Vergesst alles, was ihr bisher über Schachaufgaben gehört habt. Zum Jahresabschluss präsentiere ich euch ein handgefertigtes Schachrätsel, das kein Schachcomputer der Welt knacken kann. Es ist eure Phantasie gefragt. Wer die Aufgabe richtig löst, erhält einen sensationellen Hauptgewinn.
Schwarz ist am Zug. Da er keinen hat, steht er im Patt. Für Anfänger: die Partie ist unentschieden. Materialisten mögen ungläubig gucken, aber es ist so. Jetzt kommt die Frage: „Wie viele verschiedene Züge konnte Weiß mit dem Material, das sich auf dem Brett befindet, unmittelbar vor Erreichen dieser Stellung ausführen?“ Dazu habe ich acht Prominente gefragt und jeweils folgende Antworten erhalten:
- Hä? Ich verstehe nur Bahnhof. (O-Ton Peer S.)
- Geht nicht wegen Regel. (O-Ton Vlastimil H.)
- Pfui! Das ist Bigamie. (O-Ton Alice S.)
- Patt oder Matt – Hauptsache Halma. (O-Ton Andy M.)
- Ich kann dieses Diagramm nicht mehr sehen. (O-Ton Ronald P.)
- Auf deutschen Schachbrettern gilt deutsches Schachrecht. (O-Ton Angela M.)
- 248 (O-Ton Gerhard S.)
- Lassen Sie uns den Quatsch beenden. (O-Ton Siggi G.)
Von diesen acht Antworten sind sieben richtig und nur eine falsch. Ihr müsst nun herausfinden, welche falsch ist. Wer mir die falsche Antwort richtig übermittelt, kommt in die Lostrommel. Die Ziehung übernimmt das Schachorakel, das sich in der Landesliga zu unseren Gunsten geirrt hatte. Der Einsendeschluss ist variabel. Es gibt nur einen Preis, aber der ist eine große Ehre für jeden Denksportler:
Eine Trainingseinheit mit dem Weltmeister im Schachboxen. Begonnen wird mit Boxen!
P.S. Weitere Trainingseinheiten erübrigen sich…
Ergänzung am 30.12.2013
Phantasie und Praxis liegen manchmal gar nicht so weit auseinander. Beim Nachspielen meiner 4,5 Mio. Partien umfassenden Datenbank bin ich auf eine Partie gestoßen, in der sich 4 Damen auf dem Brett tummeln. Die Partie wurde am 12.12.2010 ausgerechnet in unserer Spielklasse, der Oberliga Nord, gespielt. Guckt ihr hier:
Israel, Jens (SC Braunschweig) 1–0 Belov, Igor (Hamelner SV), Oberliga Nord 2010
Schwarz gab auf. Konsequenterweise hätte Igor, der Wundergläubige, bis zum Matt weiterspielen sollen, denn die Partie war bereits seit 25 Zügen hoffnungslos. – Hat jemand mehr als 4 Damen in einer Turnierpartie zu bieten?
Torsten, die Antwort 4 ist richtig. Damit liegst du falsch. Die Jury hat mich autorisiert, folgende Begründung zu verkünden:
Die Annahme, der Ex-Fußballnationalspieler Andy M. habe die Begriffe „Patt und Matt“ mit „Halma“ gleichgesetzt, ist unzutreffend. Zwischen beiden Aussagen befindet sich nämlich ein Gedankenstrich. Das heißt, Andy M. hatte zwei unterschiedliche Gedanken, was für einen Fußballspieler eine beachtliche Leistung darstellt. Der erste Gedanke lautete sinngemäß: „Ob ihr Klötzchenschieber euch patt- oder mattsetzt, ist mir egal.“ Der zweite: „Wenn Halma gespielt wird, kann ich mitreden.“
Andy M. hat also dazugelernt. Er hat nicht den gleichen Fehler gemacht wie bei seinem berühmten Satz: „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien.“ Über die Analyse von Lukas P.: „Fußball ist wie Schach – nur ohne Würfel“, decken wir indessen den Mantel des Schweigens.
Wenn du willst, Torsten, darfst du dich weiterhin am rätselhaften Schachrätsel beteiligen. Bei mir gehen waschekörbeweise Lösungsvorschläge ein. Bislang ist noch nicht die richtige Falsche dabei.
