Über Strohfrauen und Strohmänner

Bei der Diskussion über unsere Mannschaftsaufstellungen, die in einem hannoverschen Biergarten vor der Sintflut stattfand, kam ein Detail zur Sprache; nämlich inwieweit Spielerinnen und Spieler in Mannschaften gemeldet werden dürfen, deren tatsächlicher Einsatz aus unterschiedlichen Gründen nicht beabsichtigt ist. Ich habe mich einmal in den Dschungel der insgesamt 7 Turnierordnungen gestürzt, die in Niedersachsen von der Kreisklasse bis zur Oberliga gültig sind. Danach gilt für die Ligen auf Landesebene (Verbands- und Landesliga) sowie für die Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen (Oberliga) folgende Regel:

B.1.5 Ranglisten (Mannschaftsmeldung)
(1) Für jede Mannschaft ist jeweils bis zum 1. August eine Rangliste namentlich in der Reihenfolge der Brettbesetzung dem zuständigen Staffelleiter vorzulegen. Es darf kein Stammspieler (Brett 1-8) mit einer um mehr als 300 Punkte schlechteren DWZ vor einem Spieler gemeldet werden, der eine um mehr als 300 Punkte bessere DWZ besitzt. Es gilt die DWZ-Liste der DWZ-Datenbank des Deutschen Schachbundes vom 1. Juli. Über Ausnahmen bei Spielern ohne DWZ entscheidet der Turnierleiter der Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen auf Antrag.

Damit soll offenbar verhindert werden, dass Spielerinnen oder Spieler von der Resterampe als Platzhalter missbraucht werden. Ob diese Regel Sinn macht, sei dahingestellt. Fakt ist indes, dass es diese Regelung auf Bezirksebene nicht gibt. In den 6 Turnierordnungen der Bezirke habe ich jedenfalls keinen entsprechenden Passus gefunden; d.h. wenn ich mich nicht irre, darf z.B. in der Bezirksliga trotz eines 2. Bretts DWZ >2000 jemand mit einer DWZ <1000 fürs 1. Brett gemeldet werden.

Strohmann
Strohmann

28 Gedanken zu „Über Strohfrauen und Strohmänner“

  1. Die zitierte Regel gilt für die Oberliga Nord NICHT. Mit der Oberliga hat die „Spielgemeinschaft Niedersachsen/Bremen“ nichts zu tun. Diese ist nur für Landesliga und Verbandsliga zuständig.

  2. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

    Ordnung muss sein. Hans-Joachims Hinweis hat mich dazu bewogen, noch tiefer in den Turnierordnungsdschungel einzudringen. Danach konnte ich folgende Turnierordnungen ausmachen, die theoretisch für Schachmannschaften im Land Niedersachsen gelten:

    • Schachbundesliga eigene Turnierordnung
    • 2. Schachbundesliga eigene Turnierordnung über DSB
    • Oberliga Nord eigene Turnierordnung über Norddeutsche Schachverbände
    • Landesliga + Verbandsliga Niedersachsen/Bremen eigene Turnierordnung über NSV/LSB
    • Kreisklasse bis Bezirksliga Niedersachsen eigene Turnierordnungen der 6 Bezirke

    Sollte es einem Verein gelingen, von der Bezirksliga in die 1. Schachbundesliga aufzusteigen, muss sich dieser mit 5 unterschiedlichen Turnierordnungen auseinandersetzen. Wobei immer der neueste Stand zu berücksichtigen ist. Manchmal wird ein Komma durch ein Semikolon ersetzt. Augen auf bei der Wahl zum Mannschaftsführer!

    Die von mir zitierte 300-Punkte-DWZ-Regelung gilt offenbar nur für die Landes- und Verbandsliga. In allen anderen Turnierordnungen habe ich keinen entsprechenden Hinweis gefunden.

  3. Ein guter Freund von mir spielt Tischtennis im Verein. Dort herrschen erschreckend komplexe Regeln, in welcher Rangfolge Spieler zu Mannschaftskämpfen antreten dürfen. Die erlaubten Aufstellungen werden, wenn ich das richtig verstanden habe, gleichsam von errungenen Wertungspunkten diktiert, der Entscheidungspielraum liegt nahe null.

