Vor 40 Jahren war die Welt noch ziemlich in Ordnung

Peter Moje hat sich gestern aus Stade gemeldet. Das ruft Erinnerungen wach. Unsere 1. Mannschaft spielte vor 40 Jahren in der Oberliga Nord. An einem Sonntag im Dezember 1984 sollten wir in Stade antreten. Am Samstag zuvor herrschte die größte „Null-Bock-Stimmung“, die ich jemals bei unseren Mannschaftskämpfen erlebte habe. Niemand hatte Lust auf den weiten Weg nach Stade. Unser 1. Vorsitzender, Dr. Hans Wiehler, telefonierte bis die sprichwörtlichen Leitungen glühten. Eine Absage des Mannschaftskampfes war das erklärte Ziel. Im letzten Moment konnte Hans seine Fähigkeiten als Psychiater ausspielen. Lustlos reisten wir nach Stade und holten dort immerhin ein 4:4.

Am 8. Mai dieses Jahres habe ich Stade mit der Bahn aufgesucht. In aller Ruhe bin ich durch die schöne Altstadt geschlendert. Auf dem Rückweg machte ich Station in Buxtehude. Auch die Stadt ist sehenswert. Stell dir vor, du reist in die Provinz und verbringst stattdessen den ganzen Tag in einem spießigen Spiellokal, siehst die Sonne nicht, verlierst womöglich deine Partie und mit dir die ganze Mannschaft! Das Altwerden hat durchaus Vorteile. Du musst dich nicht mehr beweisen und kannst die Welt erkunden, wie es dir gefällt.

In seinem Rundschreiben vom 12.12.1984 ging Hans Wiehler auf zwei Ereignisse ein: Der TKH hatte uns das Spiellokal in der Maschstraße gekündigt. Das sei kein Unglück, meinte Hans. Die gegenseitigen Interessen seien zu verschieden. Wohl wahr. Wir zogen 100 m weiter in das „Haus der Jugend“. Es sollte nicht das Ende unserer Odyssee werden. Sportlich waren wir dennoch auf der Höhe. Kurz hintereinander gewannen wir die Bezirksblitzmannschaftsmeisterschaft und die von Niedersachsen. O-Ton Hans Wiehler:
„Erfolge gab es durch unsere Blitzasse Michael Geveke, Peter Panzer, Gerhard Streich und Arthur Kölle. Die schnellen Fiedler haben unser Namensschild kräftig aufpoliert, indem sie vor der Braunschweiger Bundesligamannschaft (ohne MP-Verlust) Niedersächsischer Blitzmeister wurden.“

Die Schachfreunde Hannover sind Geschichte. Die Erinnerungen bleiben. Wie wird die Welt in 40 Jahren aussehen? Macht was draus. „Give Peace a Chance!“
Frohes neues Jahr 2025

2 Gedanken zu „Vor 40 Jahren war die Welt noch ziemlich in Ordnung“

  1. Hirnarbeit in Reih und Glied

    Bei meiner Rückschau fiel mir ein Artikel meiner Tageszeitung aus dem April 1984 in die Hände. Es ging um den Polizei-Schach-Club Hannover, der kurz zuvor sein 25jähriges Bestehen gefeiert hatte. Mit meiner Überschrift wurde ein Foto erklärt, auf dem insgesamt 18 Mitglieder des PSC während eines Blitzturniers zu sehen sind. Im Wesentlichen ging es in dem Artikel jedoch um Frauen: „Beim königlichen Spiel stehen die Damen noch etwas abseits“, lautete der Aufmacher und darunter: „Drei Spielerinnen müssen sich beim PSC gegen 88 Kontrahenten durchsetzen.“ Das ist natürlich unfair. Drei gegen Achtundachtzig. „Sind Frauen zum Schach ganz einfach zu dumm?“ Diese rhetorische Frage war in den Text eingefügt. Heutzutage undenkbar. „Der Bezirksmeister der Damen“ würde ebenfalls sofort von der Gender-Polizei konfisziert. Was konnte der geneigte Leser ansonsten lernen? „Brettspieler kommen beim Klötzeschieben ganz schön ins Schwitzen.“ Ältere Männer werden beipflichten. Das Problem kennen Frauen zum Glück nicht.

  2. Hirn ist aus

    Im Oktober 2023 habe ich euch von meinem Ausflug nach Lohr am Main erzählt (Spieglein, Spieglein…). Auf meiner Rückfahrt habe ich in Aschaffenburg Station gemacht. Die Stadt ist mindestens so sehenswert wie Stade und Buxtehude. Wenn mich vorher jemand gefragt hätte, was ich über Aschaffenburg weiß, hätte ich nur eine Antwort parat gehabt: Urban Priol. Priol ist gebürtiger Aschaffenburger und einer der bekanntesten Kabarettisten Deutschlands (z.B. „Tilt!“).

    Aschaffenburg liegt in Unterfranken. Das gehört bekanntlich zum Freistaat Bayern. Geographisch gesehen handelt es sich um Bayerns nordwestlichen Wurmfortsatz nur einen Steinwurf von Frankfurt entfernt. – Ich hatte den letzten schönen Tag des Jahres 2023 erwischt. Die Sonne schien, die Temperaturen waren mild. Ich schlenderte unterhalb der Johannisburg am Mainufer entlang. Zu meiner Freude befand sich dort ein offener Biergarten. Ein junger Mann war für die Getränke zuständig, nebenan ein älterer Herr für die feste Nahrung. Ich entschied mich für Bratwurst mit Pommes. Beides wurde frisch zubereitet und war dementsprechend lecker.

    Beim jungen Mann bestellte ich ein Weizenbier. Wir kamen ins Gespräch. Ob denn Urban Priol mal sein Gast gewesen sei, fragte ich ihn. Er stutzte. Nein, den kennt er nicht. Langsam dämmerte es ihm. Das sei doch der aus der „Anstalt“. Ja. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass der junge Mann gar nicht aus Aschaffenburg stammt, sondern aus Hamburg. Der Liebe wegen sei er hier gestrandet. Es ist gar nicht so einfach, Originale dort anzutreffen, wo man sie erwartet. Der Herr mit der festen Nahrung hinterließ bei mir auch nicht den Eindruck, dass er in Bayern seine Wurzeln hat. Zu weiteren Gesprächen mit echten Einheimischen kam es nicht.

    Vor 10 Jahren bekam ich ein Buch geschenkt. Autor: Urban Priol. Titel: Hirn ist aus. Womit wir beim Thema wären. Seriöse Schachspieler stellen sich nach jeder Niederlage die Frage: „Wo ist das Hirn, wenn man es braucht?“ Antwort: siehe oben!

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