Eilmeldung: Ein Schachfreund hat die richtige Lösung gefunden. Antwort 2 ist falsch! Dazu später mehr. Die Frage war so gemeint, dass jede weiße Figur (1 König und 9 Damen) mehrere Zugmöglichkeiten hatte. Gerhard S. hat 248 Züge genannt. Die Älteren werden sich an den C-Promi erinnern. Das ist der, von dem uns zwei Sätze in Erinnerung geblieben sind: ein optimaler und ein suboptimaler. Der optimale lautete: „Hol mir mal ne Flasche Bier.“ Ich habe bei ihm nachgefragt, wie er auf die Zahl gekommen ist. Er hat mir folgende Aufzählung gemacht:
Da1 (12×4)-1* + Dd3 (7×5) + Dc4 (7×5) + Dc6 (6×5) + Dd7 (4×5) + Df7 (3×5) + Dg6 (3×5) + Dg4 (4×5) + Df3 (5×5) + Kc3 (1×5) = 247* Zugmöglichkeiten
*korrigiert: siehe Kommentar vom 30.12.13
Die erste Zahl in den Klammern sind die Ausgangsfelder, auf denen die Figuren hätten stehen können. Felder mit Schachgeboten scheiden aus. Damit Schwarz nicht schon vorher im Patt stand, muss er im Besitz eines Bauern oder einer Figur gewesen sein. Das heißt, jede Dame und der König müssen auf dem Feld, auf dem sie jetzt stehen, etwas geschlagen haben. Das könnte eine Dame, ein Turm, ein Läufer, ein Springer oder ein Bauer gewesen sein: max. 5 Möglichkeiten. Beispiel: Dd2xDxd3 oder Dd2xTd3 oder Dd2xLd3 oder Dd2xSd3 oder Dd2xBd3. Die Dame auf a1 hat nur 4 Schlagmöglichkeiten, weil dort kein Bauer stehen kann. Bei der Anzahl der Königszüge hat sich Gerhard S. allerdings vertan. Er war davon ausgegangen, dass der König auf c3 stehen musste, weil der schwarze König sonst im Schach stünde. Ich habe ihm erklärt, dass das ein Irrtum sei, weil Schwarz ja mit seinem letzten Zug eine Figur oder einen Bauern auf b2 setzen konnte. Folglich hat der König 7 Ausgangsfelder zum Schlagen von Figuren und 4 Ausgangsfelder zum Schlagen eines Bauern (b3-b2). Der König kommt somit auf (7×4)+(4×1) = 32 statt 5 Züge.
Neue Gesamtzahl = 269* Zugmöglichkeiten
*korrigiert: siehe Kommentar vom 30.12.2013
nochmal korrigiert: siehe Kommentare danach
Ich lasse die 7. Antwort trotzdem als richtig durchgehen; weitere Irrtümer sind nicht ausgeschlossen.
Richtig falsch war natürlich die 2. Antwort. Bei Großmeister Vlastimil H. handelt es sich um den einzigen Experten unter den Befragten. Selbstverständlich kann ein Schachspieler ganz legal 9 Damen sein eigen nennen; sofern es der Gegner zulässt. Also ist die Stellung regelkonform. Experten liegen bekanntlich immer daneben. Das beginnt mit den sogenannten Wirtschaftsweisen und endet bei Waldi Hartmann als Telefonjoker.
Wieviel verschiedene Zugmöglichkeiten hat denn die Dame a1 gehabt?
Da8xDa1
Da7xDa1
Da6xDa1
Da4xDa1
Da3xDa1
Da2xDa1
Dh1xDa1
Dg1xDa1
Df1xDa1
Dd1xDa1
Dc1xDa1
Db1xDa1
sind 12 Möglichkeiten.
Dann dasselbe für Springer (Da8xSa1 … usw.) ergeben nochmal 12 Möglichkeiten.
Ein Läufer (durch Umwandlung a2-a1L+) kann auch auf a1 auftauchen ergo (Da8xLa1 …) ergeben weitere 11 mögliche Züge, da das Feld a2 für Die Dame ausfällt, dort steht ja der Bauer (Da2xLa1 kann es also NICHT geben)!
Und noch der Turm (Da8xTa1 … usw.) also nochmal 12 Züge.
Das ergibt doch 47 verschiedene Züge die die Dame auf a1 gehabt haben könnte, oder?