    Dagegen sind die schachlichen Turnierordnungen beinahe noch überschaubar… Es scheint so, als ob es eine Korrelation zwischen der Anzahl der Akteure (Tischtennis- vs. Schachspieler) und dem Reglementierungsgrad eines „Sports“ geben würde. Laut Deutschem Sportbund gibt es 560.000 Freunde des Plastikballs, dagegen nur 90.000 Schachspieler.

    1. Regeln sind gut, zu viele Regeln sind schlecht

      Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat jüngst zwei Werke prämiert, die es zum Thema „Wenn Bürokratie überhandnimmt“ ausgelobt hatte. Es ging um die Funktion und Wirkung der Bürokratie auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Zur Gesellschaft gehören wir Sportler, vom Schachspieler bis zum Tischtennisspieler. Einer der Preisträger hat das „Verhältnis zwischen dem Wachstum von Regeln und der Effektivität von Regierungen“ untersucht. Wenn wir „Regierungen“ durch „Schachverbände“ ersetzen, könnte uns Schachspielern ein Licht aufgehen. Das Problem ist allerdings: den meisten Schachspielern geht das Thema am – ihr wisst schon – vorbei. Sie fügen sich in ihr Schicksal oder bleiben zuhause.

  4. Ich weiß von einer anderen Untersuchung (die ich aber zu faul bin mit einer Quelle zu belegen), die einen Zusammenhang zwischen dem Reglementierungsgrad einer Gesellschaft und der Zahl der Friedensjahre nahelegt.

    Mit anderen Worten: Wenn gerade kein Krieg herrscht, machen sich Menschen für gewöhnlich daran, immer komplexere Regeln für das Zusammenleben aufzustellen. Sie tun dies wohl, weil sie das jeweilige Ergebnis, das aber immer nur einen Zwischenstand vor dem nächsten Verkomplizierungslevel darstellt, für „gerechter“ halten als das vorige. Vermutlich besteht darüber hinaus eine Eigendynamik, die von den professionellen Trägern der Verkomplizierung – Juristen, Funktionären, Lobbyisten – ausgeht. Diese Leute wollen beschäftigt sein und denken ständig darüber nach, was man anders manchen könnte, und dieses „Andere“ beinhaltet nur selten Vereinfachungen. Daher gewinnen unsere Bibliotheken mit Gesetzestexten (und Vereinsordnungen) jedes Jahr weitere Meter hinzu.

    Historisch betrachtet kommt man aus dieser Schraube nur heraus, wenn die Gesellschaft in Krieg und Chaos versinkt. Dann erwächst wohl der dringende Wunsch nach Erneuerung auch der geistigen Grundlagen, wonach neue Verfassungen etc. niedergeschrieben werden. Daher – so fürchte ich – werden sich die Schach-Turnierordnungen erst nach dem Atomschlag entschlacken lassen…

  5. Wer hat Angst vorm Strohmann?

    Versuch einer Versachlichung: Strohmänner tun nichts. Die wollen nicht einmal spielen. Zum Beweis zeige ich euch einen echten Strohmann (siehe oben). Für die Regulierungswut der Menschheit im Allgemeinen und der Schachfunktionäre im Besonderen gibt es drei Gründe:

    1. Die Existenzberechtigung derer, denen eine Aufgabe übertragen wurde.
    2. Die Phobie, eine Variante zwischenmenschlicher Beziehungen nicht maßregeln zu können.
    3. Machterhalt.

    Wer keine Angst vorm Strohmann hat, muss sich nicht fürchten, wenn plötzlich einer auf der Liste steht. Für Strohfrauen gilt das gleichermaßen.

    1. Es gibt auch Gründe für solche Entwicklungen, die weder böse sind, noch böse gemeint sind. Eigentlich ist ein gewisser Hang zur Faulheit dafür verantwortlich, gepaart mit Messie-Anwandlungen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Das meine ich absolut ernst.

      Es ist nämlich fast in jedem Fall einfacher, eine bestehende Regel (beispielsweise ein Gesetz) durch einen neuen Absatz zu ergänzen oder mittels einer Fußnote zu korrigieren, als die Regel komplett neu abzufassen. Dieses Phänomen lässt sich unter anderem auf semi-professionellen Internetseiten studieren, deren Inhalte langsam zu kruden Informationskonglomeraten wuchern. Bei Gesetzestexten führt derselbe Vorgang dazu, dass in bestimmten deutschen Landesverfassungen tatsächlich die Todesstrafe herumgeistert und exotische Steuerarten auf mittelfränkische Wurstsorten erhoben werden (die erste Behauptung kann ich belegen, die zweite habe ich mir ausgedacht).

