fiel, setzte ich 8 DM auf schwarz. Zu meiner Überraschung kam wieder rot. Ich blieb noch gelassen und setzte 16DM auf schwarz, aber Meister Zufall hielt an rot fest. Nachdem ich auch 32DM vergeblich auf schwarz gesetzt hatte und dann auch noch meine restlichen 38DM mit schwarz verzockte, war ich schockiert und nach nur 6 Runden pleite. Danach kam schwarz, was mich aber nicht tröstete. Später lernte ich, was stochastische Unabhängigkeit ist (die dann für zwei Ereignisse die von Dir zitierte Formel
        P(A und B) = P(A) P(B) bedeutet). Solche Begebenheiten sind für Studierende ein gutes Anschauungsmaterial.

        Abendliche Grüße nach Hannover
        Norbert

  2. Ja Norbert, wenn man beim Roulettespiel den Einsatz immer verdoppeln könnte, würde man nie verlieren. So einen langen Atem hat niemand, auch nicht Uli Hoeneß. Meister Zufall kann man nicht beeinflussen. Er kommt, wenn’s ihm passt, manchmal nie. Dazu kann ich aus aktuellem Anlass eine persönliche Geschichte erzählen: Es begab sich zu der Zeit, dass ich ein Gebot erließ, dass die nächste weibliche Person, die meine Wohnung betritt, meine Ehefrau werden möge. Und es machte sich ein Schachfreund auf den Weg, nahm ein ihm vertrautes Weib und stellte es in meinen Türrahmen. Wir fanden Wohlgefallen, fürchteten uns nicht und wurden ein unzertrennliches Paar. Die erste Begegnung war heute vor 35 Jahren!

  3. Als Pausenfüller vor dem Leine-Open möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen, die zum Thema „Meister Zufall“ passt, das sich von selbst – wie es der Zufall will – vor genau einem Jahr aufs Tapet brachte (guckt ihr oben).

    Gestern habe ich das schöne Wetter genutzt, um mich auf meine derzeit seltenen Radtouren zu begeben. Auf dem Rückweg überholte mich ein mir unbekannter Hobbyradsportler mittleren Alters. Wenig später kamen wir ins Gespräch, das die nächsten 20 Kilometer anhalten sollte. Dabei stellte sich heraus, dass der Radsportler Kripobeamter ist. Jetzt kommt’s: dieser Kripobeamte ist der Kollege eines anderen Kripobeamten, den ich erst kürzlich in der Polizeidirektion Hannover aufgesucht habe. Es ging um eine Anzeige wegen Trickbetrugs, die ich gestellt hatte.

    Dass man mit unbekannten Radsportlern ins Gespräch kommt, ist selten der Fall. Die meisten fahren ein anderes Tempo, sind mit sich selbst beschäftigt und/oder mundfaul (Schachspieler kennen das). Dass wir im Laufe des Gesprächs bei 30 km/h auf etwas Spezielles zu sprechen kamen, kann man am besten mit „Kommissar Zufall“ betiteln. Dieser Zufall ist durch ein Zeitfenster zustande gekommen, das etwa 15 Sekunden groß war und sich auf einer Landstraße weit außerhalb Hannovers abspielte. – Nun leben im Großraum Hannover rund 1 Mio. Menschen, und das Straßennetz umfasst einige tausend Kilometer. Solch eine zufällige Verknüpfung von Raum, Zeit und Ereignis ist für Normaldenkende kaum zu glauben. Für Stochastiker ist sie indessen eine Bestätigung ihrer Mission.

    Mit herzlichen Grüßen an Prof. Norbert Henze in Karlsruhe

  4. Als ich soeben bei REWE meinen Einkauf bezahlen musste, habe ich unwillkürlich an Prof. Dr. Norbert Henze gedacht. Vor vier Jahren hatte sich Norbert aus Karlsruhe an dieser Stelle gemeldet. Anlass war unsere Schachpartie anno 1981, die damals im STERN veröffentlicht wurde (siehe oben).

    Nun weiß ich nicht, ob Norbert nach wie vor zu unseren Besuchern zählt, aber diese Aufgabe wäre sicher etwas für seine Studenten im Studiengang Stochastik:

    Mein Rechnungsbetrag lautete: 9,99 €. Solch eine Schnapszahl kann vorkommen. Nun habe ich allerdings gestern an derselben Kasse 6,66 € zahlen müssen.

    Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche Zahlenreihen unmittelbar unter der Voraussetzung aufeinander folgen, dass ich dort im Schnitt dreimal in der Woche einkaufe?

  5. Welch ein Zufall!

    Heute Abend saß ein Zufallsforscher auf dem roten DAS!-Sofa. Nicht zufällig, sondern erinnerungstechnisch musste ich sofort an Norbert Henze denken. Als dieser Blog laufen lernte, meldete er sich im April 2014 zu Wort. Ich hatte über eine Schachpartie von uns beiden berichtet. Der STERN hatte diese im Jahr 1981 veröffentlicht. Guckt ihr oben. Norbert war im Jahr 2014 Professor für Stochastik in Karlsruhe. Vermutlich ist er mittlerweile pensioniert.