Tom, du bist genial! Du hast ihn entdeckt, den Teufel, der sich immer im Detail versteckt. Grundsätzlich kann durch Umwandlung des Bauern a2 ein Läufer mit Schachgebot auf a1 entstehen, aber mit einer Ausnahme, und zwar, wenn die Dame auf a2 steht. Insofern ergibt sich die Rechnung: Da1 (12×4)-1 = 47 Zugmöglichkeiten. Übrigens hatte ich für die Dame a1 von vornherein 48 Züge berechnet, nur in der Klammer versehentlich 5 statt 12 geschrieben. Ich habe das jetzt korrigiert. Die neue Hochrechnung ergibt somit 274 Zugmöglichkeiten. Weitere Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.
Die Sache ist komplexer als man denkt.
Angenommen der letzte schwarze Zug war Bb3-b2, dann gibt es folgende Königszugmöglichkeiten:
1. Ka3xBb2
2. Kc3xBb2
3. Kc1xBb2
4. Kb1xBb2
= 4 verschiedene Züge
Oder der letzte Zug war Sb2, das geht nur von a4 oder d1, es wird also dem König jeweils 1 seiner 7 Ausgangsfelder (nämlich c3) genommen
5. Kc2xSb2
6. Kc1xSb2
7. Kb1xSb2
8. Ka2xSb2
9. Ka3xSb2
10. Kb3xSb2
= 6 weitere Züge
jetzt der Läufer, der kann nur von c1, a3, c3, oder d4 nach b2 ziehen; er nimmt dem König also 1 oder 2 zwei schwarze Felder rund um b2 mit der Folge z.B Ld4-b2 (der Läuferzug bietet neben dem gleichwertigen Lc3-b2 Weiß die meisten Möglichkeiten)
11. Ka3xLb2
12. Kb3xLb2
13. Ka2xLb2
14. Kb1xLb2
15. Kc2xLb2
16. Kc1xLb2 (geht nur bei Ld4-b2 oder Lc3-b2)
= 6 weitere Züge
immer schlimmer wird es mit dem Turm, dieser kann von 14 verschiedenen Felder nach b2 ziehen und klaut dem weißen König entweder Felder auf der b-Linie oder der 2. Reihe.
Angenommen er zieht von Tb8-b2 dann gibt es
17. Ka3xTb2
18. Ka2xTb2
19. Kc1xTb2
20. Kc2xTb2
21. Kc3xTb2
Ähnliches gilt z.B. auch für Th2-b2
= 5 weitere Züge
nun die Dame, da gilt dasselbe wie für den Turm, z.B. Dd4-b2 (der Damenzug bietet Weiß die meisten Möglichkeiten)
22. Ka3xDb2
23. Ka2xDb2
24. Kc1xDb2
25. Kc2xDb2
26. Kb3xDb2
27. Kb1xDb2
= 6 weitere Züge
Es sind nur 27 Züge die mit dem König möglich sind.
Boah Äh! Tom, damit hast du bewiesen, dass wir viel tiefer in Stellungen hineingucken müssen. Ich war zu oberflächlich beim Durchzählen. Einen Zug habe ich noch gefunden, und zwar 28. Kc3xDb2. Dadurch ergeben sich 28 Königszüge, macht summa summarum 270 Zugmöglichkeiten. Oder?
Kc3xb2 geht nicht, die Dame kommt ja von d4 !! Dadurch gibt es 6 Königszüge. Sollte die Dame wie der Turm von der b-Linie oder der 2. Reihe kommen, gibt es nur 5 Königszüge.
Warum soll die Dame von d4 kommen? Wenn der König auf c3 steht, kann doch auf der b-Linie z.B. Db8-b2+ nebst Kc3xb2 folgen. Das gleiche gilt für die 2. Reihe, z.B. Dh2-b2+.
Stimmt schon, wenn die Dame aber von der b-Linie kommt, gibt es nur 5 Schlagfälle des König (equivalent zum Turm). Wenn die Dame von d4 kommt, kann es 6 Schlagfälle des Königs geben. Bau es auf !
Okay. Ich hatte einen Denkfehler. Also einigen wir uns auf 269 Zugmöglichkeiten. Am meisten hat mir übrigens deine Erkenntnis imponiert, dass bei den Varianten mit dem Springer der König nicht auf c3 stehen konnte.