      Am Anfang habe ich also eine relativ einfach strukturierte Regel, zum Beispiel eine Turnierordnung, bis sich herausstellt, dass manche Bestimmungen scheinbar geviefte Tricksereien ermöglichen. Dies wird als Manko empfunden, jemand denkt sich eine 300-Punkte-Sonderregel aus. Das Ganze passiert immer wieder aufs Neue und lässt die ursprünglich simple Regel in ähnlicher Weise ausarten wie meinen jetzigen Blogkommentar 😉 Das Entscheidende dabei ist aber: Nur selten wird eine Regel gestrichen und noch seltener kontrolliert jemand, ob das Gesamtpaket eventuell völlig absurd geworden ist. Die eigentlich notwendige Neufassung scheitert daran, dass es erstens eine Menge Arbeit produzieren würde und man zweitens niemandem auf die Füße treten möchte. Außerdem könnte ja etwas Wichtiges verloren gehen, im Zweifel also lieber immer alles behalten…

      Das klingt vielleicht abstrakt, aber so oder so ähnlich steigert sich die Komplexität von selbst. Das ist in einer neurotischen und tendenziellen angstvollen Gesellschaft wie der unseren ein Selbstläufer. Zwar sind es einzelne Verkomplizierer, die hier die konkreten Entscheidungen treffen, diese werden aber durch das System selbst geformt. Positiver formuliert: Womöglich müssen wir diesen Preis für unsere Spielart der Demokratie zahlen.

  6. Schachspieler sind in erster Linie Individualisten. Deshalb stört es sie kaum, wenn die Allgemeinheit betroffen ist. – Jürgen hat recht, „krude Informationskonglomerate“ sind der Preis für unsere Demokratie. Deshalb müssen wir weder verzweifeln noch das System verteufeln. Wo es wichtig ist, sollten wir mit demokratischen Mitteln für Reformen kämpfen, wo es unwichtig ist (z.B. in der Schachszene), sollten wir hin und wieder unsere Stimme erheben, wohlwissend, dass Funktionäre stur sind, es sei denn, sie heißen Michael S. Langer. So oder so dürfen wir unseren Humor nicht verlieren.

  7. Ohne die oben genannte Diskussion zu geringschätzen (sehr interessante These @Jürgen), versuche ich das ganze mal wieder auf eine etwas schachlichere Ebene zurückzuziehen.

    Das Für und Wider von „Strohmann“-Aufstellungen ist ein ähnlich alter Hut wie das Martingalespiel, und sein Effekt wird im Hinblick auf das Endergebnis ähnlich überschätzt. In der „Karl“ von 2/2016, in der es um Schach & Mathematik geht (eine insgesamt sehr gute Ausgabe eines mitunter recht wankelmütigen Magazins), wird dieser alte Hut ausgebreitet und gelöst. Ich glaube es war von Bewersdorff, der auch ein sehr kurzweiliges Buch über Strategieoptimierung in klassischen Spielen geschrieben hat.

    Es ist natürlich auch nicht sehr schwierig, das ganze selbst auszurechnen.

  8. Als ich so jung war wie Torben, gab es im NSV für Mannschaftsaufstellungen eine Toleranzklausel; d.h. man konnte bezogen auf den Platz in der gemeldeten Rangliste bei jedem Mannschaftskampf einen Platz nach oben oder unten rücken. Jemand, der z.B. an Rang 6 gemeldet war, konnte an Brett 5, 6 oder 7 spielen. Damit war eine gewisse Flexibilität gewährleistet.

    Irgendwann wurde die Nulltoleranz-Regel eingeführt. Meines Erachtens ist es an der Zeit, diese abzuschaffen und durch eine neue Freizügigkeit zu ersetzen. Ein Verein, der z.B. mit drei Mannschaften am Spielbetrieb beteiligt ist, meldet seine Ranglisten wie folgt:

    • 1. Mannschaft => Spieler 1 bis 16 in beliebiger Reihenfolge, wobei die Nr. 1 bis 8 nicht in der 2. Mannschaft spielen dürfen.
    • 2. Mannschaft => Spieler 9 bis 24, wie vor, wobei die Nr. 9 bis 16 nicht in der 3. Mannschaft spielen dürfen.
    • 3. Mannschaft => Spieler 17 bis x (max. 32)