    Vor diesem Hintergrund möchte ich euch von einem Zufall erzählen, den ich am 1. März dieses Jahres erlebt habe. An dem Tag habe ich einen Ausflug mit dem Zug nach Wuppertal gemacht. Vor Herford blieb der IC stehen. Nach 10 Minuten kam eine Durchsage. Das Stellwerk in Herford sei ausgefallen, die Weichen könnten nicht mehr gestellt werden. Lange Zeit war unklar, ob es überhaupt weitergeht. Dann kam die erlösende Info. Die Weichen wurden von Hand gestellt. Im Schneckentempo ging es wechselseitig weiter. Mit einer Verspätung von 45 Minuten kam ich in Wuppertal an.

    Dort bin ich zum ersten Mal in meinem Leben mit der berühmten Schwebebahn gefahren. Kaum war ich ausgestiegen, ging eine Stunde lang nichts mehr. Eine defekte Weiche hatte den gesamten Schwebebahnverkehr lahmgelegt. Die Bahnen blieben in den Stationen stehen. Guckt ihr hier. Woran lag es, dass zweimal hintereinander die Weichen in meinem Beisein versagten? Ein Fall für Stochastiker.

    1. Ein Highlight für Stochastiker!

      Gestern war ich in München. Ursprünglich war ich zu einem Vorstellungstermin in der Säbener Straße angereist, der sich jedoch aus bekannten Gründen erledigt hatte. Zwecks Nahrungsaufnahme besuchte ich das Hofbräuhaus. Boah! Der Hauptbahnhof Hannover ist während der Rush Hour nichts dagegen. Ein ständiges Kommen und Gehen, hunderte lautstarke Gäste und von der Blaskappelle gab es zusätzlich etwas auf die Ohren.

      An einem langen Tisch wurden Plätze frei. Ich setzte mich. Mir gegenüber setzte sich zeitgleich ein Mann, der schätzungsweise 20 Jahre jünger ist als ich. Wir kamen ins Gespräch. Ich fragte ihn, ob er auch ein Tourist sei. Nein, er sei ein waschechter Münchener. Dann sei er wohl öfter im Hofbräuhaus, vermutete ich. Nein, er sei erst das zweite Mal in seinem Leben hier. Das war für mich das Stichwort. Am heutigen Tag habe ich diese Kultstätte nämlich auch zum zweiten Mal aufgesucht; das erste Mal vor 54 Jahren als ich ein halbes Jahr in Feldafing am Starnberger See stationiert war. Ich hatte dort eine Spezialausbildung als Funker (guckt ihr Karfreitag 1970).

      Jetzt kommt’s! Der Mann hat die gleiche Vergangenheit wie ich. Auch er hat während seiner Bundeswehrzeit an einer Spezialausbildung in Feldafing teilgenommen. Wir konnten es kaum fassen. München hat 1,5 Mio. Einwohner. Einer davon sitzt mir zufällig gegenüber an einem zufälligen Tag zu einer zufälligen Uhrzeit, kommt mit mir zufällig ins Gespräch und berichtet mir von einer Gemeinsamkeit, die in Deutschland nur wenige Männer aufzuweisen haben. – Der Krustenbraten war lecker, das Weizenbier auch, nur der ICE fuhr 50 Minuten später zurück. Das war nun wirklich kein Zufall.

      1. Kugelbake

        Wisst ihr, wo sich Niedersachsens nördlichste Landzunge befindet? Unter der Kugelbake in Cuxhaven! Gestern war ich dort. Nie zuvor war ich in Cuxhaven. Ich hätte nicht gedacht, dass die Stadt so schön ist; nicht nur wegen der kilometerlangen Anbindung an Elbe und Nordsee, sondern wegen der historischen Bausubstanz im Ortskern. Da kann Hannover nicht mithalten. – Ich würde das nicht erzählen, wenn ich nicht wieder ein Erlebnis aus der Kategorie „Unglaubliche Zufälle“ gehabt hätte.

        Nach einem dreistündigen Fußmarsch gönnte ich mir in einem Fischrestaurant eine Scholle Büsumer Art (mit Speck und Krabben). Ich hatte mir draußen einen Platz im Schatten gesucht. Gegenüber saß ein mittelaltes Ehepaar. Deren Mahlzeit war beendet. Der Mann wollte zahlen. Dabei sagte er zu Frau Ober (Servierkraft), dass er und seine Frau ihre Wohnung wegen einer Bombenräumung verlassen mussten. Deshalb seien sie nach Cuxhaven gefahren. Sie gehörten zu den 8.000 Menschen aus dem Norden Hannovers, die davon betroffen waren. Gestern Abend wurde die Bombe gesprengt. Ich kam mit dem Mann kurz ins Gespräch. Vermutlich waren wir gestern nicht die einzigen Hannoveraner, die sich in Cuxhaven aufgehalten haben, aber auf diese Art davon zu erfahren, war sehr speziell.

        Übrigens wird in Cuxhaven auch Schach gespielt. Der SK Cuxhaven hat trotz seiner beschaulichen Größe eine sehenswerte Webseite. Die Bildergalerie könnte indes aufgefrischt werden. Seit 10 Jahren gibt es dort keine neuen Gesichter.

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