Für den Gedankenstrich ist der Satzzeichengott zuständig. Dem einen gibt er, dem anderen nimmt er. Mit Einfalt hat das nichts tun. Obwohl ich selbst gern lästere, bin ich in der Beurteilung von Menschen, die ich nicht persönlich kenne, zurückhaltend. Fußballersprüche gibt es ohne Ende. Ob die immer ernst gemeint waren, bezweifele ich. Manchmal habe ich den Eindruck, es sollte der dämlich fragende Reporter verarscht werden. Andreas M. ist jemand, der polarisiert hat. Das lag einerseits an seinem Frankfurter Duktus, andererseits an seinem Babyface. Damit war er schnell als „Heulsuse“ abgestempelt.
Damenüberschuss: Passend zum Thema habe ich meinen Beitrag ergänzt.
Meine Frage, ob jemand mehr als 4 Damen in einer Turnierpartie zu bieten hat, kann ich selbst beantworten. Ja! Ausgerechnet eine leibhaftige Dame hat mehr zu bieten. Die Österreicherin Eva Moser hat bei einem Großmeisterturnier, das gerade in Augsburg zu Ende ging, sage und schreibe 5 Damen auf dem Brett gehabt. Drei gehörten ihr selbst, zwei ihrem männlichen Gegner. Eva Moser gewann nicht nur diese Partie, sie holte sich auch eine Männer-Großmeister-Norm. Respekt! Guckt ihr bei chessbase: http://de.chessbase.com/post/eva-moser-holt-gm-norm
Hallo Gerd,
das Analysezentrum List (Hannover, nicht Sylt!) vermeldet nach ad-hoc Suche:
4 oder mehr Damen: 1.453 Partien
5 oder mehr Damen: 8 Partien
6 oder mehr Damen: 4 Partien
7 Damen: 1 Partie (Studie)
Die Partie von Evi Moser wird in Kürze zwei der Statistiken um 1 anreichern 🙂
Das Interesse an Damen ist trotz Hitzlsperger offenbar ungebrochen. Das ermutigt mich, folgende Frage zu stellen: „Wie viele Damen können sich unter Beachtung der Schachregeln maximal auf dem Brett befinden?“ Spontan neigen wir zur Antwort: „Achtzehn. Zwei Damen gibt’s sowieso, und wenn sich jeder Bauer in eine Dame umwandelt, kommen 2×8 hinzu.“ Die Rechnung hat allerdings den Haken, dass sich die Bauern gegenseitig im Wege stehen, und Bockspringen untersagt ist. Folglich müssen sich Figuren oder Bauern opfern, damit die umwandlungsbereiten Bauern freie Bahn haben. Wie oft geht das? Kennt jemand die Antwort?
Bevor ihr euch den Kopf zerbrecht, habe ich selber nachgerechnet. Es sind tatsächlich 18 Damen möglich. Dazu habe ich folgende Überlegungen angestellt:
1. Der weiße a-Bauer wechselt auf die b-Linie, dafür muss sich eine schwarze Figur opfern.
2. Der weiße b- und d-Bauer wechseln auf die c-Linie, dafür müssen sich zwei schwarze Figuren opfern. In der c-Linie entstehen Triple-Bauern.
3. Der weiße h-Bauer wechselt auf die g-Linie, dafür muss sich eine schwarze Figur opfern.
4. Der weiße e- und g-Bauer wechseln auf die f-Linie, dafür müssen sich zwei schwarze Figuren opfern. In der f-Linie entstehen Triple-Bauern.
5. Zwischenbilanz: 6 schwarze Figuren (ohne Dame) haben sich geopfert.
6. Der schwarze c-Bauer wechselt auf die d-Linie, dafür muss sich eine weiße Figur opfern.
7. Der schwarze f-Bauer wechselt auf die e-Linie, dafür muss sich eine weiße Figur opfern.
8. Zwischenbilanz: 2 weiße Figuren (ohne Dame) haben sich geopfert.
9. Ergebnis: Auf der b- und g-Linie befinden sich je ein Bauer, und auf der c- und f-Linie befinden sich je Triple-Bauern, die allesamt freie Bahn haben.
Das funktioniert auch mit vertauschten Farben. Seid ihr einverstanden, oder habe ich etwas übersehen? Möglicherweise ist das ein alter Hut, aber ich habe ihn mir erst jetzt aufgesetzt.