    Damit können 8 Spieler im Bedarfsfall jeweils eine Mannschaft nach vorn rücken; nach hinten ist eine Sperre eingebaut, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die für eine Mannschaft spielberechtigten Schachspieler können im Laufe der Saison an unterschiedlichen Brettern eingesetzt werden: die Nummer 16 kann z.B. am 1. Brett der 1. Mannschaft, aber auch am 8. Brett der 2. Mannschaft spielen und die Nummer 1 sowohl am 1. Brett als auch am 8. Brett der 1. Mannschaft spielen. Die tatsächliche Aufstellung wird unmittelbar vor dem Mannschaftskampf bekanntgegeben.

    Für Puristen mag das der Horror sein. Für die einen (Funktionäre) gerät der Ordnungssinn durcheinander, für die anderen (Aktive) wird die Partievorbereitung schwieriger. Für die Kreativen ist es indes eine Herausforderung. Nun muss man nicht befürchten, dass durch die flexible Aufstellung alles anders wird. Schachspieler gehören zu den Primaten. Primaten zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Sozialverhalten durch Rangordnungen geprägt ist. Schachspieler haben sich mittels Rangkämpfen, die in DWZ- und/oder Elo-Zahlen münden, mühsam einen Platz erworben, den sie nur ungern hergeben (Stichwort: Hackordnung). Im Regelfall wird also jeder Schachspieler dort spielen wollen, wo er sich berufen fühlt. Nichtsdestotrotz gibt es unter Schachspielern Faktoren, die uns von anderen Primaten unterscheiden (Stichwort: Homo sapiens). Warum soll ich während einer Saison nicht nach hinten rutschen, wenn ich am 1. Brett die lange Rochade (drei Nullen) kassiert habe? Warum soll ich nicht häufiger mit Schwarz spielen, wenn ich damit erfolgreicher bin? Warum soll ich – wie zu Weihnachten – nicht einfach für eine Überraschung sorgen?

  9. Totschlagargumente finden sich immer. Das Beispiel „Plischki“ ist jedoch ein Beleg für den Vorteil meines Vorschlags:

    • Jede Mannschaft kann sich so verhalten wie immer. Ihr Spielraum wird nicht eingeengt, sondern erweitert.
    • Der Gegner weiß nicht, ob „Plischki“ tatsächlich am 1. Brett spielt (das weiß er auch beim alten System nicht).
    • Änderungen in der Aufstellung sind aufgrund von Vorbehalten auch derzeit nicht möglich. „Plischki“ kann sich nicht im letzten Moment anders entscheiden.
    • Wenn ich ein unterklassiger Schachspieler wäre, würde ich mich freuen, gegen „Plischki“ zu spielen. Das ist das Erfolgsrezept sämtlicher Schach-Open.
    • Gegen „Torsten Gans“ zu spielen ist wie Russisch Roulette. Um das zu verhindern, kann man bei meinem System eher auf eine andere Mannschaft ausweichen.
    • Trottel habe ich unter Schachspielern noch nie angetroffen. Trottellummen auch nicht.

    1. Die flexible Aufstellung gab es im Bezirk Hannover bereits einmal in der Saison 83/84 (evtl. auch noch ein Jahr danach). Ich kann mich erinnern (naja, in Wirklichkeit habe ich in Ergebnislisten geschaut, die ich längst entsorgen wollte), dass die Möglichkeit hauptsächlich zum Farbtausch genutzt wurde. Deswegen bin ich mir auch nicht mehr ganz sicher, ob damals auch so eine vollständige Flexibilität wie in Gerds Beispiel zugelassen war. Vielleicht hat ja noch jemand die Turnierordnung von damals.

      Aus Sicht eines schwächeren Spielers ist die Möglichkeit mal durch Zufall einen richtig guten Gegner zu erwischen, sicherlich interessant. Aus Sicht des stärkeren Spielers dürfte das aber eher demotivierend wirken…

      Gerade in den unteren Klassen sind die Unterschiede zwischen vorderen und hinteren Brettern einer Mannschaft meist so groß, dass ein starker Spieler seine Motivation für das Spieler einer Saison noch am ehesten daraus zieht, an den vorderen Brettern auf ähnlich starke Spieler anderer Mannschaften zu treffen.

      1. Das war die von mir beschriebene Toleranzklausel, Thomas. Eine vollständige Flexibilität gab es nicht, und wird es (vorerst) nicht geben. So naiv bin ich nicht, daran zu glauben. Wer ernsthaft vorhat, solche Ideen zu realisieren, wird sofort von Bedenkenträgern umringt. Dabei habe ich die Realität bereits beschrieben. Du kannst davon ausgehen, dass die Mannschaftsaufstellungen bis aus Kleinigkeiten so bleiben, wie sie sind (Stichwort: Hackordnung). Derzeit wird lieber in Kauf genommen, dass Bretter unbesetzt bleiben – vor allem in den letzten Runden –, statt durch eine Flexibilisierung für Abhilfe zu sorgen. Wer gern Schach spielt, soll das bitte tun. Daran sollten weder Mannschaftsaufstellungen, die ein halbes Jahr alt sind, scheitern noch das sogenannte „Festspielen“ nach einem dreimaligen Einsatz in einer höheren Mannschaft.

  10. Dein Argument zieht nicht: Wenn ein „Plischki“ freiwillig in einer unterklassigen Liga Mannschaftskämpfe bestreitet, wird er stets vorn spielen. Ein „schwacher Spieler“, der sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlt, wird nicht gezwungen, am 1. Brett anzutreten. Von einer Niederlage allein verliert niemand die Lust am Schach. Sonst würden arme Mädchen und arme Jungs nach mehreren Misserfolgen in Turnieren – auch gegen vermeintlich gleichwertige Gegner – sowie nach einer Niederlage gegen einen Großmeister in einem Simultankampf das Handtuch werfen. Es ist doch an den Haaren herbeigezogen, dass durch meinen Vorschlag alles auf den Kopf gestellt wird. Wir gestatten uns nur ein bisschen mehr Freiheit. Und weniger unbesetzte Bretter.

  11. 1. Ich finde es immer etwas schwierig, wenn ein Extremfall als ‚das‘ Beispiel angeführt wird, welches einen neuen Vorschlag widerlegt.

    2. Im Plischki-Fall kann man wohl davon ausgehen, dass er in der Bezirksliga spielend immer ungefähr gleich gut unterhalten wird, denn der Eloerwartungswert wird bei über 400 Punkten Differenz abgeschnitten und alles darunter als gleich große Hürde angesehen.

    3. Im Wer-spielt-gegen-Plischki-Beispiel funktioniert Gerhards Vorschlag aber dann doch tatsächlich grandios. Wenn beide Mannschaften munter würfeln, hat halt einer von 8 das Glück/Pech, je nachdem, was für eine Einstellung man gegenüber Herausforderungen steht. In diesem Sinne wäre so eine Regelung sogar in diesem Extremfall am ‚fairsten‘.

    4. Ich glaube in den Niederlanden (?!) wird dieses, von Gerhard prognostizierte System, sowieso immer ausgetragen. Wenn man die Zahlen 1 bis 8 weniger als Spiegel einer Hackordnung sieht sondern einfach nur als das nimmt, was sie sind – Nummerierungen – glaube ich kaum dass ein noch so großes Ego damit ein Problem haben sollte.

    5. Ich persönlich bin ein GROSSER Befürworter des Gerhardschen Vorschlags. Da ich ein Vorbereitungsfeind bin, kann man hier endlich mal wieder normales Schach spielen.

    1. Torben, Dein Wort in Gottes (Caissas) Ohr! Unser eigener Verein hat es in der vergangenen Saison weder in der Oberliga noch in Verbandsliga ein einziges Mal geschafft, mit der gleichen Mannschaft anzutreten. Wenn konkrete Vorbereitungen überhaupt Sinn machen, waren sie sowohl für unsere Gegner als auch für uns selbst nur in Ausnahmefällen hilfreich.

      Jeder Regelverstoß muss natürlich geahndet werden. Das kann dazu führen, dass regulär gewonnene Partien als Verlust gewertet werden, weil sich der Mannschaftsführer vertan hat. Das kommt hin und wieder vor. Caissa wird darüber not amused sein. Es ist interessant, was dazu jeweils in den Turnierordnungen steht:

      Schachbundesliga TO
      15.4 Der Schiedsrichter prüft unverzüglich nach Abgabe der Mannschaftsmeldung, ob diese ordnungsgemäß ist und weist den Mannschaftsführer auf etwaige Fehler hin. Der Mannschaftsführer ist verpflichtet, diese zu korrigieren. Ohne ordnungsgenmäße Mannschaftsaufstellung kann der Wettkampf nicht beginnen. Ziff 15.2. Satz 2 gilt entsprechend.

      Drum prüfe, wer sich einmal bindet! Der Schiedsrichter ist in der Pflicht. Und das ist gut so. Anders sieht das in der 2. Bundesliga aus, obwohl auch dort Schiedsrichter vorgeschrieben sind:

      2. Bundesliga TO des DSB
      H-2.4.5 Bei fehlerhafter Rangfolge haben alle zu tief eingesetzten Spieler ihre Partien verloren. Ein Spieler gilt dann als zu tief eingesetzt, wenn in seiner Mannschaft vor ihm ein Spieler mit einer höheren Ranglistennummer gesetzt wurde. Entsprechendes gilt, wenn Spieler an falschen Brettern sitzen.

      Entweder ist diese Regel überflüssig oder der Schiedsrichter.

      Oberliga Nord TO der Norddeutschen Schachverbände
      2.7.3 […] Bei fehlerhafter Brettfolge haben alle zu tief eingesetzten Spieler ihre Partien verloren. Ein Spieler gilt dann als zu tief eingesetzt, wenn in seiner Mannschaft vor ihm ein Spieler mit einer höheren Ranglistennummer gesetzt wurde.

      Anmerkung wie vor, weil auch in der Oberliga Schiedsrichter vorgeschrieben sind. Jetzt kann man einwenden, dass diese Regel für den Fall gilt, dass der Schiedsrichter nicht aufgepasst hat oder gar nicht erschienen ist. Ja mei! Dann ist es halt so. Das Ergebnis einer tatsächlichen Schachpartie muss Vorrang haben.

      Landesliga/Verbandsliga TO des NSV
      (4) […] Bei fehlerhafter Rangfolge haben alle zu tief eingesetzten Spieler ihre Partien verloren. Ein Spieler ist dann zu tief eingesetzt, wenn über ihm ein Spieler mit einer höheren Ranglistennummer eingesetzt ist. Die begünstigte Mannschaft erhält für jedes von einer derartigen Entscheidung betroffene korrekt besetzte Brett einen Brettpunkt.

      Kein Schiedsrichter an Bord, trotzdem fast der gleiche Wortlaut bis auf den Hinweis, dass eine Mannschaft begünstigt wird. Aber nur, wenn die ihre Bretter selbst korrekt besetzt hat! Schließlich muss man an alles denken.

      Schachbezirk Hannover TO
      5.06 Spielereinsatz […] Bei fehlerhafter Rangfolge gelten die Partien aller zu tief eingesetzten Spieler als verloren.

      Kurz und knapp. Mein Favorit in der Wortwahl. Als abschreckendes Beispiel zeige ich euch jetzt, zu welcher Wortakrobatik unsere Nachbarn in Österreich fähig sind:

      TUWO des ÖSB
      3.3 Bei Verletzung der starren Liste wird (werden) nur jene(r) Spieler kontumaziert, der (die) unter Berücksichtigung der Kaderliste, der Aufstellungsbeschränkungen und der auf niedrigeren Brettnummern aufgestellten Spieler auf seinem Brett unter keinen Umständen eingesetzt werden darf (dürfen).

      Wer das auf Anhieb versteht, hat entweder einen IQ >200 oder ist Österreicher.

      1. Torben der Vorbereitungsfeind

        Wasser auf Torbens Mühlen ist eine Aussage in dem auch ansonsten interessanten Interview mit Alexander Ipatov auf ChessBase:

        Alexander Ipatov: Ich spiele besser, wenn ich mich nicht vorbereite und versuche kreativ zu sein. Eine zu intensive Vorbereitung sorgt für Stress. Das Wichtigste ist, gut ausgeschlafen zu sein.

        Guckt ihr hier: http://de.chessbase.com/post/alexander-ipatov-darum-habe-ich-meine-profi-karriere-beendet

        Torbens Kreativität hat sich mal wieder ausgezahlt mit seinem 2. Platz bei der NSV-960-Meisterschaft am Sonntag in Lehrte. Bravo!

  12. Kein Österreicher ist mein Strohmann; sondern ein echter Niedersachse. Es handelt sich um den „Brelinger Riesen“. Das Foto habe ich im Oktober 2013 aufgenommen. – Strohfrau passt zu den aktuellen Ereignissen in unserem Land. Hat sie ein Strohfeuer entfacht oder einen Flächenbrand?

    1. „Fünfundfünfzig feiste Fehler“ heißt ein bekanntes Buch von Robert Hübner. 54 Abgeordnete hat die CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen. Heute kam eine dazu und eine Lehrstunde in Sachen Politik. Egoismus als Auslöser für feistes Lächeln. Gezählt habe ich nicht, aber vor allem die übergewichtigen Herren unter ihnen konnten sich ein feistes Lächeln nicht verkneifen. Mir ist es nicht egal, von wem ich regiert werde. Claqueure für armseliges Verhalten sind nicht meine Wahl.

      1. Stellt euch vor, ein(e) Schachfreund(in), der(die) seit 20 Jahren Mitglied in eurem Verein ist, hat es bis in die 1. Mannschaft geschafft. Während der laufenden Saison gibt es mit den beteiligten Spielern eine Vorstandssitzung, in der die Aufstellung der nächsten Saison festgelegt wird. Die Mehrheit ist sich einig, dass ein spielstärkeres Mitglied das Brett statt der von mir angesprochenen Person belegen soll.

        Vor dem letzten Mannschaftskampf, in dem es gegen den Hauptkonkurrenten geht, erklärt diese Person, dass sie ihren Verein mit sofortiger Wirkung verlassen, dem gegnerischen Verein beitreten und gegen ihre ehemalige Mannschaft antreten werde. Ihr Brett nimmt sie mit! Das Nachrücken eines anderen Spielers verbittet sie sich. Schließlich sei es ihr Brett. Dementsprechend soll euer Verein im entscheidenden Kampf der Saison mit 7 gegen 9 Spielern antreten.

        Alles regelkonform? Unter Schachspielern absurd, in der Politik erlaubt. „Das sei so richtig“, behauptet die abtrünnige Person, und ihr neuer Verein ist empört. Nicht etwa, weil der neue Verein unmoralische Angebote gemacht oder die Person wegen des zu erwartenden Shitstorms nicht vor sich selbst geschützt hätte, nein, weil ihr euren Verein nicht im Griff habt!

  13. Alle Mannschaftsführer erklären in allseitigem Einvernehmen den sofortigen Abbruch der Saison und lassen die neue Spielzeit schon am 15. Oktober statt am 14. Januar des Folgejahres beginnen. Unmoralische Angebote hat es tatsächlich nicht gegeben, sondern sind eine Erfindung des Vereinsvorstandes, die darauf zielt, die abtrünnige Person und ihren neuen Verein zu diskreditieren. Die Abtrünnige konnte nämlich das Programm ihres alten Vereins, das auf Stillstand, Rückschritt und Abstieg, statt auf Fortschritt und Aufstieg in die nächsthöhere Spielklasse zielte, nicht mehr mittragen.

    1. Warum hat sich diese Person denn drei Monate vorher wieder um einen Platz in der 1. Mannschaft beworben, wenn der Verein auf Stillstand, Rückschritt und Abstieg ausgerichtet ist? Und warum hat sie zuvor in einer öffentlichen Rede nicht ihrem alten Verein, sondern ihrem neuen Verein vorgeworfen, für Stillstand in ihrer Disziplin zu sorgen? Und wieso kann sie davon ausgehen, dass ein Abbruch der Saison außer Chaos etwas Positives bewirkt? Und wie kann man bloß so naiv sein, anzunehmen, dass es in den diversen Vorgesprächen zwischen der abtrünnigen Person und ihrem neuen Verein keine Zusage für eine Anschlussverwendung gab?

      1. Schon der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass es gar kein unmoralisches Angebot gegeben haben kann. Der neue Verein hat nichts davon, dass die nächste Spielzeit bereits im Oktober statt im kommenden Janaur beginnt. Eine 9:7-Überlegenheit wird niemals zum Tragen kommen. Die Mannschaftsaufstellungen für die kommende Saison sind längst erfolgt und können nicht nachträglich verändert werden, so dass es für die „Abtrünnige“ keine Anschlussverwendung geben wird. Es ist eben doch bloß, wie der Vorsitzende des neuen Vereins meint,“verleumderische Hetze“, die aber doch bei dem einen oder anderen Schachfreund auf fruchtbaren Boden fällt.

      2. Die Frage eines Journalisten auf der legendären Pressekonferenz nach ihrer Anschlussverwendung hat die Dame damit beantwortet, dass sie sich eine Aufgabe in Berlin oder Brüssel vorstellen könne. Sie wird also nicht leer ausgehen. Ob ihr neuer Verein etwas von der vorgezogenen Spielzeit hat, wird sich zeigen. Dessen Vorstand besteht aus schwergewichtigen Halbstarken, die ihren frustrierten Anhängern eine Show bieten wollten, indem sie dem Gegner einen unzuverlässigen Kader attestierten. Die vielen Buhrufe aus dem Publikum hatten die Halbstarken nicht erwartet. Deshalb legten sie nach, beschimpften den Vorsitzenden des betroffenen Vereins als Rumpelstilzchen und holten sich die BamS zur Hilfe. Wie Halbstarke halt so sind; nur für deren Hardcore-Fans ist das alles in Ordnung.

  14. Meine Tageszeitung (HAZ) hat ein Leserforum. Darin werden – wie seit jeher üblich – Leserbriefe abgedruckt. Heute wird der Leserbrief unseres ehemaligen Bezirksspielleiters (M.H.E.) veröffentlicht. Es geht um das Thema, das die Gemüter derzeit in Niedersachsen erhitzt: Verrat oder Gewissen? Oder gewissenloser Verrat?

    Schachspieler äußern sich nur selten öffentlich zu Themen, die über ihren Tellerrand hinausgehen. Insofern begrüße ich die Meinungsäußerung eines solchen. Teilen kann ich sie indes nicht.

    Es ärgere ihn (M.H.E.), dass ein Ministerpräsident vom Wählerwillen spricht, der durch den Wechsel von Twesten nicht infrage gestellt wird, weil es einen solchen für ihn nie gegeben habe.

    Das klingt ziemlich verquast und ist es auch. „Nur seine (Weils) Vorstellung von der heilen Welt von Rot-Grün bröckelt.“ Das klingt nach Stammtisch. Wenn nur(!) Weils Vorstellung bröckelt, ist ja alles nicht so schlimm.

    Von Schachspielern wird allgemein erwartet, dass sie über ein hohes Abstraktionsvermögen verfügen. Deshalb empfehle ich denjenigen, die Verständnis für ein schäbiges Verhalten zeigen, ihre Linientreue für einen Moment auszublenden und diesen einmaligen Vorgang im Niedersächsischen Landtag unter neutralen Vorzeichen zu bewerten; d.h. jedwede Parteizugehörigkeit außer Acht zu lassen. Ihr werdet sehen: alles erscheint in einem anderen Licht.

  15. Einverstanden. Den sogenannten Wählerwillen gibt es nicht. Aber es gibt eine Lebensart, die den altmodischen Namen „Anstand“ trägt. Dass das Verhalten der Dame aus Rotenburg zu tiefst unanständig war, werden nur diejenigen leugnen, denen alles recht ist, wenn es dem eigenen Vorteil dient. – Nun macht M.H.E. unserem Ministerpräsidenten in seinem Leserbrief den Vorwurf, vor dieser Entscheidung der Abgeordneten keinen Respekt zu haben. Hä? Wie hätte Stephan Weil denn stattdessen reagieren sollen? Hätte er ein unanständiges Verhalten, das die Grundlage einer Intrige war, ausdrücklich loben sollen?

  16. Die Dame aus Rotenburg war auf der Suche nach einem neuen Job. Das belegt ihre Kandidatur als Frauenbeauftragte im April dieses Jahres in Bremen (siehe Weser Kurier). Sie wurde nicht genommen, was im Nachhinein verständlich ist. Gegen Bewerbungen spricht nichts, es sei denn, sie dienen ausschließlich dem Eigennutz und nicht der mit der Aufgabe verbundenen Berufung.

    Dass ihr nun ausgerechnet der politische Gegner, zu dem sie übergelaufen ist, keinen neuen Job angeboten hat, wird damit noch unwahrscheinlicher. Dafür wird die Scheinheiligkeit derer, die sie mit offenen Armen aufgenommen haben, immer deutlicher. Und davor soll unser Ministerpräsident Respekt haben?

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